Eisenbahnrad

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Treibradsatz einer Dampflok. An den Außenseiten befinden sich die Kurbelzapfen für die Außenzylinder. Die Achswelle ist als Kurbelwelle für den dritten Zylinder „ausgekröpft“ (in der Fachsprache daher eine „Kropfachse“). Auffallend sind auch die großen Gegengewichts-Segmente gegenüber den Kurbelzapfen.

Eisenbahnräder sind die Räder der Eisenbahnen und Teil des Radsatzes und haben verschiedene Bauformen. Sie waren ursprünglich Speichenräder, später auch Vollräder, Radkörper mit Radreifen sowie auch Pneureifen. Nach der Funktion wird auch zwischen angetriebenen Treibrädern und nur tragenden Laufrädern unterschieden.

Die Entwicklung des Rad-Schiene-Systems hat daher dazu geführt, die Laufflächen der Räder konisch zu profilieren. Dies bewirkt den selbstzentrierenden Sinuslauf im Gleis, gesichert durch den Spurkranz.

Speichenräder

Erste Eisenbahnräder waren durch die Kutschenbau-Tradition beeinflusst oft als hölzerne Speichenräder ausgeführt. Von der 1830 gebauten amerikanischen Lokomotive John Bull ist folgende Ursprungsausführung der Treibräder bekannt: die Radnaben bestanden aus Gusseisen, die Speichen und Felgen aus hartem Robinienholz, die dreiviertel Zoll dicken Radreifen wiederum aus Schmiedeeisen.

Die großen Treibräder moderner Dampflokomotiven wurden später zwar durchgehend aus Stahl gefertigt, jedoch zur Gewichtsersparnis weiterhin als Speichenräder ausgeführt. Die ersten Vollbahn-Elektrolokomotiven hatten ebenfalls Speichenräder. Bei den ersten Einzelachsantrieben mit leistungsstarken Motoren waren die Speichenräder auch eine funktionelle Notwendigkeit. Hier führten Ausleger vom Motorgetriebe auf der Achse durch die Speichen hindurch auf die Außenseite der Räder, wo sie über Federelemente (stählerne Topffedern/„Federtopfantrieb“ oder Gummisegmente/„Gummisegmentfederantrieb“) mit dem Radkörper verbunden waren.

Farbanstrich

Die Räder können einen Farbanstrich besitzen, der aber die Laufflächen und die beiden Seiten des Radreifens (dort, wo bei Güterwagen die Gleisbremsen wirken) auslässt. Neben dem Korrosionsschutz hat der Farbanstrich auch die Funktionen eine thermische Überbeanspruchung anzuzeigen und Risse besser erkenntlich zu machen.

Bei einer thermischen Überbeanspruchung durch einen Heißläufer oder eine dauernd angelegte Bremse verbrennt die Farbe unter deutlicher Rauchentwicklung. Im abgekühlten Zustand zeigen sich danach sichtbare Abblätterungen der Farbe.

Eine geeignete Farbgebung des Rades kann helfen Schäden durch Risse rechtzeitig zu erkennen. Bei Speichenrädern deutscher Dampflokomotiven wurde eine rote Farbe gewählt, in der Haarrisse in den Speichen gut erkennbar waren, da die dunklen Fettrückstände, welche sich in den Rissen sammelten sich deutlich vom hellen Rot absetzten. Eine noch hellere Farbe wäre ungeeignet gewesen um einen glänzenden frischen Bruch zu erkennen.

Bei aufgezogenen Radreifen werden mit vier Strichen Markierungen angebracht, die anzeigen, ob sich ein Radreifen verdreht hat. Bei der Rhätischen Bahn hingegen erfüllt der schwarz-weiße Anstrich die Aufgabe, blockierende Räder zu erkennen. Bei dieser Bahn besteht auf Grund der Vakuumbremse im Zusammenhang mit den Höhenunterschieden der befahrenen Strecken sowie im Winter bei Schnee und Eis, eine besonders große Gefahr, dass die Räder durch die Bremse blockiert werden.

Bei amerikanischen Bahnen sind heute Farbanstriche an Radscheiben generell verboten.

