Erwartung (Psychologie)

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Als Erwartung (englisch expectation) wird in der Psychologie eine Einstellung bezeichnet, welche sich auf mehr oder weniger klare Zielvorstellungen und künftig mögliche Ereignisse bezieht und aus der Wahrnehmung von Selektionen oder Umdeutungen erschlossen wird.[1]

Im Alltag stellt sich oft die Frage, wie man in der (bekannten) Gegenwart mit einer unbekannten Zukunft umgeht. „Man bildet sich Erwartungen über die künftige Entwicklung und richtet sein gegenwärtiges Handeln danach aus.“[2] Erwartungen sind „Annahmen über die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses in der Zukunft“.[3] Ein Ereignis zu erwarten bedeutet, das Eintreten dieses Ereignisses für wahrscheinlich zu halten.[4] Das Lexikon der Psychologie[5] bezieht sich auf Philipp Lersch[6], wenn es schreibt: Erwartung sei die vorstellungsmäßige Vorwegnahme und Vergegenwärtigung kommender Ereignisse in ihrem Bezug auf die Thematik unserer Strebungen. Diese leitete sich aus vorausgehenden Erfahrungen ab. Dem Handeln gemäß der Erwartung gehe die Erwartungsspannung voraus.

Formaler Inhalt

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In formaler Hinsicht kann sich eine Erwartung beziehen auf:

  • das Verhältnis der eigenen Person zum Verhalten (Selbstwirksamkeitserwartung);
  • das Verhältnis des eigenen Verhaltens auf unmittelbare Folgen (Ergebniserwartung) oder mittelbare Folgen (Instrumentalitätserwartung);
  • die Frage, von wem oder was das Eintreten gewünschter Ereignisse oder Ergebnisse abhängt (Kontrollüberzeugung);
  • die Frage, was die Ursachen für ein bestimmtes Ergebnis sind (Attribution)[7]

Zu den Erwartungen zählt man in der Persönlichkeitsforschung unter anderem

In der Allgemeinen Psychologie wird Erwartungseffekt (auch: Einstellungseffekt) das Phänomen genannt, „dass wir das Gesehene oder Gelesene gemäß unserer Erwartung interpretieren.“[8] Bei Experimenten spricht man auch vom Versuchsleitereffekt.

Die Entscheidungstheorie hat sich als eigenständige, fachübergreifende Forschungsdisziplin entwickelt, die sich in systematischer Weise mit dem Entscheidungsverhalten von Entscheidungsträgern auseinandersetzt.[9] Die Verfahren zur Berücksichtigung unsicherer Erwartungen werden in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur im Rahmen der Entscheidungstheorie behandelt. Alle Phasen eines Entscheidungsprozesses beeinflussen direkt oder indirekt die Entwicklung von Erwartungen über mögliche zukünftige Umweltzustände.[10] Deshalb sind Erwartungen integraler Bestandteil von Entscheidungen, denen mindestens zwei Handlungsalternativen zugrunde liegen müssen. Dabei ist der Erwartungsnutzen einfach der Erwartungswert des Nutzens jeder der Alternativen.

Eine der wesentlichen, mit einem Wirtschaftssubjekt verbundenen Erwartungen ist die Kundenerwartung, die insbesondere das Kaufrisiko und Produktrisiko in ihr Kalkül einbezieht.

Kommt es aufgrund einer Erwartung zu Fehleinschätzungen, liegt ein Erwartungsfehler (englisch expectation failure) vor. Dieser ist das Fehlschlagen einer antizipativen Erwartung in Bezug auf das Eintreffen eines bestimmten Ereignisses.[11]

Rationale Erwartungen liegen in der Wirtschaftswissenschaft vor, wenn die vermuteten Auswirkungen des eigenen Handelns und die anderer Marktteilnehmer derart in die eigenen Kalküle einbezogen werden, dass die Vermutungen nicht enttäuscht werden.[12] Die rationale Erwartungsbildung liegt insbesondere der Vorstellung eines informationseffizienten Marktes zugrunde.

Der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo stellte in seiner Philosophie der Zeit (→ Abschnitt Geschichte) die Erwartung als psychologischen Aspekt der Zukunft deren physikalischem Aspekt (Zeitmessung) gegenüber. Über den Gegensatz Zukunft/Vergangenheit ergibt sich so ein Gegensatz zur Erinnerung (dem psychologischen Aspekt der Vergangenheit).

Der Begriff Überzeugung impliziert hingegen eine subjektive Gewissheit. Die Begriffe Erwartungen und Überzeugungen (englisch beliefs) werden nicht streng unterschieden.[13]

  • Hannelore Weber; Thomas Rammsayer: Differentielle Psychologie – Persönlichkeitsforschung. Hogrefe, Göttingen u. a. 2012, ISBN 978-3-8017-2172-5, S. 13 85–105.

Einzelnachweise

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  1. James Drewer/Werner D. Fröhlich, dtv Wörterbuch zur Psychologie, 1984, S. 95; ISBN 978-3-423-03031-1
  2. Wolfgang Filc, Theorie und Empirie des Kapitalmarktzinses, 1992, S. 417; ISBN 978-3-09-302877-9
  3. Jürgen Friedrichs/Klaus Sturzebecher/Rolf Klima, Erwartung, in: Werner Fuchs/Daniela Klimke/Rüdiger Lautmann/Otthein Rammstedt (Hrsg.), Lexikon zur Soziologie, 1972, S. 206; ISBN 978-3-531-16602-5
  4. Friederike Worthmann, Literarische Wertungen, 2004, S. 113
  5. Herder Verlag Freiburg/Basel/Wien (Hrsg.), Lexikon der Psychologie, Band 1, 2007, S. 526; ISBN 978-3-86756-037-5
  6. Philipp Lersch, Aufbau der Person, München, 1962, S. 268
  7. Hannelore Weber/Thomas Rammsayer, Differentielle Psychologie – Persönlichkeitsforschung, Hogrefe, Göttingen u. a., 2012, S. 86 f.; ISBN 978-3-8017-2171-8
  8. Christian Becker-Carus/Mike Wendt, Allgemeine Psychologie. Eine Einführung, 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin/Heidelberg, 2017, ISBN 978-3-662-53006-1, S. 10
  9. Helmut Laux, Entscheidungstheorie, 1995, S. 3; ISBN 978-3-540-64094-3
  10. Axel Carsten Miller, Erwartungsbildung ökonomischer Akteure, 2003, S. 49
  11. Günter Wiswede (Hrsg.), Sozialpsychologie-Lexikon, 2004,, S. 149 ff.
  12. Claudia Breuer/Thilo Schweizer/Wolfgang Breuer, Gabler Lexikon Corporate Finance, 2003, S. 164
  13. Hannelore Weber/Thomas Rammsayer, Differentielle Psychologie – Persönlichkeitsforschung, Hogrefe, Göttingen u. a., 2012, S. 86; ISBN 978-3-8017-2171-8