Die sechs Schwäne

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Datei:The Swan Princes - Anne Anderson.jpg
Illustration von Anne Anderson (1922)
Illustration zu „Die sechs Schwäne“ von Heinrich Vogeler
Die sechs Schwäne und ihre Schwester von Albrecht Glenz, Bronzeplastik im Schlossgarten Hanau

Die sechs Schwäne ist ein Märchen (ATU 451). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 49 (KHM 49).

Inhalt

Ein König, der sich bei der Jagd im Wald verirrt hat, lässt sich von einer Hexe den Weg heraus zeigen und muss dafür deren Tochter heiraten. Um seine sechs Söhne und seine Tochter vor der Schwiegermutter zu schützen, bringt er sie in ein Schloss im Wald, zu dem er den Weg mit einem Zaubergarn findet. Als die Königin das herausfindet, näht sie daraus Zauberhemden und verwandelt damit die Brüder in Schwäne. Die Schwester wandert nachts durch den Wald und trifft in einer Räuberhütte ihre Brüder, die täglich für eine Viertelstunde ihre Schwanenhaut ablegen können. Um sie zu erlösen, darf sie sechs Jahre nicht sprechen, nicht lachen und muss sechs Hemden aus Sternblumen nähen. Ein jagender König findet und heiratet sie, aber seine Mutter verleumdet die Schweigende, indem sie ihr dreimal das neugeborene Kind raubt und ihr den Mund mit Blut bestreicht. Als sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden soll, kommen die sechs Schwäne geflogen. Sie erlöst sie mit den Hemden, wobei einem noch der Ärmel fehlt. Die Schwiegermutter wird verbrannt, und sie leben glücklich.

Erläuterungen

Das Märchen steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 1. Auflage von 1812 als Nr. 49. Es ähnelt sehr Die zwölf Brüder (Nr. 9) und Die sieben Raben (Nr. 25). In ersterem kommen im Zusammenhang mit den Brüdern weiße Lilien vor, die vielleicht hier mit den Sternblumen gemeint sind. Laut Grimms Anmerkungen stammt es aus Hessen. Den Unterschied zu den schwarzen Raben erklären sie durch die völlige Unschuld der Kinder in dieser Fassung. Sie geben noch eine andere Erzählung aus Deutschböhmen wieder:

Die Schwester mit dem goldenen Kreuz auf der Stirn kommt zu einem Schloss, das sie erst leer findet, nur mit Essen auf dem Herd. Sie kocht und probiert etwas. Dann kommen die Raben, merken, dass es etwas weniger, doch wie von Menschenhand gekocht ist. Nachdem sie sie erst verwünschen, dann herbeisehnen, zeigt sie sich. Sie muss sieben Jahre schweigsam die Kleider nähen, auf einem hohen Baum im Wald, damit sie ihr nichts tun. Ein Fürst mit seinen Jägern und Hunden findet und heiratet sie. Sie bekommt drei Kinder, als er jeweils grade im Krieg ist, die lässt seine Mutter vom Diener im Wald morden und schreibt ihm, das Kind sei ein Hund gewesen. Aber der Diener lässt sie bei einer Löwin, die sie aufzieht, und bringt zum Schein eine Hundezunge als Wahrzeichen. Als sie verbrannt werden soll, kommen die erlösten Brüder durch den Wald, wo sie auch die Kinder finden. Die Anmerkungen zählen weitere Fassungen auf und bemerken, dass alle ein hohes Alter zeigen.

Die älteste literarisch fixierte Fassung des Schwanenkindermärchens ist die von Johannes de Alta Silva im Dolopathos um 1300. Man rechnet Die sechs Schwäne zu Subtyp 1 von Erzähltyp AaTh 451. Die zwölf Brüder gehört zu Subtyp 2, Die sieben Raben zu Subtyp 3. Hans Christian Andersen schrieb nach den zwei ersteren sein Kunstmärchen Die wilden Schwäne (dabei die Insel im Wasser vielleicht nach Das singende springende Löweneckerchen). Sehr ähnlich ist schon in Basiles Pentameron IV,8 Die sieben Täublein, einschließlich des Details der „Blumen gleich Sternen“.

