Friedrich Joachim Günther

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Friedrich Joachim Günther (* 27. September 1814 in Quedlinburg; † 18. Februar 1877 in Angerburg in Ostpreußen) war ein deutscher Schullehrer, Seminarleiter und Zeitungsredakteur.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über seine Jugend und seinen Werdegang ist wenig bekannt. Er studierte u. a. in Halle und erwarb einen Doktorgrad.

Von 1835 bis 1845 war Günther zunächst Hilfs-, dann Oberlehrer an den höheren Mädchenschulen der Franckeschen Stiftungen in Halle. Im Februar 1845 wechselte er als erster Lehrer zum Seminar nach Halberstadt.

Von 1850 bis zum 1. Juli 1851 war er Chefredakteur der reaktionären, als Ableger der Kreuzzeitung in Elberfeld gegründeten Rheinisch-Westphälischen Zeitung, „dieses Organs der konservativen Parthei in Rheinland und Westphalen“, wie er es selbst im Abschiedswort bezeichnete[1] (nicht zu verwechseln mit der seit 1883 in Essen erschienenen gleichnamigen Tageszeitung). Nachdem das Blatt eingegangen war, kehrte Günther als erster Lehrer an das Seminar von Magdeburg in den pädagogischen Dienst zurück, Das Seminar wurde 1855 ins Schloss Barby verlegt.

Literatur im Deutschunterricht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine Unterrichtstätigkeit begleitete Günther mit pädagogischen Studien, die sich vor allem dem Deutschunterricht aus christlich-konservativer Perspektive widmeten und die Literatur der Klassiker als irreligiös verdammten. So warnte er schon 1841 in seiner Schrift Ueber den deutschen Unterricht auf Gymnasien davor, Don Carlos von Friedrich Schiller als Unterrichtsgegenstand zu wählen: „Man frage reifere Jünglinge, [...] erinnere sich vielleicht selbst der ersten Eindrücke [...], und man wird Wehe rufen können über den Erzieher, welcher dadurch, daß er in der Schule diese und ähnliche Dramen erklärt, wissentlich solches Gift in die Adern der Jugend bringt.“[2] In seiner Zeit auf dem Lehrerseminar in Schloss Barby polemisierte er gegen das Literaturstudium von Volksschullehrern, worin ihm von August Lüben widersprochen wurde.[3]

In seinen pädagogischen Schriften eiferte er gegen das Nützlichkeitsdenken in der Erziehung und machte als Hauptgegner die in Preußen gegründeten Realschulen aus.

Eine Sammlung von Biographien, Weltgeschichte in funfzig Lebensbildern, die er 1848 erscheinen ließ, glaubte er „als Christ und als Deutscher aufgefaßt und dargestellt“ zu haben.[4] Dies wiederholte er mit unverkennbar antisemitischer Tendenz in seiner Schrift Die deutsche Literatur in ihren Meistern (1853). Moses Mendelssohn bezeichnet Günther als „ungläubigen, kaufmännisch- und philosophisch-spekulierenden Juden“; von Heinrich Heine heißt es, er habe „als Possenreißer für närrische Deutsche“ begonnen und sei mit seiner „gut versificirten, aber allem deutschen Gemüth und aller Sittlichkeit mit echt jüdischer Gemeinheit Hohn sprechenden“ Lyrik zum „Abgott der Genußsüchtigen, Blasirten, Revolutionäre und Widerchristen“ geworden.[5]

Fortschrittliche Lehrmethoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1861 geriet Günther wegen ungewöhnlicher, aus heutiger Sicht fortschrittlicher Lehrmethoden in die Kritik der Schulbehörden. So ließ er Schüler den Stoff selbst vortragen und die anschließende Korrektur von anderen Schülern vornehmen. Zu den Vorwürfen gehörte auch, Günther verwende ganze fünf Monate zur Erörterung einer einzigen Schillerschen Ballade (Der Taucher) und lasse innerhalb von zehn Monaten nur vier bis fünf Aufsätze schreiben statt, wie sonst üblich, je nach Klasse zwölf, acht oder sechs. Obwohl Seminardirektor Karl Ferdinand Ranke den Lehrer verteidigte, wurde Günther 1869 nach Kreuzburg in Oberschlesien strafversetzt.

