Gemeine Teilherrschaft Riegel

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Das Haus des Abtes von Ettenheimmünster als Teilherr in Riegel

Der Begriff Gemeine Teilherrschaft Riegel beschreibt eine besondere Form der Ortsherrschaft über die Gemeinde Riegel am Kaiserstuhl im vorderösterreichischen Breisgau zwischen 1381 und 1806. Mehrere Standesherren übten die Ortsherrschaft gemeinschaftlich in turnusmäßigem Wechsel aus.

Vorgeschichte

Die Gemeine Teilherrschaft Riegel stellte ein wahrlich einzigartiges und dabei extrem langlebiges Modell der gemeinschaftlichen Herrschaftsausübung im Heiligen Römischen Reich dar. Alles begann mit einem ungewöhnlichen Testament einer besonderen Frau aus dem Milieu der aufstrebenden Kaufleute, die mit dem Silberhandel im Breisgau reich geworden waren. Die Herren Malterer zählten im 14. Jahrhundert zu den wohlhabendsten Familien in Freiburg. Zu ihren Schuldnern zählten neben den Städten Freiburg und Endingen auch hochrangige Adelsfamilien wie die Grafen von Freiburg, die Grafen von Fürstenberg, die Pfalzgrafen von Tübingen, die Markgrafen von Hachberg, die Herren von Üsenberg, die Herren von Geroldseck, die Herren von Staufen, die Herren von Falkenstein, die Klöster St. Peter, St. Märgen und selbst der Abt von Einsiedeln. 1353 verkauften Abt und Konvent jenes Klosters in der Schweiz dem Johann Malterer und seinen Erben ihren Hof zu Riegel.[1] Nach dem Tode des Johann Malterer 1360 erhielt seine Gemahlin Gisela von Kaysersberg, die ihn noch 21 Jahre in Freiburg überlebte, die Herrschaft Riegel mit der Burg als Wittum oder Witwengut.

Die Schaffung der "Elftel"

Vor ihrem Tode vermachte die Witwe 1381 die Herrschaft Riegel mit der Burg ihren elf Enkeln – sechs Söhne und eine Tochter des Ritters Johann von Blumegg oder Blumeneck († 1383), der mit Margarete Malterer, einer Tochter des Johann und der Gisela Malterer, verheiratet war, sodann die vier Töchter ihres Sohnes Martin Malterer, der in der Schlacht bei Sempach 1386 den Leib des sterbenden Herzogs Leopold III. von Habsburg mit seinem eigenen deckte und dabei den Tod fand - zu gleichen Teilen und begründete so die Gemeine Teilherrschaft, die bis 1806 bestand. Nach diesen elf Enkeln berechnete man jahrhundertelang die Ortsanteile und bezeichnete sie als Elftel. Da diese vererbt, verkauft, verschenkt und geteilt werden konnten, gab es im Laufe der Zeit eine gewaltige Verschiebung der Anteile, und die verschiedenen Adelsgeschlechter aus dem Breisgau und dem Elsass wurden Teilherren in Riegel. Waren es im Jahre 1400 elf, so betrug ihre Zahl im Jahre 1454 sieben, 1491 wieder zehn, 1558 acht, 1606 sieben, 1650 vier. Von 1661 bis zum Ende der Herrschaft am Beginn des 19. Jahrhunderts waren es drei, nämlich die Besitzer der Herrschaft Lichteneck mit 5 ¾ Elfteln, die Abtei Ettenheimmünster mit 2 ⅞ Elfteln und von 1687 die Reichsfreiherren von Sickingen mit 2⅜ Elfteln der gesamten Herrschaft[Anm. 1].

Verwaltung

Die Verwaltung Riegels erfolgte durch jeweils einen Teilherren, den man Verweser oder Verseher nannte. Das Amt oblag ihm so viele Jahre wie er ganze Elftel besaß; der Wechsel erfolgte an Georgi, dem „Hl. Rittertag“, also dem 23. April. Die Freiherren von Garnier zu Lichteneck hatten die „Versehnerei“ ab 1661 alle vier Jahre für fünf Jahre hindurch inne; es ergab sich diese Reihenfolge: 1661-66 Lichteneck, 1666-68 Ettenheimmünster, 1668-70 Dankenschweil usw. Ein besonderes Ereignis war alljährlich der Gemeine Teilherrentag, der an Georgi stattfand und an dem sämtliche Teilherren oder deren Vertreter erscheinen mussten. Die Herrschaft Lichteneck besaß in Riegel gemeinsam mit den übrigen Teilherren "Stab, Obrigkeit, Herrlichkeit, Gebot und Verbot, hohe und niedere Gerichtsbarkeit".[2] Die landesfürstliche Obrigkeit besaß das Erzherzogtum Österreich, ausgeübt durch die Behörden in Vorderösterreich.

