Die Gartenlaube

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Titelblatt des ersten Heftes der Gartenlaube, 1853
Immer wieder berichtete Die Gartenlaube auch über die deutsche Frauenbewegung. „Die Führerinnen der Frauenbewegung in Deutschland“, 1894

Die Zeitschrift Die Gartenlaube – Illustrirtes Familienblatt[1] war ein Vorläufer moderner Illustrierten und das erste große erfolgreiche deutsche Massenblatt. Sie erschien ab 1853 in Leipzig im Verlag Ernst Keil. Der erste Herausgeber war bis 1862 Ferdinand Stolle, da Keil wegen eines Pressevergehens seine bürgerlichen Ehrenrechte verloren hatte. Ab 1862 gab Keil die Zeitschrift selbst heraus. Nach seinem Tod 1878 folgten Ernst Ziel und später Adolf Kröner als Herausgeber.

1861 erschien Die Gartenlaube als erste deutsche Zeitschrift überhaupt in einer Auflagenhöhe von 100.000 Exemplaren. Unter Ernst Keil erreichte sie 1876 eine Auflagenhöhe von 382.000 Exemplaren. Da die Zeitschrift als gemeinsame Familienlektüre diente und auch in zahlreichen Leihbibliotheken und Cafés auslag, beläuft sich die Schätzung der eigentlichen Leserschaft zu ihren Hochzeiten auf zwei bis fünf Millionen.

Die Gartenlaube ist eine ebenso umfassende wie für viele historische Untersuchungsfelder unverzichtbare Quelle zur deutschen Kulturgeschichte, auch bezüglich der in der Illustrierten veröffentlichten Fortsetzungsromane.

Phasen der Gartenlaube

Friedrich Rückert liest Die Gartenlaube (1866)

Die Gartenlaube machte in ihren ersten 50 Jahren drei Phasen durch:

  • Die frühen Jahrgänge bis zur Reichsgründung 1871 schlossen an die Tradition der moralischen Wochenschriften an: Unterhaltung und Belehrung waren die beiden Fixpunkte, zwischen denen ein breites Interessenspektrum vermittelt wurde. In den Jahren der Reaktion profilierte sie sich im genannten Sinne und trat seit Beginn der 1860er Jahre, durch die radikal-liberale Position des Verlegers Ernst Keil, offen und engagiert für die Gründung eines nationalen Einheitsstaates ein. Die Festigung des bürgerlichen Wertkodex erfolgte durch seine Kontrastierung mit dem Verfall aristokratischer Normen. Bekannt war Die Gartenlaube in dieser Zeit für ihre neutrale bis positive Darstellung von Juden, bei der gelegentlich jüdisches Familienleben als nachahmenswertes Beispiel erwähnt wurde.[2]
  • In den Jahren nach der Reichsgründung zeigte sich Die Gartenlaube zunehmend als Verfechterin der preußischen Politik. Ihre engagierte und äußerst polemische Beteiligung am Kulturkampf (der durch das von Papst Pius IX. verkündete Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit von 1870 ausgelöst wurde) diente der Verteidigung des liberalen Weltbildes im Allgemeinen und unterstützte die Argumente der Nationalliberalen Partei im Besonderen.
  • Die Jahrgänge seit etwa 1880 glichen nur noch in Format und Titel denen der beiden früheren Phasen, denn Umfang und Inhalt hatten sich inzwischen grundlegend geändert. Nach Keils Tod 1878 entwickelte sich Die Gartenlaube unter der Leitung des neuen Verlagsbesitzers und Redakteurs Adolf Kröner zunehmend zu einem konservativen Unterhaltungsblatt. Politische oder religiöse Themen waren nach dieser Neupositionierung tabu. Von einer populären Enzyklopädie wandelte sich die Zeitschrift zur Jahrhundertwende in ein unterhaltendes Blatt. Parallel zu diesem inhaltlichen Wandel hatte sich formal im gleichen Zeitraum die Entwicklung von einer Zeitschrift mit einzelnen Illustrationen zur Illustrierten mit zusätzlichem Textteil vollzogen.

1904 wurde der Titel dem Zeitungsverlag des rechtsnationalen August Scherl eingegliedert und kam schließlich 1916 zum Medienimperium von Alfred Hugenberg, einem der Wegbereiter Adolf Hitlers. Nach der Übernahme durch Scherl wurde das gesamte Redaktionsarchiv vernichtet.[3] Der größte Teil seines Pressekonzerns wurde später von NS-Verlagen übernommen, wo das Blatt (seit 1938 mit verändertem Titel Die neue Gartenlaube) bis 1944 weitergeführt wurde. Nach dem Krieg übernahm der Kelter-Verlag die Rechte an der Zeitschrift und brachte unter dem Titel Gartenlaube zwischen 1974 und 1978 weitere 178 Ausgaben heraus. Der letzte Versuch, die Zeitschrift nochmals zu etablieren, startete 1982 der zum Kelter-Verlag gehörende DLV: Die Neue Gartenlaube wurde aber bereits 1984 wieder eingestellt.

