Freiheitliche demokratische Grundordnung

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Die freiheitliche demokratische Grundordnung (abgekürzt: fdGO oder FDGO, oft auch freiheitlich-demokratische Grundordnung[1]) ist ein Begriff des deutschen Grundgesetzes, der die unabänderliche Kernstruktur des Gemeinwesens beschreibt, unabhängig von seiner gegenwärtigen Ausprägung durch den Verfassungs- und den einfachen Gesetzgeber oder die Bundesregierung. Sie bezeichnet demnach die Kernsubstanz des geltenden Verfassungsrechts sowie die Grundprinzipien der politischen Ordnungs- und Wertvorstellungen, auf denen die liberale und rechtsstaatliche Demokratie in Deutschland beruht. Die Definitionsformel der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wurde und wird von Teilen des linken Spektrums[2] bis hin zur Antifa als „Kampfbegriff“[3] und wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit abgelehnt.

Ihre grundsätzliche Anerkennung ist eine notwendige Bedingung für die Teilnahme am politischen Leben, ausdrücklich gilt dies insbesondere im Falle politischer Parteien, welche andernfalls verboten werden können (vgl. hierzu Parteienprivileg). Zwar ist es prinzipiell legitim, auf eine Änderung des Grundgesetzes hinzuarbeiten – was mit einer Zweidrittelmehrheit auch möglich ist –, dabei müssen aber die Kernprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erhalten bleiben.

Der Begriff wird verwendet in Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 Abs. 2, Art. 87a Abs. 4, Art. 73 und Art. 91 Abs. 1 des Grundgesetzes. Er wurde vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1952 wie folgt präzisiert:[4]

„Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 II GG ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“

BVerfGE 2, 1 (Ls. 2, 12 f.)

Die Bundesrepublik Deutschland selbst versteht sich als streitbare Demokratie, die sowohl das Recht als auch die Pflicht hat, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen. Die verwendeten Mittel dazu sind etwa das Parteiverbot oder die Verwirkung von Grundrechten. Als ultima ratio zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht gemäß Art. 20 Abs. 4 GG jedem Deutschen das Widerstandsrecht zu.

Die Legaldefinitionen im Sinne der Bundes- und Landesverfassungsschutzgesetze

Der einfache Bundesgesetzgeber hat die Definition des Bundesverfassungsgerichts als Legaldefinition in § 4 Absatz 2 BVerfSchG übernommen. Das Bundesverfassungsschutzgesetz wurde im Jahr 1990 verabschiedet. Zu diesem Zeitpunkt konnte vom Gesetzgeber nicht nur die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden, sondern auch die umfangreichen Beiträge der einschlägigen juristischen Literatur. Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen im Einzelnen:

  1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
  2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
  3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
  4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
  5. die Unabhängigkeit der Gerichte,
  6. der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
  7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Eine entsprechende Aufzählung findet sich bis auf die letzte Ziffer auch in § 92 Abs. 2 StGB für das politische Strafrecht.

Identische oder zumindest inhaltlich deckungsgleiche Definitionen zu § 4 Abs. 2 BVerfSchG befinden sich auch in den Landesverfassungsschutzgesetzen der Länder, jedoch mit der Ausnahme Thüringens, das in § 6 Abs. 2 Nr. 4 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes „das Recht auf Bildung, Maßnahmen der Wirtschafts- und Arbeitsförderung sowie der Daseinsvorsorge“[5] zum Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung erklärt.[6]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freiheitlich-demokratische Grundordnung, Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.
  2. So etwa Volker Beck, Plenarprotokoll 14/50 vom 1. Juli 1999, S. 4343.
  3. Claus Leggewie/Horst Meier, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2012, S. 63–74 (68 ff.).
  4. BVerfGE 2, 1 (Leitsatz 2) – SRP-Verbot.
  5. § 6 Thüringer Gesetz zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Vorbeugung vor Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung (Thüringer Verfassungsschutzgesetz – ThürVerfSchG –) vom 8. August 2014
  6. Gunter Warg: Die freiheitliche demokratische Grundordnung und § 6 II Nr. 4 ThürVSG n. F.: Bildungs- und Wirtschaftsförderungsfeinde als die neuen Extremisten?, in: LKV 2015, S. 1–6.