Digitaler Nomade

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Laptoparbeit im Hotelbett
Digitaler Nomade in Thailand

Ein digitaler Nomade (auch Internet-Nomade, Büronomade, urban nomad) ist ein Unternehmer oder auch Arbeitnehmer, der fast ausschließlich digitale Technologien anwendet, um seine Arbeit zu verrichten und zugleich ein eher ortsunabhängiges beziehungsweise multilokales Leben führt.

Begriffsherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinem 1964 erschienenen Werk Understanding Media formulierte der kanadische Medienwissenschaftler Marshall McLuhan die These, der Mensch werde im elektronischen Zeitalter zum „nomadischen Informationssammler“.[1] In seiner Zukunftsvision Die Welt von morgen unterscheidet der französische Publizist Jacques Attali drei Klassen: die Elite der „Hypernomaden“, die „virtuellen Nomaden“ sowie die benachteiligten „Infranomaden“.[2][3] Der Begriff des digitalen Nomaden wurde schließlich von Tsugio Makimoto und David Manners geprägt.[4]

Für die Ethnologin Annegret Nippa verweist dieser als Lifestyle-Beschreibung verwendete Begriff auf ein Klischee von Freiheit, das wenig mit nomadischen Gesellschaften zu tun hat, wie es sie seit Tausenden von Jahren gibt. Eine nomadische Gesellschaft aus Händlern und Viehzüchtern hat zwar, so Nippa, gegenüber einem Staat andere Freiheiten als eine städtische Gesellschaft, zugleich aber eine große interne Kontrolle innerhalb der Gesellschaft: „das Leben der real existierenden und existiert-habenden nomadischen Gesellschaften ist immer eines in Gruppe“, und die Wanderung der Gruppe geschieht in Friedenszeiten innerhalb eines ziemlich klar abgesteckten, wenn auch sehr großen Territoriums.[5]

Arbeitsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Digitale Nomaden arbeiten typischerweise von unterwegs. Ihr Arbeitsplatz ist zumeist dort, wo Internetzugang besteht.[6] In der Regel handelt es sich um Berufszweige, die ihre Arbeit dank des Internets unabhängig von einem festen Arbeitsort ausführen können.

Die Berufe der digitalen Nomaden sind sehr vielfältig. Viele betreiben Websites oder Blogs und monetarisieren die Inhalte durch Werbung (z. B. Affiliate-Marketing) oder den Verkauf digitaler Produkte oder Dienstleistungen. Auch der Betrieb von Informationsportalen, Online-Communitys und Foren zählt in diese Kategorie. Andere arbeiten als Autoren oder Übersetzer. Eine große Zahl digitaler Nomaden ist im Online-Marketing, Affiliate-Marketing oder E-Commerce tätig. Auch technische Berufe wie Grafikdesigner, Webdesigner oder Softwareentwickler eignen sich gut hierfür. Andere verdienen ihren Lebensunterhalt durch projektbezogene Arbeit, Beratungsleistungen, Vorträge oder als Fotografen. Diese erfordern nur selten einen bestimmten Aufenthaltsort.[7]

Digitale Nomaden nutzen zwangsläufig Technologien wie Smartphones, Tablet-PCs, WiFi und webbasierte Applikationen. Sie arbeiten häufig von Cafés, Coworking Spaces, Hostels und anderen Standorten mit WiFi. Länder mit einer gut ausgebauten technischen Infrastruktur werden somit bevorzugt von „digitalen Nomaden“ bereist, damit sie weiter ihrer Beschäftigung nachgehen können.[8]

Die erste deutsche Konferenz für „digitale Nomaden“, DNX, fand 2014 im Berliner Betahaus statt. Digitale Nomaden – Deutschland zieht aus lautet der erste deutschsprachige Dokumentarfilm über das Leben von ortsunabhängig lebenden und arbeitenden Menschen.[9]

Rahmenbedingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Digitale Nomaden, die in Niedriglohnländern wohnen, profitieren von niedrigen Lebenshaltungskosten vor Ort. Eine Ausnutzung weltweit unterschiedlicher Lohnniveaus und Lebenshaltungskosten wird als Geo-Arbitrage bezeichnet.[10]

Einzelne Staaten sind auf dem Weg, digitale Staatsdienstleistungen anzubieten. Auf diese Weise können staatliche Dienstleistungen unabhängig vom physischen Aufenthaltsort genutzt werden. Ein Beispiel ist die estnische E-residency.[11]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ob und wann digitale Nomaden illegal im Aufenthaltsland arbeiten, wird sowohl von den Arbeitenden selbst als auch von staatlichen Stellen kontrovers betrachtet.

