Benutzer:Manuel Funk/Paulskirche (Hermannstein)

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Paulskirche

Die Paulskirche wurde 1491 bis 1492 im heutigen Wetzlarer Stadtteil Hermannstein in Mittelhessen errichtet. In ihr befindet sich ein wertvolles Sandsteinrelief aus dem Jahr 1492, das die Geburt Christi darstellt.

Der Stifter der Kirche ist nicht nachweisbar, vieles deutet aber auf Johann Schenck zu Schweinsberg als Erbauer hin. Die im Torbogen der Turmtür eingemeißelte Jahreszahl 1491 lässt darauf schließen, dass dies das Erbauungsjahr ist. Eine bereits 1427 erwähnte St. Paulini-Kirche zu Hermannstein dürfte noch die alte Mulenheimer Kirche gewesen sein.

Unter Landgraf Philipp I. wurde die Landgrafschaft Hessen, zu der Hermannstein gehörte, 1526 in Folge der Homberger Synode protestantisch. 1567 kam Hermannstein zum weiterhin protestantischen Hessen-Marburg, 1604 zur Landgrafschaft Hessen-Kassel. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel war 1605 zum reformierten Bekenntnis übergetreten und führte dies bis 1619 in seinem Land ein. Dabei wurden allein im Hinterland 20 Pfarrer abgesetzt. Hermannstein blieb bis 1619 lutherisch. Es dürfte die letzte Gemeinde gewesen sein, die das reformierte Bekenntnis annahm. 1624 wurde das lutherische Glaubensbekenntnis wieder eingeführt. Seit dem ist Hermannstein ohne Unterbrechnung eine lutherische Kirchengemeinde.

Seit 1624 liegen Urkunden über die Pfarrpräsentation durch die Schencken zu Schweinsberg vor. Sie dürften aber schon vorher das Patronatsrecht besessen haben, da sie schon 1427 das Präsentationsrecht in der Mulenheimer Kirche hatten.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Gestühl stark zerstört, so dass die Kirche 1687 ein neues Gestühl bekam. Ein Teil der Stühle im Kirchenschiff, die den Frauen vorbehalten waren, wurden durch Los verkauft. Zunächst wurden in jedem Stuhl sieben Plätze ausgewiesen, später acht. Die Namen der Käufer sind in der Pfarrkompetenz von 1741 eingetragen. Die Kaufsumme eines Platzes betrug einen Reichstaler, zehn Albus Einschreibgebühr mussten noch an den Pfarrer gezahlt werden. Die Schencken besaßen links im unteren Kirchenschiff und auf der Empore je einen geschlossenen Kirchenstuhl.

1710 wurden das Kirchenschiff und der Chor neu gedeckt. Das stark beschädigte Dach des Turms wurde aus Kostengründen erst 1775 erneuert. Dabei wurde das ehemals achteckige Dach in ein Pyramidendach umgewandelt.

1730 erhielt die Kirche auf ihrer Nordseite einen Anbau für ein Treppenhaus, das zum Schenckschen Kirchstuhl auf der Empore führte. Ursprünglich muss dort ein quadratischer Bau gestanden haben, dessen Fundamentmauern bei der Kirchenrenovierung 1910 entdeckt wurden. Dieser Bau war mit dem Chor durch eine jetzt noch sichtbare spitzbogige Tür verbunden. Er könnte die Sakristei gewesen sein, mit deren Material man beim Niederreißen das Treppenhaus erbaute.

1747 wurde eine Kirchenstuhlordnung eingeführt, die die Weitergabe der verkauften Plätze in den Frauenstühlen regelte. Sie war noch 1922 gültig. Die letzte Eintragung im Register trägt das Datum 20. Juni 1920.

Um 1840 reichten die Plätze in der Kirche nicht mehr aus. Durch eine Verlängerung der Empore in Richtung Kanzel und Umwandlung der südlichen Eingangstüre in ein Fenster wurde bis 1843 Platz für 40 Personen geschaffen.

1857 erhielt die Kirche einen neuen Fußboden, zwei Emporbühnen, mehrere neue Frauenstühle und eine neue Tür. Die Renovierungsarbeiten kosteten 700 Gulden und wurden von der Zivielgemeinde bezahlt.

