Georg Friedrich Knapp

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. Juli 2016 um 18:38 Uhr durch Fegsel (Diskussion | Beiträge) (→‎Nachwirken). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Staatliche Theorie des Geldes, 1923

Georg Friedrich Knapp (* 7. März 1842 in Gießen; † 20. Februar 1926 in Darmstadt) war Professor der Nationalökonomie und Rektor an der Universität Straßburg. Er gilt durch sein Buch "Staatliche Theorie des Geldes" als Begründer des Chartalismus.

Familie

Seine Eltern waren der aus Michelstadt im Odenwald stammende Friedrich Ludwig Knapp (1814–1904) und die Darmstädterin Katharina Elisabeth Liebig (1819–1890), eine Schwester des später geadelten Chemikers Justus von Liebig. Sein Großvater väterlicherseits war der ehemalige Präsident der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen Johann Friedrich Knapp. Georg Friedrich Knapp war verheiratet mit der aus Georgien stammenden Lidia Korganow und hatte zwei Töchter: Marianne und Elly, die spätere Frau des ersten deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss. Nach der psychischen Erkrankung seiner Frau (die fortan in Sanatorien untergebracht war) zog er die Kinder alleine auf.[1]

Leben

Knapp wuchs in München im Umfeld seines Onkels Justus von Liebig auf und wurde früh durch den Philosophen Moritz Carrière und den Philologen Friedrich Thiersch in seiner geistigen Entwicklung beeinflusst. Neben den alten Sprachen fühlte er sich jedoch bald zu den Naturwissenschaften und hier insbesondere zur Mathematik hingezogen. Nach seinem Schulbesuch studierte Georg Friedrich Knapp von 1853 an in München, Berlin und Göttingen die Fächer Physik, Chemie, römisches Recht und Nationalökonomie. Sein Studium beendete er 1865 mit seiner Promotion über die Lohntheorie Thünens zum Dr. phil. an der Universität Göttingen, als zweites Hauptfach hatte er Mathematik gewählt. Wissenschaftlich wandte er sich zunächst der Statistik zu mit grundlegenden Arbeiten über die Sterblichkeit und über Moralstatistik. In den Jahren 1869 bis 1874 war Knapp Leiter des statistischen Büros der Stadt Leipzig und wurde 27-jährig Professor für Statistik an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig. 1874 nahm er den Ruf einer ordentlichen Professur für Nationalökonomie an der Universität Straßburg an und wurde hier an der Seite von Gustav Schmoller zu einem Wegbereiter für die jüngere Historische Schule der Nationalökonomie. Inhaltlich wandte er sich zunächst Fragen der Agrar- und Sozialpolitik zu und gehörte zu den Gründern des Vereins für Socialpolitik.[2] Seine bedeutendste Leistung wurde die 1905 erschienene "Staatliche Theorie des Geldes", in welcher er den Geldwert nicht ökonomisch, sondern positiv-rechtlich begründete. "Das Geld ist ein Geschöpf der Rechtsordnung", lautet der erste dogmatische Satz. Knapp lehnte mehrfache Berufungen (etwa nach Wien) ab, behielt seinen Lehrstuhl bis 1918 inne und blieb auch während der Zeit des Ersten Weltkrieges in Straßburg. 1918 wurde ihm der Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste verliehen. 1919 musste er seine Wahlheimat Elsass unter schwierigsten Bedingungen verlassen und lebte die letzten Jahre bei Verwandten in Darmstadt.

Als Universitätslehrer sah sich Knapp verpflichtet zur Ausbildung der Beamtenschaft beizutragen. In seiner Präsidentenansprache am 1. Mai 1891 als Rektor der Universität charakterisierte er diese Aufgabe wie folgt: "Es muss Gelehrte geben, die den Leitern des Staates den geschichtlichen Zusammenhang der Dinge nachweisen, damit sie, die Beamten nicht von den landläufigen Meinungen überwältigt werden." „Unsere Beamten [...] werden sich nicht mehr das Heft aus der Hand nehmen lassen, auch von parlamentarischen Mehrheiten nicht, die wir ja meisterhaft zu behandeln wissen. Keine Herrschaft wird so leicht ertragen, ja so dankbar empfunden, wie die Herrschaft hochsinniger und hochgebildeter Beamten. Der deutsche Staat ist ein Beamtenstaat – hoffen wir, daß er in diesem Sinne ein Beamtenstaat bleibt.“[3]

Er war Mitglied der Preußischen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Georg Friedrich Knapp wurde auf dem Waldfriedhof Darmstadt (Grabstelle: L 8b 125) bestattet.