Im Regelfall halten sich digitale Nomaden nur wenige Monate am Stück im Gastland auf. Die meisten digitalen Nomaden besitzen jeweils nur ein Visum für Touristen, das in den allermeisten Ländern keine Arbeit erlaubt. Insofern ist ein häufiger Kritikpunkt, dass digitale Nomaden illegale Arbeiter sind.[12]

Jedoch lassen Länder für gewöhnlich deswegen keine Arbeit ohne Arbeitserlaubnis für Einwanderer und Touristen zu, um die einheimische Bevölkerung vor Konkurrenz bei der Arbeitsplatzsuche zu schützen. Befürworter des digitalen Arbeitsmodells sind insofern der Ansicht, dass lokale Arbeitsgesetze für digitale Nomaden nicht anwendbar sind, solange deren Kunden sich in einem anderen Land befinden.[13]

Mitarbeiter der Immigrationsämter sind in der Regel im Unklaren, wie sie digitale Nomaden behandeln sollen. In den meisten Ländern gibt es keine Gesetze, die auf Legalität und Illegalität digitaler Arbeit eingehen. Ohne konkrete Gesetze ist unklar, ob für die Beurteilung der Legalität der physische Sitz des Arbeiters, der Standort des Servers oder der des Kunden ausschlaggebend ist.[14]

Der Volkswirtschaftler Reinhard Loske kritisiert die optimistischen Erwartungen und schreibt dazu: „Der digitale Kapitalismus wird auch das Teilen und Tauschen seinen Gesetzen unterwerfen, der idealistischen und altruistischen Motive berauben und in eine riesige Kommerzveranstaltung transformieren.“[15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Marshall McLuhan: Understanding Media. Routledge Classics, Abingdon / New York 2001, ISBN 0-415-25397-7, S. 309, 391 (Erstausgabe: 1964).
  2. Tom Holert: Genius loci – New Economy, Flüchtlingspolitik und die neue Geographie der „Intelligenz“. In: Telepolis. 11. Mai 2000, archiviert vom Original am 5. März 2016; abgerufen am 20. August 2015.
  3. Jacques Attali: Die Welt von morgen: Eine kleine Geschichte der Zukunft. Parthas, 2008, ISBN 3-86601-027-3.
  4. Nomads at last. In: The Economist. 10. April 2008, abgerufen am 20. August 2015.
  5. Anja Schrum, Ernst-Ludwig von Aster: Moderne Nomaden: Die Illusion von der selbstbestimmten Arbeit. In: deutschlandfunkkultur.de. 24. Mai 2022, abgerufen am 27. Mai 2022.
  6. Sie heißen „Digitale Nomaden“ und arbeiten wann und wo sie wollen. Archiviert vom Original am 30. Juni 2013; abgerufen am 2. August 2012.
  7. So verdienen digitale Nomaden ihr Geld beim Reisen. Abgerufen am 17. September 2013.
  8. Einen Monat digitaler Nomade. (Memento vom 9. Januar 2014 im Internet Archive) diginomade.de
  9. Digitale Nomaden – Deutschland zieht aus. Abgerufen am 19. April 2015 (Dokumentarfilm).
  10. Luca Bognanni: Arbeiten aus Urlaubsländern: Neoliberale Hippies. In: taz.de. 12. Januar 2023, abgerufen am 19. Januar 2023.
  11. e-Residency – New Digital Nation. Abgerufen am 29. August 2017 (amerikanisches Englisch).
  12. Can Digital Nomads legally work in Thailand? - Chiang Mai Locator, Wiki. Abgerufen am 29. August 2017 (englisch).
  13. THE LEGALITY OF BEING A DIGITAL NOMAD | Chiang Mai Buddy. In: Chiang Mai Buddy. (chiangmaibuddy.com [abgerufen am 29. August 2017]).
  14. Live Updates: Immigration Crackdown in Chaing Mai, Thailand. Abgerufen am 29. August 2017.
  15. Digitalisierung/Arbeit 4.0, Seite 138