Eine große Innenrenovierung stand 1910 an. Pfarrer Hammann gelang es, den für die Restaurierung des Wetzlarer Doms verantwortlichen Regierungsbaumeister Biermann und den Dombaumeister Dr. Steumer für die Kirche zu interessieren. Sie entdeckten die Weihekreuze, die Ornamentmalerei um das Fenster auf der Südseite und die Reste des Christophorus-Bildes. Der Chor, das Chorgestühl, der Orgelprospekt, die äußere Brüstung und die Säulen der Empore, der Freiherrenstuhl und die Sakristei erhielten einen neuen Anstrich.

1962/63 wurde die Orgel aus dem Chorraum auf die Empore verlegt, der Patronatsstuhl entfernt und die bisher von der Orgel verdeckten Chorfenster neu verglast, Wände und Holzteile gestrichen und die alte Malerei erneuert.

In den 70er Jahren erforderten Risse im Kircheninnern und im Außenmauerwerk eine Untersuchung durch einen Statiker, der feststellte, dass sich die Südseite nach außen wölbte. Dem Kirchenbau wurde ein Ringpanzer aus Beton verpasst, der unter dem Dachstuhl um Schiff und Chor gezogen wurde. Im Kircheninnern musste das Mauerwerk zusätzlich durch zwei Stahltrossse gesichert werden. Die Renovierungsarbeiten im Herbst 1977 umfassten außerdem die Trockenlegung der Kirche, die Ausbesserung des Dachstuhles, einen Innenanstrich und die Reinigung des äußeren Mauerwerks mit Hilfe eines Sandstrahlgebläses. Gleichzeitig wurde das Steinrelief ins Innere der Kirche verlegt.

Grundriss der Kirche

Die Kirche ist im Baustil der Spätgotik erbaut. Der schlichte Bau besteht aus Westturm, Kirchenschiff und im Achteck geschlossenem Chor. Letzterer hat ein Netzgewölbe mit hohlprofilierten Rippen und zweiteilige, spitzbogige Fenster mit spätgotischem Maßwerk. Der ebenfalls spitzbogige Chorbogen ist an der Chorseite gefasst und zum Schiff hin mit einer Hohlkehle profiliert. Das Schiff hat eine im Korbbogen gewölbte Bretterdecke, in der Oberlichtfenster liegen. Der Turm erhebt sich in drei Stockwerken und ist mit einem spitzen Zeltdach bedeckt. Die Westtür, die zur Turmvorhalle führt, ist mit einem Rundstab zwischen Kehlen profiliert, der sich im Scheitel überschneidet und mit spitzgotischen Sockeln versehen ist. Die jetzt als Fenster verwendete Tür in der Südmauer besitzt noch die alte Angel aus Stein und den Mauerschlitz für den Sperrbalken.

Abguss des Sandsteinreliefs

Sandsteinrelief

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Aus der Erbauungszeit der Kirche stammt das Steinrelief der früheren Südpforte, das die Geburt Christi darstellt. Es trägt die Jahreszahl 1492. Da das Relief in Folge der Luftverschmutzung gelitten hatte, wurde es 1977 im Innern der Kirche über dem Taufstein angebracht. An der alten Stelle wurde es durch einen Abguss ersetzt.

Ein hölzernes Kruzifix, das im Chorbogen hängt, soll aus der Anfangszeit der Kirche stammen. An den Enden der Kreuzbalken befinden sich Medaillonbilder, auf denen die Namen und Symbole der vier Evangelisten dargestellt sind.

Ebenso alt ist der Taufstein, der eine achteckige Pokalform hat. Um 1700 wurde er aus der Kirche entfernt und in den Klausegarten gebracht. Er wurde durch einen marmornen Tauftisch ersetzt. 1951 wurde der Taufstein wieder in die Kirche zurückgebracht. Taufschüssel und -kanne wurden 1974 neu angefertigt.

Die Kanzel stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1723.