Vgl. auch Marienkind (KHM 3), Das Mädchen ohne Hände (KHM 31), Allerleirauh (KHM 65), Dat Erdmänneken (KHM 91), De drei Vügelkens (KHM 96), Prinz Schwan (KHM 59a), Die drei Schwestern (KHM 82a). Das Motiv vom armen Mädchen, das in einer Räuberhöhle freundlich Zuflucht findet, kommt u.a. auch bei Schneewittchen vor. Lutz Röhrich vergleicht zum Motiv der Tötung und Wiederbelebung mit kleinem Verlust (eines Knochens) die griechische Mythe von Pelops, weiter eine alpine Sage von der Haselhexe[1] (vgl. auch KHM 25, 47, 126, 129). Vgl. Die sieben Schwanen und Die Knaben mit den goldnen Sternlein in Ludwig Bechsteins Deutsches Märchenbuch. Udea und ihre sieben Brüder (aus Hans von Stumme: Märchen und Gedichte aus der Stadt Tripolis) ist ebenfalls Märchentyp 451.

Interpretation

Nach Wilhelm Salber geht es um Metamorphosen zwischen Zuviel und Zuwenig, mit Chancen für Neues, aber auch Verirrungen. Das Märchen charakterisiere Verrückungen und Risse unserer Werke in Umbruchszeiten mit ungewissem Ausgang. Solche Menschen seien oft zwischen 30 und 40 Jahre alt und wirkten in Behandlung lange Zeit schwer fassbar. [2]

Moderne Rezeptionen

Daughter of the Forest, der erste Teil von Juliet Marilliers Sevenwaters Trilogie, ist eine Nacherzählung des Märchens in keltischer Umgebung. Black Feather von K. Tempest Bradford (in Interfictions anthology, 2007) weist Gemeinsamkeiten mit Die sechs Schwäne, Die sieben Raben und Die zwölf Brüder auf, bei neuer Handlung der Schwester. Rafe Martins Birdwing, ein Roman, dreht sich um einen jüngsten Bruder, der mit einem einzelnen Flügel bleibt.

Fernsehen

  • Die wilden Schwäne (japanisch: "Hakuchō no Ōji" oder "Sekai Meisaku Dōwa"), japanischer Zeichentrickfilm 1977, Regie: Nobutaka Nishizawa, Produktion: Produktion Toei Doga
  • Gurimu Meisaku Gekijō, japanische Zeichentrickserie 1987, Folge 34: Die sechs Schwäne
  • The storyteller, englisch-amerikanische Fernsehserie 1988, Staffel 1, Folge 6: The three ravens.
  • SimsalaGrimm, deutsche Zeichentrickserie 1999, Staffel 2, Folge 10: Die sechs Schwäne
  • Die sechs Schwäne, deutscher Fernsehfilm von 2012

Literatur

Brüder Grimm

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 275–281. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 93–97, S. 463. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)

Variante

  • Die kämpfenden Brüder. In: Löwis of Menar, August (Hrsg.): Finnische und estnische Märchen. Düsseldorf-Köln 1962. S. 279–282.

Sekundärliteratur

  • Kawan, Christine Shojaei: Mädchen sucht seine Brüder. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 8. S. 1354–1366. Berlin, New York, 1996.

Deutungen

  • Wittmann, Ulla: Ich Narr vergaß die Zauberdinge. Märchen als Lebenshilfe für Erwachsene. Interlaken 1985. S. 103–110. (Ansata-Verlag; ISBN 3-7157-0075-0)

Weblinks

Wikisource: Die sechs Schwäne – Quellen und Volltexte
Commons: Die sechs Schwäne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Röhrich, Lutz: Märchen – Mythos – Sage. In: Siegmund, Wolfdietrich (Hrsg.): Antiker Mythos in unseren Märchen. Kassel 1984. S. 15. (Veröffentlichungen der Europäischen Märchengesellschaft Bd. 6; ISBN 3-87680-335-7)
  2. Wilhelm Salber: Märchenanalyse (= Werkausgabe Wilhelm Salber. Band 12). 2. Auflage. Bouvier, Bonn 1999, ISBN 3-416-02899-6, S. 114-116.