Nachwirken

Die "staatliche Theorie des Geldes" wurde auf Veranlassung von Maynard Keynes ins Englische übersetzt (1924), ebenfalls erfolgte eine Übersetzung ins Japanische (1922). Max Weber nannte das Werk "formell und inhaltlich eines der grössten Meisterstücke der deutschen schriftstellerischen Kunst und wissenschaftlichen Denkschärfe." In neuester Zeit wurde seine chartalistische Position wieder Thema der in Amerika diskutierten Modern Monetary Theory.[4] Daraus erwuchs auch die Erwähnung in einer Studie von David Graeber: Schulden: Die ersten 5000 Jahre.

Werke

  • Über die Ermittlung der Sterblichkeit. J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig 1868.
  • Die Sterblichkeit in Sachsen. Duncker & Humblot, Leipzig 1869.
  • Theorie des Bevölkerungs-Wechsels. Abhandlungen zur angewandten Mathematik. Friedrich Vieweg & Sohn, Braunschweig 1887.
  • Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Theilen Preußens. 2 Bände, Duncker & Humblot, München 1887. (2. unveränderte Auflage. München 1927) Teil 1 der Ausgabe von 1887 als pdf-Dateien
  • Grundherrschaft und Rittergut. Duncker & Humblot, Leipzig 1897.
  • Staatliche Theorie des Geldes. Duncker & Humblot, München/ Leipzig 1905, 1918, 1921, 1923. (Versuch einer positiv-rechtlichen Begründung des Geldes). (Digitalisierte 2. Auflage. 1918 unter: urn:nbn:de:s2w-6471). Englische Auflage von 1924 als PDF
  • Einführung in einige Hauptgebiete der Nationalökonomie. Duncker & Humblot, München/ Leipzig 1925. (Digitalisierte Ausgabe unter: urn:nbn:de:s2w-8230)
  • Aus der Jugend eines deutschen Gelehrten. Hrsg. mit einem Vorwort von Elly Heuss-Knapp. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/ Berlin/ Leipzig 1927.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Georg Friedrich Knapp, Elly Heuss-Knapp: Eine Jugend. 2., erw. Auflage. 1947.
  2. Vgl. hierzu Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, I. Abteilung: Von der Reichsgründungszeit bis zur Kaiserlichen Sozialbotschaft (1867–1881). 8. Band: Grundfragen der Sozialpolitik in der öffentlichen Diskussion: Kirchen, Parteien, Vereine und Verbände. bearbeitet von Ralf Stremmel, Florian Tennstedt und Gisela Fleckenstein. Darmstadt 2006, S. 246, 249, 296, 302, 304–308, 312–317, 320 f., 326–329, 343, 361, 374, 377, 396, 405, 411–413, 417–422, 428, 430 f., 433 f., 445–448, 451, 454, 457–462, 464, 472.
  3. blogs.faz.net

Literatur

  • Walter Braeuer: Knapp, Georg Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 152 f. (Digitalisat).
  • Dirk Hainbuch, Florian Tennstedt (Bearb.): Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945. Band 1: Sozialpolitiker im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1918. Kassel University Press, Kassel 2010, ISBN 978-3-86219-038-6, S. 87 f. (online, PDF; 2,2 MB)
  • Hartmut Harnisch: Georg Friedrich Knapp. Agrargeschichtsforschung und sozialpolitisches Engagement im Deutschen Kaiserreich. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. 1993/1, S. 95–132.
  • Ludwig Dehio: Georg Friedrich Knapp. 1842–1926. In: Die Grossen Deutschen. (= Deutsche Biographie. Band V). Ullstein, Frankfurt 1985, S. 399–406.
  • G. F. Knapp, F. Bendixen: Zur staatlichen Theorie des Geldes. Briefwechsel von 1905 bis 1920. Hrsg. von Kurt Singer. (= Veröffentlichungen der List Gesellschaft. Band 10). Kyklos-Verlag, Basel 1958, DNB 452463998.

Weblinks