Die Kirche muss ehemals ausgemalt gewesen sein. Reste der vorreformatorischen Bemalung sind noch heute sichtbar. Erwähnenswert ist vor allem das große Christophorusbildnis an der Nordseite des Kirchenschiffes, das 1910 bei einer Renovierung entdeckt wurde. Bei dieser Renovierung wurden außerdem zwölf Weihekreuze unter dem Anstrich entdeckt, die wahrscheinlich nach der Reformation übertüncht wurden.

In der Kirche befinden sich sechs Epitaphien für Angehörige des Geschlechts Schenck zu Schweinsberg:

  • An der Südseite des Kirchenschiffs: Ritter und seine Frau in Lebensgröße. Die linke Hand des Ritters und die Nase der Frau sind abgeschlagen. Die Bildnisse sind mit 16 Wappen eingerahmt. Der Stein trägt weder Namen noch Jahreszahl.
  • Daneben: Stein für Heinrich Christoph Schenck zu Schweinsberg (* um 1674; † 23. Dezember 1730) und seine Frau Catharina Susanna (* 21. Februar 1687; † 10. Dezember 1730). Dieser Stein wird von 24 Wappen eingerahmt.
  • Rechts im Chor: Stein für Wilhelm Burkhardt Schenck zu Schweinsberg (* um 1627; † 19. August 1694) und seine Frau Anna Elisabeth (* 3. November 1634; † 7. April 1702). Dieser Stein ist mit 18 Wappen geschmückt.
  • Ostwand des Chores: Stein für Caspar Magnus Schenck zu Schweinsberg. Die Mitte des Steins ziert das Schencksche Wappen. Über und unter demselben sieht man die Wappen seiner vier Frauen.
  • Im Turm: Stein für Herman Adolf Schenck zu Schweinsberg († 26. August 1570) und Stein für seinen Sohn Friderich Heinrich Schenck zu Schweinsberg († 23. August 1588).

Unter der Kanzel lag das Grabgewölbe, in dem Mitglieder der Freiherren Schenck zu Schweinsberg vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis 1785 begraben wurden.

Die Kirche erhielt erst 1837 eine Orgel. Samt Orgelbühne kostete sie 1100 Gulden, die von der Zivilgemeinde aufgebracht wurden. Die Orgel wurde von der Firma Gustav Rußmann aus Möttau erbaut und im Chor aufgestellt. Zur 400-Jahrfeier der Kirche erhielt die Orgel 1891 ein weiteres Register. Pedal und Manual wurden erneuert.

Im Ersten Weltkrieg wurden die Orgelpfeifen eingezogen und erst 1920 wieder eingesetzt. Auch im Zweiten Weltkrieg waren sie melde- und abgabepflichtig, wurden aber nicht angefordert.

Das Organistenamt war mit der Stelle des ersten Lehrers (später Hauptlehrer) verbunden. Da dieser bei Anschaffung der Orgel nicht in der Lage war, die Orgel zu spielen, übernahm der Lehrer aus Kleinaltenstädten als erster Organist das Amt in der Kirche. Bis 1949 wurde die Orgel dann immer vom ersten Lehrer gespielt.

Die Orgel war mehr als hundert Jahre lang mit einem mechanisch betriebenen Balg versehen. Der Balgtreter wurde von der Gemeinde bezahlt. Später mussten die Konfirmanden den Balg treten. Erst 1954 wurde eine elektrische Windmaschine eingebaut.

Die älteste erwähnte Glocke stammte noch aus vorreformatorischer Zeit. Sie war auf den Namen Maria getauft. Eine kleinere Glocke ließ die Gemeinde vor 1787 in Kleinaltenstädten umgießen.

1811 wurde die große Glocke umgegossen. Die kleinere wurde 1842 von Rincker in Leun ebenfalls umgegossen. Diese musste 1899 wegen eines Sprungs erneut von der Firma Rincker in Sinn umgegossen werden.