Boxpok-Räder

Baureihe DR 01.5 mit Boxpok-Rädern

Eine Alternative zum klassischen Speichenrad ist die von der US-amerikanischen General Steel Castings Corporation (Granite, Illinois) patentierte „Boxpok“-Bauweise (=englisch: „boxed spoke“), bei der die volle Radscheibe mehrere ovale (eiförmige) Aussparungen hat, die einerseits das Gewicht mindern, aber höhere Belastungen als „echte“ Speichenräder zulassen. Zudem ermöglicht die Boxpok-Bauweise an Dampflokomotiven durch unterschiedlich bemessene und verteilte Aussparungen einen besseren Unwucht-Ausgleich der Kolbendampfmaschine als die standardmäßig aufgebrachten Gegengewichts-Blöcke.

Boxpok-Räder der Lokomotive SNCF 141 R 1199

Varianten zum Boxpok-Rad waren das in Großbritannien von Oliver Bulleid und Firth Brown entwickelte Bulleid Firth Brown-Rad (BFB-Rad), das Baldwin-Scheibenrad der Baldwin Locomotive Works (Eddystone, Pennsylvania) und das durch die vom Art Déco-Industriedesigner Henry Dreyfuss gestalteten Hudson-Stromlinienlokomotiven der New York Central-Baureihe J-3a bekannte Scullin-Doppelscheibenrad der amerikanischen Scullin Steel Co. (St. Louis, Missouri).

In Europa fanden Boxpok-Räder besonders nach dem Zweiten Weltkrieg mit der SŽD-Baureihe П36 (P36) in der Sowjetunion und den als Wiederaufbauhilfe in großer Anzahl aus den USA und Kanada nach Frankreich gelieferten Mikado-Universallokomotiven der SNCF-Baureihe 141 R noch eine gewisse Verbreitung. Als einzige deutsche Dampflokomotiven waren acht Maschinen von der Reichsbahn Reko-Schnellzuglok Baureihe 01.5 zeitweise mit Boxpok-Rädern versehen,[1] die sich jedoch aufgrund von Konstruktionsfehlern nicht bewährten.

Radreifen

Radreifen – Logo von Krupp

Räder mit Radreifen bestehen aus einem Radkörper und einem diesen umschließenden Radreifen. Diese Komponenten bestehen je aus einer anderen, für ihren Zweck besser geeigneten Stahlmischung, die vor der Montage noch getrennt bearbeitet werden können (z. B. Schmieden der Radreifen). Dieses Konstruktionsprinzip bot und hat auch heute noch teilweise Vorteile gegenüber

  • einem homogenen Graugusskörper (bruchanfällig am Umfang),
  • einem homogenen Stahlgusskörper (im 19. Jahrhundert noch nicht wirtschaftlich herzustellen) oder
  • einem homogenen Drehkörper (im 19. Jahrhundert noch nicht wirtschaftlich herzustellen) oder
  • einem homogenen Schmiedekörper (im 19. Jahrhundert noch nicht wirtschaftlich herzustellen)

1852/1853 erfand Alfred Krupp in Essen den nahtlosen Radreifen: Ein geschmiedetes längliches Stück Stahl wurde mittig gespalten, ringförmig auseinandergetrieben, gereckt und gewalzt. Krupp verkaufte für Jahrzehnte seine Radreifen an die meisten nordamerikanischen Eisenbahnen und begründete damit den Erfolg des späteren Kruppschen Industrieimperiums. Die drei Ringe des Kruppschen Firmensymbols erinnern daran. Zur selben Zeit gelang es Jacob Mayer in Bochum, Radreifen direkt als Stahlformguss herzustellen.[2] Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts konkurrierten beide Verfahren, letztendlich sind Krupps aus dem Block geformte Radreifen jedoch wirtschaftlicher herzustellen und haben aufgrund der stärkeren Umformung des Stahls die besseren Materialeigenschaften. Bevor Krupp und Mayer die einteiligen Radreifen erfanden, wurden Stäbe rundgebogen und geschweißt – was bei den erforderlichen harten Stahlsorten zu häufigen Brüchen an der Schweißstelle führte – oder aus dünnerem Stabmaterial spiralartig gewickelt und dann geschmiedet.[3]

Ein Vorteil von Radreifen ist, dass bei verschlissenen Rädern nicht die gesamte Radscheibe ausgetauscht werden muss. Es ist also nicht zwingend notwendig, die Pressverbindung zwischen Radscheibe und Achse zu lösen. Da der Radreifen im Durchschnitt über 600.000 Kilometer auf den harten Schienen aus Stahl rollt, muss er selbst aus besonders widerstandsfähigem Stahl und extrem fest am Radkörper befestigt sein. Zwischen Radreifen und Radscheibe kann aber auch eine Federung aus Gummi angebracht sein. Das erhöht den Fahrkomfort und hat sich bei Straßen- und U-Bahnen bewährt. Das ICE-Unglück von Eschede zeigte jedoch die Grenzen dieses Systems im Hochgeschwindigkeitsverkehr.

