Gustav von Wangenheim

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. August 2016 um 11:37 Uhr durch Akademie der Künste Berlin (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblinks: Ergänzung des Weblinks zur Archivdatenbank der Akademie der Künste, Berlin). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Datei:Gustav von Wangenheim Danton.jpg
Gustav von Wangenheim in „Schatten“, 1923
Datei:Gustav von Wangenheim.jpg
Gustav von Wangenheim in „Die heilige Johanna“ (Bischof Couchon)
Privatarchiv
Gustav von Wangenheim mit Käthe Dorsch (1946)

Ingo Clemens Gustav Adolf Freiherr von Wangenheim (* 18. Februar 1895 in Wiesbaden; † 5. August 1975 in Ost-Berlin) war ein deutscher Schauspieler, Regisseur und Dramaturg sowie Gründungsmitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD).

Biografie

Er war der Sohn des Schauspielers Eduard von Winterstein (eigentlich Eduard Clemens Freiherr von Wangenheim) und der jüdischen Schauspielerin Minna Mengers. Nachdem seine Mutter sich das Leben genommen hatte, als Gustav von Wangenheim nur vier Jahre alt war, heiratete sein Vater die ebenfalls jüdische Schauspielerin Hedwig Pauly. Ab 1912 besuchte er die Schauspielschule Max Reinhardts. Es folgten Bühnenengagements in Wien, Darmstadt und Berlin. Bereits 1916 gab er sein Spielfilmdebüt. Seine bekannteste Rolle ist die des Hutter in Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm-Klassiker Nosferatu, eine Symphonie des Grauens aus dem Jahr 1922. 1917 schrieb er ein Stück über die Oktoberrevolution „Der Mann Fjodor“, für das er im Juli 1918 einen Preis des „Jungen Deutschland“ bekam. Sein Verleger wurde Paul Cassirer. Hier bekam er Kontakt mit Kulturpolitikern aus der USPD, Leo Kestenberg und Schwarzkopfarbeitern und geriet in den Novembertagen 1918 in den Reichstag und in den „Rat geistiger Arbeiter“. Am 11. November 1918 trat er in die USPD ein. Neben seiner vielfältigen Berufsarbeit in Theater und Film, gründete er 1925 ein Arbeiter-Wander-Theater, die „Barbusse-Truppe“, gestützt auf den internationalen Bund der Kriegsopfer. Seine Dramatisierung des Romans „Feuer“ von Barbusse und die Szenen Herthys Lager von Andor Gabor führte er in Berlin und vielen anderen Städten Deutschlands auf. Dies und viele andere Stücke, Sketsche, Kurzszenen, Chorwerke für das Arbeitertheater führte er unter seinem Pseudonym Hans Huss auf. Seine Massenpantomime gegen den Krieg wurde 1924 bei der Generalprobe im Stadion Berlin-Lichtenberg von Severing verboten. In der ganzen Zeit wurde er dauernd zwischen seinem Berufsleben und seiner politisch-künstlerischen Tätigkeit in der Arbeiterbewegung hin und her gerissen. Er filmte gleichzeitig bei der Ufa als festengagierter „Star“. Er spielte in Filmrollen von Friedrich Wilhelm Murnau, Fritz Lang, Ernst Lubitsch und vielen anderen.

Zwischen 1928 und 1933 war er Gründer und Leiter der Truppe 1931, die aus der kommunistischen Zelle in der Künstlerkolonie Berlin entstand, mit Steffie Spira, Hans Meyer-Hanno und dessen Frau Irene als Pianistin, mit Arthur Koestler und Theodor Balk als hilfreichen Genossen, die die Texte bearbeiteten. Sie spielten seine Stücke Mausefalle (Angestelltenproblem, Monopolkapitalismus, Frage der Persönlichkeit), „Hier liegt der Hund begraben“ (National-Frage Deutschlands, Landsknechte des Monokapitals in China), und „Wer ist der Dümmste“? (Kampf gegen den Formalismus in der Kunst). Die Truppe 1931 tourte mit großem Erfolg durch Deutschland und die Schweiz. Am 4. Februar 1933 war ihre letzte Premiere in Berlin. Nach der Großrazzia in der Künstlerkolonie Berlin am 15. März 1933 löste sich die Gruppe auf.