Im Ersten Weltkrieg musste die große Glocke abgeliefert werden. Sie wurde am 16. Juli 1917 aus dem Glockenturm herabgelassen und am nächsten Morgen zum Bahnhof gebracht. 1920 erhielt die Gemeinde Ersatz für ihre Bronzeglocke. Am 22. August wurde die bei Buderus gegossene Gussstahlglocke eingeweiht. Die Firma Buderus benötigte zu dieser Zeit Land von der Zivilgemeinde Hermannstein. Für das Entgegenkommen erhielt die Gemeinde unter anderem die Glocke. Sie trägt die Inschrift: „Steh fest im Sturm der Zeit! Gesegnet sei dein Leid! Denk an die Ewigkeit!“

Am 31. März 1942 wurde die kleine Bronzeglocke vom Turm geholt und abgeliefert.

Am 16. November 1955 konnten zwei neue in Karlsruhe gegossene Bronzeglocken am Bahnhof Wetzlar in Empfang genommen und in einem feierlichen Zug zur Kirche gebracht werden.

Die kleinere ist die Gebetsglocke. Sie ist mit den Betenden Hände von Dürer verziert und trägt oben die Inschrift: „Haltet an am Gebet“ und am unteren Rand die Worte „Verleih uns Frieden gnädiglich“.

Die große Glocke, die Totenglocke, ist dem Gedächtnis der Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege gewidmet. Sie trägt als Verzierung das „Vivit-Kreuz“ von Rudolf Koch, neben dem der Spruch „Ich lebe und ihr sollt auch leben“ steht. An ihrem oberen Rand ist die Mahnung des Jeremia „O Land, Land, höre des Herrn Wort!“ angebracht.

Am 1. Advent 1955 waren die drei Glocken zum ersten mal zusammen zu hören.

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Nominal
(HT-1/16)
Gewicht
(kg)
Durchmesser
(mm)
Schlagring
(mm)
Inschrift
 
1 1920 Steh fest im Sturm der Zeit! Gesegnet sei dein Leid! Denk an die Ewigkeit!
2 Totenglocke 1955 Ich lebe und ihr sollt auch leben
O Land, Land, höre des Herrn Wort!
3 Gebetsglocke 1955 Haltet an am Gebet
Verleih uns Frieden gnädiglich

Das in Hermannstein übliche Läuten um 10 und um 17 Uhr geht auf eine Verordnung des Landgrafen Georg II. während des Dreißigjährigen Krieges zurück.

Der Platz um die Kirche war schon in früheren Jahrhunderten von Mauern umgeben und wurde als Kirchhof genutzt. Nachdem ab 1785 die Totenbestattung in Kirchen verboten war, wurden auch drei Angehörige der Familie Schenck zu Schweinsberg auf dem Kirchhof begraben. Dies waren im Oktober 1785 die Frau von Eberhard Schenck zu Schweinsberg, Louise Friderike, sowie 1778 und 1791 zwei Kinder von Eberhard Schenck.

Da der Kirchhof nicht erweiterungsfähig war wurde Anfang des 19. Jahrhunderts ein neuer Friedhof erforderlich, der vor dem Dorf (gegenüber dem jetzigen Friedhofs) angelegt wurde. Dieser Friedhof musste 1844 und 1873 erneut erweitert werden. Auf diesem Friedhof wurden vier Mitglieder der Familie Schenck zu Schweinsberg beerdigt: Freiherr Ludwig Ernst Karl Schenck zu Schweinsberg im Jahr 1847, sein Sohn Wilhelm Schenck zu Schweinsberg 1874, dessen Frau Elisabeth 1906 und Freiherr Ferdinand Schenck zu Schweinsberg 1920. Diese Gräber blieben vorhanden, als der Friedhof in eine öffentliche Anlage umgestaltet und die noch vorhandenen Gräber eingeebnet wurden. Es sind die Gräber von

Der jetzige Friedhof wurde Anfang 1904 eingeweiht.

Einzelnachweise

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  • Ferdinand Luthmer: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Kreise Biedenkopf, Dill, Oberwesterwald und Westerburg. Verlag Heinrich Keller, 1910.
  • Maria Mack: Chronik der Gemeinde Hermannstein - Teil I. Herausgegeben von der Ev. Kirchengemeinde Hermannstein, Hermannstein 1991.
Commons: Manuel Funk/Paulskirche – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 50° 34′ 45,8″ N, 8° 29′ 30″ O