Montage und Demontage

Die Verbindung von stählernen Radreifen mit dem Radkörper geschieht meist durch Aufschrumpfen. Dazu werden die Radreifen mit einem geringfügig kleineren Durchmesser als für den Betriebszustand erforderlich angefertigt. Sie werden dann soweit erhitzt, dass ihr Innendurchmesser etwas größer ist als der äußere Durchmesser des Radkörpers. In diesem Zustand werden sie auf den Radkörper aufgesteckt, sie ziehen sich beim Abkühlen wieder zusammen und umschließen den Radkörper mit einer kraftschlüssigen Verbindung. An der von der Radwelle abgewandten Seite haben Radreifen am inneren Umfang einen Bund, der das Abrutschen zur Radwelle hin verhindert. Auf der Innenseite ist eine Nut eingedreht, in die ein stählerner Sprengring eingesetzt und verwalzt wird. Dies dient als Sicherung, falls ein abgefahrener Radreifen im Betrieb heißgebremst wird und sich dadurch der Schrumpfverband lockert. Darüber hinaus gibt es auch Ausführungen, die ohne zusätzliche Sicherungsringnut ausgeführt sind. Diese Radreifen besitzen auf der Innenseite ebenfalls einen Anschlagbund, der das seitliche Auswandern des Radreifens verhindert. Der Anschlagbund der Innenseite ist jedoch deutlich kleiner ausgeführt als auf der Außenseite, da dieser durch Erwärmen über den Radkörper gezogen werden muss.

Zur Demontage wird ein abgefahrener Radreifen durch Aufbrennen, Auffräsen oder Aufsägen vom Radkörper getrennt und entsorgt. Der Radkörper wird nach einer Prüfung in der Regel weiter verwendet.

Belastung von Radreifen

Radreifen sind durch ihren Schrumpfsitz ständig auf Zug belastet. Auf den Laufflächen von Radreifen, auf die Klotzbremsen einwirken, treten außer dem Abrieb auch kleine Querrisse auf. Durch die Abrollbewegung verschiebt sich bei hohen Aufstandskräften von zehn Tonnen pro Rad das Material langsam nach außen und führt zu einer Überwalzung am Außenrand. Diese Walzarbeit auf der Lauffläche entspannt aber auch die durch das Bremsen rissbelasteten Flächen, so dass von den kleinen Querrissen keine Bruchgefahr ausgeht. Das ist anders, wenn ein Bremsklotz auf den äußeren Radreifenrändern schleift und Wärme in die Außenkante bringt: Dieser Bereich wird durch die Walzarbeit nicht entspannt, was zu Spannungsrissen von der Außenseite führt. Radreifen werden mit Ultraschall auf diese Rissbildung untersucht. Eine weitere Gefährdung tritt durch die Kerbwirkung von Stempelungen auf.

Eisenbahnräder werden mit Radlasten bis über 11 t vornehmlich im zentralen Fahrflächenbereich belastet. Dort müssen neben den Gewichtskräften vor allem die Antriebs- und Bremskräfte übertragen werden. Die Spurkränze werden in mittelgroßen und engen Bögen an ihren Flanken durch Seitenverschleiß dünner. Die Spurkranzkuppen werden in der Regel nicht befahren.

Bei Straßenbahnen liegen die Radlasten hingegen unter 6 t. Im Gegensatz zu Eisenbahnrädern werden hier in erster Linie der Spurkranz an seiner Stirnflanke und auch an seiner Kuppe durch Verschleiß und plastische Deformation beansprucht. Da Straßenbahnen Radien bis unter 20 m befahren können, ist vor allem der Seitenverschleiß wesentlich deutlicher ausgeprägt als bei Eisenbahnrädern. Dies äußert sich nicht zuletzt auch in wesentlich kürzeren Reprofilierungsintervallen mit Laufleistungen um 20.000 bis 80.000 km zwischen zwei Radsatzbearbeitungen.

Überwachung

Früher wurden die Räder bei stehenden Zügen von einem Wagenmeister mit einem langen leichten Hammer – auch beim Halt in Bahnhöfen – angeschlagen. Am Ton konnte er je nach Radsatz einen beginnenden Dauerbruch am Rad oder an der Achse erkennen.