1933 emigrierte der überzeugte Gegner des Nationalsozialismus von Wangenheim, der bereits 1922 KPD-Mitglied geworden war, über Paris in die Sowjetunion. Im Exil schrieb und drehte er unter anderem den Film Kämpfer, in dem es um den Reichstagsbrandprozess und Georgi Dimitroff ging. Der Film wurde kurz nach der Fertigstellung von Stalin verboten, zahllose Mitwirkende verhaftet und erschossen. Gleichzeitig leitete er gemeinsam mit Arthur Pieck die Theatergruppe „Kolonne Links“, schrieb Essays und Stücke u. a. über Maxim Gorki und arbeitete für den Moskauer Rundfunk, verschiedene Verlage und war Mitglied der von Johannes R. Becher geleiteten Gruppe des deutschen Schriftstellerverbandes, des Sowjetschriftstellerverbandes und Gewerkschaftsmitglied. Sein Stück „Die Friedensstörer“ wurde in Moskau, im Theater „Len-Sowjet“, im „Gorki- Theater“ in Rostow am Don und vielen Theatern der Sowjetunion aufgeführt. Nachdem Gustav von Wangenheim von den Nationalsozialisten in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, nahm er 1940 schließlich die sowjetische Staatsbürgerschaft an. Bei Kriegsausbruch begann er für die 7. Politische Abteilung der Roten Armee zu arbeiten. Er entwarf Flugblätter, besprach Platten für die Front die über Lautsprecher ausgestrahlt wurden. 1941 wurde er für zwei Jahre nach Taschkent evakuiert. Im Juni 1943 konnte er nach Moskau zurückkehren und seine Arbeit fortsetzen. Bei der Gründung des NKFD gehörte Wangenheim zu den Gründungsmitgliedern aus der Gruppe der Emigranten. Wenig später wurde er Leiter eines Ressorts beim Sender Freies Deutschland des NKFD in Moskau. Bevor er schließlich 1945 als einer der ersten Emigranten nach Deutschland zurückkehren konnte.

Im Jahr 1936, während seiner Moskauer Jahre, denunzierte er im Rahmen der stalinschen Säuberungen Carola Neher und ihren Mann Anatol Becker als Trotzkisten.[1] Beide wurden am 25. Juli des Jahres verhaftet. Anatol Becker wurde 1937 als „Trotzkist“ hingerichtet, Carola Neher zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Nach fünf Jahren Haft starb sie im Lager Sol-Ilezk bei Orenburg an Typhus. Von Wangenheims Sohn wies die, auf von Reinhard Müller publizierten Dokumenten basierende Position, sein Vater habe Carola Neher und ihren Mann als Trotzkisten denunziert, später als einseitig und unzutreffend zurück.[2][3]

Nach seiner Rückkehr war von Wangenheim ab September 1945 für wenige Monate Intendant des von ihm wiedereröffneten Deutschen Theaters Berlin. Die ersten Inszenierungen am Deutschen Theater von Wangenheims „Nathan“, „Hamlet“ oder „Gerichtstag“ wurden in der Berliner Öffentlichkeit gefeiert. Von Wangenheim habe die große Tradition Max Reinhardts wieder aufgenommen. Parallel kämpften die Mitglieder des Ensembles und der Intendant des Deutschen Theaters um die Freilassung von Gustaf Gründgens aus dem Internierungslager in Jamlitz. Gründgens wurde vorgeworfen, mit den Nationalsozialisten kooperiert zu haben. Vor allem von Wangenheim, aber auch Ernst Busch und viele andere Künstler setzten sich für die politische Rehabilitierung Gründgens ein. Am 9. März 1946 kehrte Gründgens nach Berlin zurück und fuhr direkt zu von Wangenheim. Er wurde wieder Schauspieler am Deutschen Theater. Beide kannten sich aus der Hamburger Zeit der 1920er Jahre. Am 29. Mai 1946 wurde zum ersten Mal ein sowjetisches Stück am Deutschen Theater gespielt. „Stürmischer Lebensabend“ von Leonid Rachmanow. Es wurde zu einer Niederlage für die sowjetische Militäradministration. Gustav von Wangenheim bat danach um seine Entbindung von seinen Pflichten als Intendant. Es war eine „unfromme Lüge“.[4] Er selbst hat Zeit seines Lebens nie verstanden, warum er abgesetzt wurde und von seinem Lebensberuf als Schauspieler und Regisseur von einer deutschen Bühne ausgeschlossen wurde. Während von Wangenheims Auftritte in Filmen in den Nachkriegsjahren rar wurden, arbeitete er weiterhin als Regisseur und Drehbuchautor für die DEFA. Unter seiner Regie entstand der Film „Und wieder 48“, der sich mit der Märzrevolution von 1848 auseinandersetzt. Für sein künstlerisches Schaffen, besonders für sein Stück „Du bist der Richtige“, das er für die Eröffnung des neu gegründeten Theater der Freundschaft, dem heutigen Theater an der Parkaue geschrieben hatte, wurde er mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.

Gustav von Wangenheim war mit der Schauspielkollegin und Schriftstellerin Inge von Wangenheim verheiratet und ist Vater des Schauspielers und Bühnenautors Friedel von Wangenheim und den Zwillingen Elisabeth und Eleonora von Wangenheim.

Er wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beerdigt.