Jenseits der zeittypischen Geschlechterrollen empfahl Friedrich Günther das Lateinstudium für Mädchen.[6]

Im Juli 1875 wechselte er nach Angerburg, wo er zwei Jahre später verstarb.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich Günther war der Sohn von Christian Günther und Johanne Günther, geb. Giebelhausen. Am 10. September 1850 heiratete er in Trotha bei Halle Rosalie Henriette Margarethe, geb. Freiin Schorlemmer von Oberhagen (* August 1813 in Königgrätz; † 27. Mai 1900 in Dresden), die Tochter des Franz Schorlemmer von Oberhagen und der Friederike Schorlemmer von Oberhagen, geb. Hahne von Waffentreu.[7] Seiner Schwiegermutter widmete Günther 1853 seine Erläuterungen zu Schillers Lied von der Glocke.[8] Mit Rosalie Henriette Günther hatte Friedrich Günther zwei Söhne und zwei Töchter, darunter Hedwig Catharine Günther (* 24. Januar 1852 in Magdeburg; † 7. Dezember 1938 in Dresden) und Johann Hans Joachim Günther (* 7. Dezember 1853 in Magdeburg).[9]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lehrgang des Unterrichts im deutschen Styl für Lehrer an höheren und mittleren Bildungsanstalten der weiblichen Jugend. Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1838 (Digitalisat).
  • Die Realschulen und der Materialismus. Eduard Anton, Halle 1840 (Digitalisat).
  • Ueber den deutschen Unterricht auf Gymnasien. Mit einem Auszuge aus dem vierten Theile der deutschen Grammatik von J. Grimm, und einer Erklärung der Tropen und Figuren. G. d. Bädeker, Essen 1841 (Digitalisat).
  • Schulreden. Bd. 1: Das Kirchenjahr, mit einer erbaulichen Erklärung des Kirchenjahres. C. H. Beck, Nördlingen 1841.
  • Handbuch für den deutschen Unterricht auf Gymnasien, enthaltend eine nach den sechs Klassen eingerichtete Vertheilung des Lehrstoffs mit kurzen methodischen Anweisungen, 2600 Aufgaben zu schriftlichen Arbeiten mit kurzgefaßter Theorie der Stilarten, fünf Beispiele verschiedenartig erklärter Gedichte und eine Poetik für Secunda. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1845 (Digitalisat).
  • Die Poetik. (Nach Hegel’s Ästhetik.) Für Gymnasien. Besonderer Abdruck nach dem Handbuch für den deutschen Unterricht an Gymnasien. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1845 (Digitalisat).
  • Die Geschichte der Perserkriege nach Herodot. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1845; 3. Aufl., ebenda 1861 (Jugendbibliothek des griechischen und deutschen Alterthum, Bd. 4) (Digitalisat).
  • Weltgeschichte in funfzig Lebensbildern. Ausgabe für die reifere Jugend mit 4 Stahlstichen. Robert Frantz, Halberstadt 1849 (Digitalisat).
  • Briefe an eine Mutter über die wichtigsten Mängel in der jetzigen Erziehung höherer Töchter, 1851.
  • Das Schulwesen im protestantischen Staate. Vorträge für Gebildete. R. L. Friderichs, Elberfeld 1852.
  • Deutsche Classiker in ihren Meisterwerken. Bd. 1: Friedrich von Schiller's Lied von der Glocke. R. L. Friderichs, Elberfeld 1853.
  • Die deutsche Literatur in ihren Meistern, mit einer Auswahl charakteristischer Beispiele für gebildete Leser. Robert Frantz, Halberstadt 1853 (Digitalisat).
  • Auslegung der biblischen Geschichten für Lehrer in Kirche, Schule und Haus. Bd. 1.: Die Geschichten des Alten Testaments. C. A. Schwetschke, Braunschweig 1855.
  • Erbauliche Betrachtungen über das Leben Jesu nach den vier Evangelien. C. A. Schwetschke, Braunschweig 1857 (Digitalisat).
  • Was eine Mutter ihren erwachsenen Töchtern erzählt und der Vater zu Papier gebracht hat. Noveletten, E. A. Fleischmann’s Buchhandlung, München 1864 (Digitalisat).
  • Deutsches Sprachbuch für Volksschullehrer und Seminaristen. Stubenrauch, Berlin 1867.
  • (Hrsg.) Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten, zunächst für Schullehrer-Seminarien 2. Auflage, A. Reisewitz, Gera 1877 (Digitalisat).
  • Carl A. Peschel (Hrsg.): Dr. Friedrich Joachim Günthers Entwürfe zu Vorträgen und Aufsätzen über 100 Sprichwörter und 100 Schillersche Sprüche für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. 2. Auflage, Reichardt, Leipzig 1882; ebenda, 1892 (Neudruck der 2. Auflage).
  • Dr. Friedr. Joach. Günthers Hundert Paragraphen aus der Rhetorik und Poetik nebst einer kurzen Übersicht der deutschen Litteraturgeschichte und litterar-historischen Personalnotizen für Schullehrer-Seminare und andere höhere Lehranstalten. 2. vermehrte und verbesserte Auflage, A. Reisewotz, Gera 1886.