Heute werden die Radreifen in den Werkstätten auf Folgen von Überhitzungen wie Haarrisse und Lockerung des Sitzes überwacht. Haarrisse können durch Ultraschalluntersuchungen und Röntgen-Feinstrukturbilder erkannt werden. Ein Radreifen, der sich gelockert hat, kann mittels einer Klangprobe von einem fest sitzenden Reifen unterschieden werden: Ist der Klang an 90 % des Umfangs glockenhell und nicht dumpf, so kann der Radreifen als fest angesehen werden. Das Rad wird mit roten Strichen zur Überprüfung des Sitzes markiert und darf wieder eingesetzt werden, sofern keine Metallspäne im Sitz ausgetreten sind und es nicht zu einer erneuten Verdrehung des Radreifens kommt.

Vollrad

Radsätze für Güterwagen mit Vollrädern

Bei einem Vollrad oder Monoblockrad sind Radscheibe und Lauffläche aus einem Stück hergestellt, was bei modernen Fahrzeugen die Regel ist. Mit einer Wärmebehandlung wird erreicht, dass die aus zähem Stahlguss hergestellte weiche Radscheibe eine harte verschleißfeste Lauffläche erhält. Im Vergleich zu einem zweiteiligen, aus Radscheibe und Radreifen bestehenden Rad ergibt sich bei Vollrädern eine Gewichtsersparnis, andererseits muss bei Abnutzung der Lauffläche das ganze Vollrad ersetzt werden. Bei Überhitzung eines klotzgebremsten Vollrades gibt es im Gegensatz zu zweiteiligen Rädern keine Gefahr durch lose Radreifen, dafür entstehen in Radumfangrichtung der Lauffläche hohe Eigenspannungen, die zu einem Bruch der Radscheibe führen können.[4] Vollräder müssen deshalb im Betrieb regelmäßig auf Spuren möglicher Überhitzung überwacht werden und in der Instandhaltung mit Ultraschall auf Risse überprüft werden. In einigen Fällen können überhitzte Räder thermisch regeneriert werden, so dass sie nicht verschrottet werden müssen. Vollräder können Laufleistungen zwischen 1 und 2,5 Millionen Kilometern erreichen. Dabei wird das Rad im Durchmesser bis zu 80 mm abgenutzt.[5] Eine Kennrille in der Stirnseite des Rades zeigt das Erreichen der Verschleißgrenze auf.

Montage und Demontage

Das Vollrad wird mit einer Radsatzpresse auf die Radsatzwelle gepresst. Nach der Montage beider Räder werden Radrückenabstände vermessen. Vollradachsen werden ausgewuchtet. Dazu wird die Achse außermittig gespannt und die Scheibe am inneren Felgenkranz ausgesichelt. Die Demontage des Radsatzes erfolgt durch Abpressen der Radscheiben.

Belastungen und Prüfungen

Das klotzgebremste Vollrad unterliegt fast den gleichen Belastungen wie der Radreifen. Auch die Vollscheibe wird auf Risse der Außenseite untersucht. Es kommt aber eine zusätzliche Belastung hinzu: Wird ein Vollrad überhitzt, dann dehnt sich der Laufbereich aus. Er zieht den mittleren federnden Bereich des Rades mit. Nach dem Abkühlen des Rades drückt der gedehnte Mittelbereich nach außen auf den Laufbereich. Die Lauffläche entspannt sich wieder durch Walzarbeit, der Spurkranz jedoch nicht. Die Kräfte treten gebündelt am Spurkranz auf und führen zu tiefen Rissen. Aus diesem Grund sind überhitzte Vollräder zu tauschen und in der Aufarbeitung zu entspannen. Die Vollräder werden in der Aufarbeitung einer Ultraschallvollprüfung einschließlich einer Restspannungsmessung unterzogen.

Bei scheibengebremsten Vollrädern, die sehr hohe Laufleistungen erreichen, ohne abgedreht werden zu müssen, kann es in seltenen Fällen zu einer Materialdoppelung im Laufbereich kommen. Diese Fälle sind sehr selten und die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Das Material löst sich flächig wenige Millimeter unterhalb der Lauffläche ab, deshalb sind die Vollräder bis zur nächsten Aufarbeitung in den Laufkilometern begrenzt.