1410 erbaute Heinrich von Blumeneck das Riegeler Schloss, 1593 ging der Besitz an Wilhelm Dietrich von Rathsamhausen über, 1633 wurde das Schloss im Dreißigjährigen Krieg völlig zerstört. Der Kommandant der Festungen Freiburg und Rheinfelden, Generalwachtmeister Johann Georg Schütz von Pürschütz und Geislingen, erwarb den „Aschenhaufen“ 1651 und baute das Schloss notdürftig wieder auf.[3] 1660 sah er sich gezwungen, die Herrschaft Lichteneck mit den Dörfern Hecklingen, Forchheim und Schelingen sowie von 4½ Anteilen der ausgestorbenen Pfalzgrafen von Tübingen-Lichteneck am Marktflecken Riegel an Johann Heinrich von Garnier zu verkaufen. 1661 erwarb Garnier von General Schütz noch das 1. Elftel samt Herrschaftsanteil von Riegel und besaß damit 5 3/4 Anteile.[4] Sein Sohn Leopold Heinrich von Garnier erbaute das neue Schloss am Riegeler Michelsberg 1683-1687.

1721 erbte seine Frau Luzia Katharina Berchtoldin, geb. von Saxengang († 1743), seine Anteile. Da sie kinderlos geblieben war, schenkte sie 1721 die Besitztümer an Graf Hannibal Max von Schauenburg († 1741). Dessen Universalerbe war zunächst sein Sohn Philipp († 1741), sodann dessen Bruder Christoph Anton, breisgauischer Kreishauptmann der vorderösterreichischen Regierung, der aber wegen seiner Amtsführung in Ungnade fiel und 1760 von Kaiserin Maria Theresia abgesetzt wurde.[5] Die Enkelin des Türkenlouis, Prinzessin Elisabeth Augusta von Baden-Baden, verheiratet mit ihrem Oberhofmeister Graf von Althan, ersteigerte 1765 das Schloss und lebte dort bis 1789.[6] Johann Nepomuk Anton Joseph Fürst von Schwarzenberg erbte das Schloss seiner Tante mitsamt der Herrschaft Riegel und Lichteneck. 1812 erfolgte der Verkauf des Schlosses an das Großherzogtum Baden für 250 000 Gulden, das es 1820 an die Gemeinde Riegel weiter verkaufte. Diese parzellierte den Besitz in 33 Teile und ließ das Schloss abbrechen. Damit endete die Gemeine Teilherrschaft, die am Ende des Heiligen Römischen Reichs aus drei Standesherrschaften bestanden hatte:

Standesherrschaften

1. Die Standesherrschaft der Fürsten von Schwarzenberg als Herren von Lichteneck mit 5 ¾ Elftel, bzw. 22/42 oder 52,38 %. Der Fürst von Schwarzenberg war als Herr von Lichteneck und Teilherr von Riegel Mitglied im Ritterstand der Breisgauischen Landstände, zugleich für die Landgrafschaft Klettgau und Sulz im Schwäbischen Reichsgrafenkollegium vertreten.

Die Herrschaft Lichteneck war originäre Teilherrin in Riegel durch das 9. Elftel der Verene († 1429) und des Pfalzgrafen Konrad von Tübingen-Lichteneck († 1409), das 1660 an Garnier gelangt war. Das 10. Elftel der Margarete und des Kaspar von Klingenberg († 1439) fiel 1439 im Erbgang an den früheren Herren von Lichteneck, den Pfalzgrafen Konrad II. von Tübingen-Lichteneck,[7] das 4. Elftel des Dietrich von Blumeneck erwarben die Pfalzgrafen 1441 von den Rumlang.[8] Das 3. Elftel oder „Rustischer Anteil“ des Martin von Blumeneck († 1434), das 1484 an Rust und 1536 an Rathsamhausen ging,[9] fiel 1602 an Eberhard von Tübingen-Lichteneck.[10] Garnier kaufte 1660 auch das 1. Elftel mit den Herrschaftsrechten des Heinrich von Blumeneck († 1425), das 1593 an Rathsamhausen,[11] 1651 an General Schütz gegangen war. Dazu kamen noch Anteile an weiteren Elfteln: die Hälfte des 6. Elftels oder „Blumeneckischen Anteils“ des Otto von Blumeneck († 1412), das 1410 an Heinrich von Blumeneck gefallen war sowie jeweils ein Achtel aus je einer Hälfte des 2. Elftels des Johann von Blumeneck († 1437), das 1450 an Pfirt gegangen und 1576 geteilt worden war. Von Garnier erwarben die Grafen von Schauenburg 1721 die 5 ¾ Elftel und überließen sie 1765 der Prinzessin von Baden-Baden, 1789 dem Fürsten von Schwarzenberg, der damit eine Mehrheit der Anteile in der Gemeinen Teilherrschaft Riegel besaß.