Filmografie

als Schauspieler, wenn nicht anders angegeben:

Schriften

  • Der Mann Fjodor. Berlin 1917.
  • Der Lausbub Franz
  • Chor der Arbeit. Vereinigung internationaler Verlagsanstalten, Berlin 1924.
  • Mausefalle. Berlin 1931
  • Wer ist der Dümmste? . Berlin 1931
  • Helden im Keller. Staatsverlag der nationalen Minderheiten in der USSR, Kiew 1935.
  • Die Friedensstörer. Moskau
  • Olympisches Ziel: Erzählung. Meshdunarodnaja kniga, Moskau 1940.
  • Studentenkomödie: Mit der Zeit werden wir fertig. Neues Leben, Berlin 1958.
  • Im Kampf geschrieben: Drama, Prosa, Lyrik. Tribüne, Berlin 1962.
  • Da liegt der Hund begraben und andere Stücke: aus dem Repertoire der „Truppe 31“. Rowohlt, Reinbek 1974.
  • Fährmann, wohin? Erzählungen und Novellen. Tribüne, Berlin 1977 (Erstveröffentlichung: Meshdunarodnaja Kniga, Moskau 1941).

Stücke

  • Du bist der Richtige, Komödie, UA: 26. Mai 1950 Theater der Freundschaft, Berlin
  • Wir sind schon weiter, UA: 29. Juni 1951 Theater der Freundschaft, Berlin

Literatur

  • Wangenheim, Gustav von. In: Lexikon sozialistischer deutscher Literatur. Von den Anfängen bis 1945. Monographisch-biographische Darstellungen. Bibliographisches Institut, Leipzig 1964, S. 518-521.
  • Helga Gallas: Zur Brecht-Lukács-Kontroverse. Bemerkungen zum Beitrag Anders/Klobusicky und zu Lukács' Wangenheim-Kritik. In: alternative. 15. Jg. 1972, Heft 84/85, S. 121–123.
  • Rainhard May, Hendrik Jackson (Hrsg.): Filme für die Volksfront. Erwin Piscator, Gustav von Wangenheim, Friedrich Wolf – antifaschistische Filmemacher im sowjetischen Exil. Stattkino Berlin, Berlin 2001, ISBN 3-00-007540-2.
  • Wangenheim, Gustav von. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Karl Dietz, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02130-6.
  • Laura von Wangenheim: In den Fängen der Geschichte. Inge von Wangenheim. Fotografien aus dem sowjetischen Exil. 1933–1945. Rotbuch-Verlag, Berlin 2013, ISBN 3-86789-190-7.
  • Günther Rühle: Theater in Deutschland 1945-1966. Seine Ereignisse - seine Menschen. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-001461-0.

Weblinks

Commons: Gustav von Wangenheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Reinhard Müller: Menschenfalle Moskau. Exil und stalinistische Verfolgung. Hamburger Edition, Hamburg 2001, ISBN 3-930908-71-9.
  2. Von Wangenheims Sohn gab an, sein Vater habe, selbst von der NKWD verhaftet und „monarchistischer Umsturzpläne“ bezichtigt, nach ausdauernden Verhören lediglich ein Protokoll unterschrieben, das Carola Neher als „antisowjetisch eingestellt“ belastete. Den Vorwurf, Neher und ihr Mann, Anatol Becker, hätten die Ermordung Stalins geplant, habe von Wangenheim indessen ausdrücklich zurückgewiesen. Vgl. Friedel von Wangenheim: Mein Vater Gustav Frhr. v. Wangenheim und der Fall der Schauspielerin Carola Neher. In: Wangenheim Nachrichten. Nr. 25, vom Dezember 1998, ZDB-ID 2303658-8.
  3. Gerade die vorliegenden Dokumente, soweit sie in den Publikationen Reinhard Müllers abgedruckt sind, lassen die Vorwürfe gegen von Wangenheim höchst zweifelhaft erscheinen. Konkret verurteilt wurde Carola Neher, laut abgedrucktem Gerichtsurteil, wegen eines angeblichen Botendienstes für Erich Wollenberg, „indem sie von ihm einen direktiven Brief den Mitgliedern der konterrevolutionären Terrororganisation Moskau lieferte.“ Im Protokoll der Vernehmung von Wangenheims durch den NKWD spielt diese Anschuldigung keine Rolle. Schon deshalb nicht, weil dieser Brief von Wangenheim, jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Vernehmung, nicht bekannt gewesen sein dürfte. In der Anklageschrift Carola Nehers, ebenfalls abgedruckt im Anhang der Säuberung, herausgegeben von Reinhard Müller, taucht, neben dem genannten Botendienst, nur der Vorwurf des Betrugs im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in der KPD auf. Als Zeugen sind aufgeführt Anatol Becker, sowie Hermann Taubenberger und Abram Rosenblum.
  4. Günther Rühle: Theater in Deutschland, 1945-1966. S. Fischer, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-001461-0, Seite 86.