Radkranzhärtung/gezieltes Härten von Laufflächen

Das Rad läuft auf der Schiene und erfährt in dieser Paarung den größeren Verschleiß. Dies rührt daher, dass das Gefüge im Radkranz des fertigbearbeiteten Rades perlitisch ist. Hierzu wird lediglich der Radkranz (das sind Lauffläche und Spurkranz) des schmiederohen Rades in einem HEESS-Abschreckbad durch gezielte Wasseraufbringung gehärtet. Der Steg und die Nabe des Rades werden nicht gehärtet. Die Wärmebehandlung wird prinzipiell wie folgt durchgeführt:

  • Erwärmen des Eisenbahnrades im Hochtemperaturofen auf etwa 860 °C (= Austenitisieren)
  • Halten auf 860 °C (Haltezeit ist werkstoff- und querschnittabhängig)
  • Radkranzhärtung mit Wasser bzw. Wasser-Luft-Gemisch im HEESS-Abschreckbad
  • Erwärmen des Eisenbahnrades im Niedertemperaturofen auf etwa 550 °C (Anlassen = Entspannen)
  • Halten auf 550 °C (Haltezeit ist werkstoff- und querschnittabhängig)
  • Abkühlen an Luft

Es entstehen infolge der Wärmebehandlung am Rand des Radkranzes von außen nach innen gesehen folgende Schichten

  • Eine harte Schicht reiner Bainit
  • Eine Mischschicht aus Bainit und Perlit
  • Grundgefüge: Schicht aus etwa 95 Prozent Perlit und fünf Prozent Ferrit

Die harte Schicht und die Mischschicht werden in der anschließenden Hartbearbeitung abgedreht, so dass das Grundgefüge, nämlich im Wesentlichen Perlit, übrig bleibt. In Europa werden niedriglegierte Schmiedebaustähle für die Eisenbahnräderproduktion verwendet. Gängige Werkstoffbezeichnungen sind R7, R8 und R9. Die UIC-812-3-Norm des internationalen Eisenbahnverbandes spezifiziert die geforderten technischen Eigenschaften vor und nach der Wärmebehandlung. Schlüsselvorgaben werden gemacht für:

  • Härte nach Brinell in 30 Millimetern Tiefe
  • Kerbschlagzähigkeit
  • Zugfestigkeit
  • Gefüge des abgedrehten Teils
  • Höhe der Eigenspannungen

Eigenspannungsarme Radsätze

Um der beim Einsatz von Kompositbremssohlen auftretenden zusätzlichen Erwärmung und den daraus resultierenden möglichen Spannungsrissen entgegenzuwirken, werden seit Ende der 1980er- versuchsweise und seit Mitte der 1990er-Jahre in größerem Umfang eigenspannungsarme Radsätze eingesetzt. Die Kompositionsbremssohlen können die entstehende Bremswärme weniger gut abführen als die Graugussbremssohlen, so dass die Radscheibe mehr Wärmeenergie abführen muss und damit stärkeren Temperaturschwankungen ausgesetzt ist.

Um durch Temperaturschwankungen entstehende Spannungsrisse wirksam zu bekämpfen, wurde eine Radscheibe entwickelt, die weniger empfindlich auf solche Spannungen reagiert. Diese Radscheibe unterscheidet sich vor allem durch ihre ausgeprägte S-Form zwischen Radnabe und Laufflächenkörper, wodurch ein besserer Spannungsabbau erreicht wird als bei flachen Radscheiben. Im Nebeneffekt bewirkt die größere Oberfläche auch eine verbesserte Wärmeabfuhr. Solche Radsätze sind bei Güterwagen mit einem unterbrochenen, senkrechten weißen Strich auf dem Lagergehäuse gekennzeichnet.

Luftbereifte Räder

Luftbereifte Räder der Metro Paris
Luftbereifte Räder der Michelines

Bei einigen U-Bahnen und Einzelfahrzeugen – beispielsweise der französischen Micheline – werden luftbereifte Räder anstelle von stählernen Rädern verwendet. Der Vorteil dieser Räder ist, dass das Laufflächenmaterial Gummi auf Stahlschienen einen erheblich höheren Haftreibungswert hat als Stahlräder. Dies lässt kürzere Brems- und Beschleunigungswege bzw. -zeiten zu, was entsprechend kürzere Fahrzeiten und auch dichtere Zugfolge-Takte zwischen nahe beieinanderliegenden Haltestellen zulässt. Die höhere Haftreibung ist ebenso für Strecken mit starken Steigungen von Vorteil, wie beispielsweise bei der U-Bahn Lausanne. Außerdem verursachen die Gummiräder weitaus weniger Erschütterungen als herkömmliche Stahlräder, was sich besonders bei Strecken in einfacher Tieflage in Verbindung mit fester Fahrbahn positiv bemerkbar macht, etwa bei der Métro Lyon.