2. Die Standesherrschaft des Abts von Ettenheimmünster mit 2 ⅞ Elftel, bzw. 11/42 oder 26,19 %. Der Abt von Ettenheimmünster war als Teilherr von Riegel Mitglied im Ritterstand der Breisgauischen Landstände, was für den Abt von besonderer Bedeutung war, da ihm der Bischof von Straßburg einen Platz auf der breisgauischen Prälatenbank verwehrte. Das Kloster Einsiedeln hatte seine Patronatsrechte 1483 der Abtei Ettenheimmünster verkauft; es gründete seine Herrschaft auf das 8. Elftel der Gisela und des Bertold von Staufen († 1450), das 1489 von der Abtei erworben wurde und an die 1484 bereits ein Achtel aus einer Hälfte des 2. Elftels gefallen war. Weiterhin kauften die Äbte nach 1495 das 7. Elftel der Gisela und des Hartmann von Haus († 1418) sowie 1576 weitere vier Achtel des 2. Elftels. Schließlich rundete ein Viertel des 6. Elftels oder „Blumeneckischen Anteils“, das 1605 von Rathsamhausen und Andlaw erworben wurde,[12] den Klosterbesitz ab.

3. Die Standesherrschaft von Sickingen mit 2 ⅜ Elftel, bzw. 9/42 oder 21,43 %. Freiherr von Sickingen war Präsident der breisgauischen Ritterschaft. Er besaß das 11. Elftel der Anna und des Johann von Tengen, das 1407 von Schnewlin von Landeck erworben worden war und zu dem bereits ein Achtel der Hälfte des 2. Elftels, das 1484 aus dem Verkauf des halben Elftels des Philipp von Pfirt an Ludwig von Landeck und „Hattstatt sel. Kinder“ stammte,[13] geschlagen worden war.[14] Dieser Besitz fiel 1568 an Sickingen, 1648 an Dankenschweil,[15] 1687 wieder an Sickingen und blieb dort bis 1809.[16] Das 5. Elftel des Rudolf von Blumeneck († 1437), das 1410 an Heinrich von Blumeneck, 1476 an Hattstatt, 1491 an Neuenfels, 1510 an Bubenhofen,[17] 1560 an Vogt von Altensummerau und Prassberg, 1648 an Dankenschweil gegangen war, wurde 1687 von Sickingen erworben, dazu ein Viertel des 6. Elftels oder „Blumeneckischen Anteils“, der 1605 von Rathsamhausen und Andlaw erworben wurde.[18]

Die Gemeine Teilherrschaft Riegel war nicht nur eine ganz besondere Herrschaftsform, sondern zog in den vier Jahrhunderten ihres Bestehens die jeweils führenden Familien des Südwestens an, die sich mit einem Anteil am gemeinteilherrlichen Flecken Riegel auch einen bevorzugten Platz in der Ritterschaft Vorderösterreichs erwarben.

Siehe auch

Literatur

  • Adolf Futterer: Einkünfte und Besitz der Herrschaft Lichteneck im gemeinteilherrlichen Flecken Riegel unter den Pfalzgrafen von Tübingen und den Freiherren von Garnier 1391–1721. In: Schau-ins-Land. Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland, Band 82 (1964), S. 12-46 Digitalisat der UB Freiburg

Anmerkungen

  1. Wenn Ende des 18. Jahrhunderts die Einkünfte aus der Herrschaft Riegel für Lichteneck mit 22/42, für Ettenheimmünster mit 11/42 und für Sickingen mit 9/42 gewöhnlich angegeben wurden, so resultiert dies aus der leichteren Berechnung. Da nämlich das halbe „Bremptische“ Elftel (das 2. Elftel) 1576 auf sämtliche Teilherren im Verhältnis ihrer Anteile auf sie übergegangen war, sonderte man dieses halbe Elftel aus der Berechnung aus und rechnete nur mit 10 ½ statt 11 Anteilen; der für die Berechnung günstigste Nenner war somit 42

Einzelnachweise

  1. Generallandesarchiv (GLA) Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1353 September 7, 21 Nr. 6371.
  2. Futterer, 17 (siehe Literatur)
  3. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1651 Januar 9, 21 Nr. 6383.
  4. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1661, 21 Nr. 6384.
  5. Kopf, Hermann, Christoph Anton Graf von Schauenburg, Freiburg i. Br. 1987.
  6. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1765 Mai 7, 21 Nr. 6386.
  7. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1439 September 20, 21 Nr. 6373.
  8. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1441 Januar 5, 21 Nr. 6374.
  9. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1558 Februar 4, 21 Nr. 6376.
  10. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1602 Dezember 21, 21 Nr. 6378.
  11. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1602 März 23, 21 Nr. 6377.
  12. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1605 Juli 19, 21 Nr. 6379.
  13. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1484 Februar 26, 21 Nr. 6361.
  14. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1422 September 13, 21 Nr. 6369.
  15. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1648 Mai 7, 21 Nr. 6367.
  16. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1687 September 1, 21 Nr. 6385.
  17. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1510 Juni 25, 21 Nr. 6375.
  18. GLA Karlsruhe, Bestand 21: Vereinigte Breisgauer Archive (Vorderösterreich u.a.), 2. Spezialia, 2.350. Riegel, 1617 Mai 6, 21 Nr. 6381; 21 Nr. 6382