Chelativorans

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Chelativorans
Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Alphaproteobacteria
Ordnung: Hyphomicrobiales
Familie: Phyllobacteriaceae
Gattung: Chelativorans
Wissenschaftlicher Name
Chelativorans
Dorina et al. 2010

Chelativorans ist eine Gattung von Bakterien. Die Arten kommen u. a. im Boden und Klärschlamm vor. Einige könnten für den Abbau von EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) genutzt werden.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zellen sind stäbchenförmig. Sporen werden nicht gebildet. Sie sind nicht beweglich, Flagellen sind nicht vorhanden.[1]

Stoffwechsel und Wachstum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Arten sind streng aerob (auf Sauerstoff angewiesen) und der Stoffwechselweg ist die Atmung. Bei den Chinonen der Atmungskette handelt es sich überwiegend um Ubichinon-10.

Strukturformel von Ubichinon-10

Oxidase- und Katalasetest verlaufen positiv. Die optimalen pH-Werte und Temperaturen für das Wachstum liegen je nach Art zwischen 6,5–7,5 und 25–35 °C. Chelativorans composti benötigt höhere Temperaturen für optimales Wachstum (50 °C), toleriert werden Temperaturen zwischen 20 und 60 °C. Auch die Art C. intermedius toleriert Temperaturen bis zu 60 °C, optimale Temperatur für Wachstum liegt bei 30 °C.[1]

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Name Chelativorans deutet auf die Fähigkeit hin, Metallchelate verwerten zu können (lat. vorans, verschlingend). Die zuerst beschriebenen Arten Chelativorans multitrophicus und Chelativorans oligotrophicus können Chelatverbindungen von Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) abbauen.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gattung Chelativorans wurde 2010 mit der Art Chelativorans multitrophicus von Nina V. Doronina und Mitarbeitern eingeführt. Sie zählt zu der Familie Phyllobacteriaceae, welche zu der Ordnung Hyphomicrobiales der Proteobacteria gestellt wird. Chelativorans composti wurde früher als Thermovum composti beschrieben, aber auf der Grundlage der 16S rRNA-Gensequenz und chemotaxonomischen Merkmalen in die Gattung Chelativorans gestellt.

Bei einigen Stämmen wurden DNA-Sequenzierungen durchgeführt. So sind vollständige Genomsequenzen z. B. für die Typstämme von Chelativorans multitrophicus DSM 9103T, C. oligotrophicus LPM-4T und den vorgeschlagenen Typstamm von C. xinjiangense IM93T verfügbar (Stand 2021).[1]

Der Stamm der Erstbeschreibung von C. oligotrophicus wurde 2022 aufgrund von genetischen Untersuchungen zu der Art Chelativorans multitrophicus gestellt.[2]

Es folgt eine Liste einiger Arten:[3]

Die Arten Chelativorans alearense Meng et al. 2021 und Chelativorans xinjiangense Meng et al. 2021 sind noch nicht gänzlich anerkannt (Stand 16. Oktober 2023).

Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chelativorans-Arten kommen häufig in Biotopen vor, die reich an organischen Nährstoffen sind, wie z. B. im Bereich von Pflanzenwurzeln (Rhizosphäre), reifer Kompost und Klärschlamm. Untersuchungen des Genoms weisen darauf hin, dass sie Stoffe wie Bacteriocine, Terpene und Ectoine produzieren können. Solche Stoffe sind für das Pflanzenwachstum von Vorteil.[4] Arten von Chelativorans scheinen auch für die Kultivierung von Pilzen wie Champignons von Bedeutung zu sein.[4][5]

Die 2015 beschriebene Art Chelativorans intermedius wurde aus einer heißen Quelle auf der Vulkaninsel Green Island isoliert. Die Wassertemperatur lag bei 55 °C. Ein zweiter Stamm der Art, A1392, wurde aus der heißen Quelle Guhai im Kreis Jimsar in der chinesischen Provinz Xinjiang isoliert. Auch die Erstbeschreibung von Chelativorans xinjiangense stammt aus Xinjiang. Das Bakterium wurde aus der Rhizosphere der Pflanze Alhagi sparsifolia, eine Art der Hülsenfrüchtler (Fabaceae), isoliert. Der zuerst beschriebene Stamm von Chelativorans oligotrophicus stammt aus Klärschlammproben von Pushchino, Russland. Chelatovorans multitrophicus wurde aus Bodenproben und Klärschlamm isoliert. Ein Stamm von Chelatovorans wurde aus ölverschmutzten Wüstenböden in Kuwait isoliert. Das Bakterium ist in der Lage, Rohöl als Wachstumssubstanz zu nutzen.[6][7] Auch Chelativorans petroleitrophicus ist ein Paraffinöl abbauendes Bakterium.[8]

Mögliche Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chelativorans multitrophicus und Chelativorans oligotrophicus könnten dazu eingesetzt werden, Chelatverbindungen von Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) abzubauen. EDTA zählt zu Aminopolycarbonsäuren, die stabile, wasserlösliche chemische Komplexe mit verschiedenen Metallionen bilden können. EDTA wird industriell vielfältig genutzt. Der Stoff ist schwierig abzubauen und in Verbindung mit toxischen Metallen und Schwermetallverbindungen kann EDTA auch toxisch wirken.[9] Ähnliche Möglichkeiten ergeben sich mit dem Bakterium Chelatococcus asaccharovorans (zur gleichen Ordnung wie Chelativorans zählend) und einigen anderen Arten.[10]