Je nach Bahnsystem laufen die luftbereiften Räder auf Standard-Eisenbahnschienen oder auf speziell für Gummireifen konzipierten Fahrbahnen. Für die Fahrt auf Standard-Stahlschienen sowie über Weichen übernehmen parallel zu den Gummireifen die Spurkränze der zusätzlich mitlaufenden klassischen Eisenbahnräder die Führung, sie sind auch die Notlauf-Elemente bei eventuellen Reifenpannen. Im Normalbetrieb berühren die zusätzlichen Stahlräder die Schienenköpfe nicht. Bei ausschließlich für Gummireifen konzipierten Fahrbahnen sind zusätzliche andere Führungselemente nötig, etwa seitliche Spurführungsschienen und horizontale Spurführungsräder.

Die vergleichsweise aufwendige Konstruktion zieht entsprechend höhere Anschaffungskosten nach sich. So sind die Baukosten für den Fahrweg rund doppelt so hoch wie bei einer herkömmlichen Reibungsbahn. Umgekehrt fällt der Aufwand für die Instandhaltung des Fahrweges geringer aus, weil durch die unterschiedliche Härte der Materialien nur die Reifen am Zug dem Verschleiß unterliegen, nicht aber die Schienen.[6]

Ökonomische Aspekte

Schienenfahrzeuge ziehen einen großen wirtschaftlichen Vorteil daraus, dass sie die Antriebsenergie wesentlich effizienter umsetzen können als viele andere Fahrzeuge. Die geringe Reibung stählerner Räder auf der Schiene, die einerseits das allgemein schlechtere Brems- und Beschleunigungsverhalten von Schienenfahrzeugen bewirkt, führt andererseits zu einer effizienten Ausnutzung der benötigten Energie bei gleichmäßigen langen Streckenfahrten mit schweren Lasten.

Eine optimale Ausnutzung der Laufeigenschaften von Schienenfahrzeugen setzt allerdings einheitliche Standards bei der geometrischen Ausführung von Rädern und Gleisen voraus. Die unterschiedlichen Passungen von Rädern und Schienen sind ein Grund dafür, dass Schienenfahrzeuge, sobald sie Gleissysteme befahren, die nach verschiedenen Standards gebaut wurden (andere Länder, andere Gleistypen), einen Teil ihrer technischen Effizienz einbüßen. Langsamere oder andere Durchschnittsgeschwindigkeiten bewirken einen erhöhten Energieverbrauch, die Beanspruchung des Spurkranzes (besonders in Kurven) kann zu höheren Wartungskosten führen.

Literatur

  • Klaus Knothe, Sebastian Stichel: Schienfahrzeugdynamik. Springer-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-540-43429-1.
  • Moritz Pollitzer: Höhere Eisenbahnkunde: Zum Gebrauche für ausübende Eisenbahn-Ingenieure und alle, die an technischen Hochschulen sich zu solchen heranbilden. Teil 1: Die Materialien aus Eisen und Stahl. Herstellung und Verwendung derselben mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Vereines deutscher Eisenbahn-Verwaltungen. Spielhagen & Schurich, Wien 1887.

Einzelnachweise

  1. Foto der DR 01 0503-1 mit Boxpok-Rädern
  2. Die große Chronik Weltgeschichte. Band 13: Industrialisierung und nationaler Aufbruch 1849–1871. Wissen Media Verlag GmbH, Gütersloh/München 2008, ISBN 978-3-577-09073-5, S.72 online.
  3. Moritz Pollitzer
  4. BMVIT (Hrsg.): Untersuchungsbericht Entgleisung des Zuges Z54352 im Tauerntunnel. 2007, 9.8.6. Regelwerke für die Instandhaltung, S. 31–38 (pdf).
  5. DB-Baureihe 101. In: Wikipedia. (Link [abgerufen am 13. März 2016]).
  6. René Waldmann: La grande Traboule. Ed. Lyonnaises d'Art et d'Histoire, Lyon 1991, ISBN 2-905230-49-5, S. 197.