Briefe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Briefe an Jacob Grimm, 6. Februar 1840 und 17. März 1841, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußíscher Kulturbesitz, Nachlass Grimm, 1077, Bl. 1–4 (Digitalisat).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Robert Prutz: Pfaffenwirthschaft in Aesthetik und Literaturgeschichte. Beiträge zur Krankheitsgeschichte unserer Tage. I. Hr Friedrich Joachim Günther und Schiller’s „Lied von der Glocke“. In: Deutsches Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben Nr. 9, 24. Februar 1853, S. 305–325 (Digitalisat).
  • Festschrift zur zweihundertjährigen Feier der Franckeschen Stiftungen und der Lateinischen Hauptschule am 30. Juli und 1. Juni dargebracht von dem Kollegium der Lateinischen Hauptschule. Buchdruckerei des Waisenhauses, Halle an der Saale 1898, S. 190 (Digitalisat).
  • Horst Fuhrmann: Fern von gebildeten Menschen. Eine oberschlesische Kleinstadt um 1870, C. H. Beck, München 1989, S. 101–104, 113 f., ISBN 3-406-33984-0.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Politische Zeitung. In: Austria. Tagblatt für Handel und Gewerbe, öffentliche Bauten und Verkehrsmittel Nr. 79, 3. April 1851, S. 398 f. (Web-Ressource).
  2. Ueber den deutschen Unterricht auf Gymnasien. Mit einem Auszuge aus dem vierten Theile der deutschen Grammatik von J. Grimm, und einer Erklärung der Tropen und Figuren. G. D. Bädeker, Essen 1841 S. 208 (Web-Ressource).
  3. August Heinrich Philipp Lüben: Selbstbiographie, Friedrich Korn’sche Buchhandlung, Nürnberg 1879 (Die Volksschule des XIX. Jahrhunderts. Biographien hervorragender Schulmänner, 12. Lieferung), S. 313 (Web-Ressource).
  4. Die deutsche Literatur in ihren Meistern, mit einer Auswahl charakteristischer Beispiele für gebildete Leser. Robert Frantz, Halberstadt 1853, S. V (Web-Ressource).
  5. Die deutsche Literatur in ihren Meistern, mit einer Auswahl charakteristischer Beispiele für gebildete Leser. Robert Frantz, Halberstadt 1853, S. 373 (Web-Ressource), S. 468 (Web-Ressource).
  6. François de Salignac de La Mothe-Fénelon: Ueber Töchtererziehung. Uebersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von Friedrich August Arnstädt, Siegismund und Volkening, Leipzig 1879 (Pädagogische Bibliothek. Eine Sammlung der wichtigsten pädagogischen Schriften älterer und neuerer Zeit, Bd. 4, 3. Abtheilung, Heft 1 u. 2), S. 166 (Web-Ressource).
  7. Vgl. die Angaben in der bei FamilySearch ausgewerteten Ehestandsurkunde (nach entgeltfreier Anmeldung zugänglich).
  8. Deutsche Klassiker in ihren Meisterwerken. Bd. 1: Friedrich von Schiller's Lied von der Glocke, ausgelegt von Friedrich Joachim Günther. R. L. Friderichs, Elberfeld 1853, Vorsatzblatt.
  9. Genealogische Datei von Norbert Emmerich, Heidelberg.