Bekannte Autoren

Literatur

  • Margit Baumgärtner: Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Spiegel der illustrierten Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ 1853 - 1944, Dissertation Uni München, Institut für Geschichte der Medizin 2004.
  • Kirsten Belgum: Popularizing the nation. Audience, representation, and the production of identity in „Die Gartenlaube“ 1853–1900. University of Nebraska Press, Lincoln, NE 1998, ISBN 0-8032-1283-6.
  • Alfred Estermann: Inhaltsanalytische Bibliographien deutscher Kulturzeitschriften des 19. Jahrhunderts. Band 3. Die Gartenlaube (1853–1880 [–1944]). Saur, München 1995
  • Heidemarie Gruppe: „Volk“ zwischen Politik und Idylle in der „Gartenlaube“ 1853–1914. Lang, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-261-01939-5 (= Europäische Hochschulschriften Reihe 19, Band 11)
  • Fayçal Hamouda (Hrsg.): Der Verleger Ernst Keil und seine Gartenlaube. Edition Marlitt, Leipzig 2005, ISBN 3-938824-03-4.
  • Undine Janeck: Zwischen Gartenlaube und Karl May. Deutsche Amerikarezeption in den Jahren 1871–1913. Shaker, Aachen 2003, ISBN 3-8322-1494-1.
  • Heinz Klüter (Hrsg.): Facsimile-Querschnitt durch die Gartenlaube. Scherz, Bern 1963
  • Marcus Koch: Nationale Identität im Prozess nationalstaatlicher Orientierung, dargestellt am Beispiel Deutschlands durch die Analyse der Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ von 1853–1890. Lang, Frankfurt 2003, ISBN 3-631-51423-9 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 22, Band 389)
  • Matthias Leupold: Künstlerische Bildfolge zum Ideologiegehalt des vielgelesenen Blattes „Leupolds Gartenlaube – Liebhaberaufnahmen in Erinnerung an ein deutsches Familienblatt 1994“. In: Die Vergangenheit hat erst begonnen. Schaden, Köln 2003, ISBN 3-932187-28-8
  • Hanna Meuter: Das Familienblatt, in Frauengenerationen in Bildern. Hrsg. Emmy Wolff. Herbig, Berlin 1928, S. 89–96[8]
  • Heide Radeck: Zur Geschichte von Roman und Erzählung in der „Gartenlaube“ 1853 bis 1914. Heroismus und Idylle als Instrument nationaler Ideologie. Universität Erlangen, Erlangen 1967, DNB 482199547 (Dissertation).
  • Anne-Susanne Rischke: Die Lyrik in der „Gartenlaube“ 1853–1903. Untersuchungen zu Thematik, Form und Funktion. Lang, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-8204-6258-9 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Band 516)
  • Hazel Rosenstrauch: Zum Beispiel „Die Gartenlaube“ In: Annamarie Rucktäschel, Hans-Dieter Zimmermann (Hrsg.): Trivialliteratur. Fink, München 1976, S. 169–189, ISBN 3-7705-1392-4 (= Uni-Taschenbücher, Band 637, Bibliothek des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.).
  • Sächsische Keilschrift. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1963, S. 67 (online).
  • Hermann Zang: Die „Gartenlaube“ als politisches Organ. Belletristik, Bilderwerk und literarische Kritik im Dienste der liberalen Politik 1860–1880. Roßteuscher, Coburg 1935.

Weblinks

Wikisource: Die Gartenlaube – Quellen und Volltexte
Commons: Die Gartenlaube – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Liste der Autoren – Quellen und Volltexte
Wikisource: Liste der Illustratoren – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Untertitel ab 1890 in modernisierter Schreibweise Illustriertes Familienblatt Titelblatt 1/1890.
  2. Hugh McLoad: Secularisation in Western Europe, 1848–1914, European Studies Series, New York 2000, ISBN 0-312-23511-9, S. 102.
  3. Urszula Bonter: Der Populärroman in der Nachfolge von E. Marlitt. Königshausen und Neumann, Würzburg 2005 Seite 83
  4. Vergleiche die Angaben der Deutschen Nationalbibliothek.
  5. Scan einer Seite in Die Gartenlaube von 1882, S. 269
  6. Zum hundertjährigen Geburtstage Friedrich Fröbel’s - Eine Skizze von Wichard Lange, Text aus der Gartenlaube von 1882
  7. Seite 682 der Gartenlaube in Text und Scan.
  8. Meuter gibt ein interessantes Programm des E. Keil, nach seiner reaktionären Wende, zum Inhalt der künftigen "Gartenlaube" wieder, S. 90. Die Zeitschrift bildet den Schwerpunkt von Meuters Ausführungen.