Die Art Chelativorans petroleitrophicus kann Paraffinöl abbauen. Chelativorans petroleitrophicus scheint eine Rolle beim natürlichen Abbau von Öl-haltigen Schadstoffen zu spielen und könnte für die Bioremediation von ölverschmutzten Umgebungen eingesetzt werden.[8]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Kämpfer, P. and Glaeser, S.P. (2023): Chelativorans. In: Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria (eds M.E. Trujillo, S. Dedysh, P. DeVos, B. Hedlund, P. Kämpfer, F.A. Rainey and W.B. Whitman). John Wiley & Sons, Inc., in association with Bergey's Manual Trust, doi:10.1002/9781118960608.gbm01709
  2. Camila Gazolla Volpiano, Fernando Hayashi Sant’Anna, Adriana Ambrosini, Jackson Freitas Brilhante de São José, Anelise Beneduzi, William B. Whitman, Emanuel Maltempi de Souza, Bruno Brito Lisboa, Luciano Kayser Vargas, Luciane Maria Pereira Passaglia: Genomic Metrics Applied to Rhizobiales (Hyphomicrobiales): Species Reclassification, Identification of Unauthentic Genomes and False Type Strains. In: Frontiers in Microbiology. Band 12, 25. März 2021, ISSN 1664-302X, doi:10.3389/fmicb.2021.614957, PMID 33841347, PMC 8026895 (freier Volltext) – (frontiersin.org [abgerufen am 15. November 2023]).
  3. Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Classification of domains and phyla – Hierarchical classification of prokaryotes (bacteria). In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 16. Oktober 2023.
  4. a b Chenyu Sun, Yebin Wei, Juanni Kou, Zhizhen Han et al.: Improve spent mushroom substrate decomposition, bacterial community and mature compost quality by adding cellulase during composting. In: Journal of Cleaner Production, Band 299, 25. Mai 2021, 126928, doi:10.1016/j.jclepro.2021.126928
  5. Fabricio Rocha Vieira und John Andrew Pecchia: Bacterial Community Patterns in the Agaricus bisporus Cultivation System, from Compost Raw Materials to Mushroom Caps. In: Microbial Ecology (2022) Band 84: S. 20–32 doi:10.1007/s00248-021-01833-5
  6. Muthukrishnan, T., Abed, R.M.M. (2019): Microbial Communities in Hydrocarbon-Contaminated Desert Soils. In: McGenity, T. (eds): Microbial Communities Utilizing Hydrocarbons and Lipids, Springer, Cham. S. 157–177. doi:10.1007/978-3-030-14785-3_11
  7. Al-Mailem, D.M., Kansour, M.K. & Radwan, S.S.: Moderately thermophilic, hydrocarbonoclastic bacterial communities in Kuwaiti desert soil: enhanced activity via Ca2+ and dipicolinic acid amendment. In: Extremophiles 19, 573–583 (2015). doi:10.1007/s00792-015-0739-0
  8. a b Jinyang Yu, Hanjun Liu, Yonggang Deng, Petri Penttinen, Zuyu Wang, Yihao Liu, Yan Wang, Entao Wang, Yu Sun, Keming Chen, Hui Li, Liyun Chen, Xiumei Yu, Ke Zhao, Yunfu Gu, Min Huang, Lingzi Zhang, Quanju Xiang1, Menggen Ma und Qiang Chen: Chelativorans petroleitrophicus sp. nov., a paraffin oil-degrading bacterium isolated from a mixture of oil-based drill cuttings and paddy soil. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiolog, Band 73, Ausgabe 3, 31. März 2023
  9. Nina V. Doronina, Elena N. Kaparullina, Yuri A. Trotsenko, Bernd Nörtemann, Margarete Bucheli-Witschel, Hans-Ueli Weilenmann und Thomas Egli: Chelativorans multitrophicus gen. nov., sp. nov. and Chelativorans oligotrophicus sp. nov., aerobic EDTA-degrading bacteria In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology (2010), Band 60, S. 1044–1051 doi:10.1099/ijs.0.003152-0
  10. Jung-Hoon Yoon, So-Jung Kang, Wan-Taek Im, Sung-Taik Lee und Tae-Kwang Oh: Chelatococcus daeguensis sp. nov., isolated from wastewater of a textile dye works, and emended description of the genus Chelatococcus. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology 2008, Band 58, S. 2224–2228. doi:10.1099/ijs.0.65291-0

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • P. Kämpfer, S. P. Glaeser: Chelativorans. In: M. E. Trujillo, S. Dedysh, P. DeVos, B. Hedlund, P. Kämpfer, F.A. Rainey and W.B. Whitman (Hrsg.): Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria John Wiley & Sons, Inc., in association with Bergey’s Manual Trust, 2023 doi:10.1002/9781118960608.gbm01709.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikispecies: Chelativorans – Artenverzeichnis