Hansel-Fingerhut-Spiel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. Februar 2016 um 12:16 Uhr durch Chronist 47 (Diskussion | Beiträge) (ergänzungen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Hansel Fingerhut und Nudelgret als Brunnenfiguren

Das Hansel-Fingerhut-Spiel im pfälzischen Winzerdorf Forst an der Weinstraße ist ein Historienspiel mit jahrhundertelanger Tradition. Die eintägige Veranstaltung findet jährlich am Sonntag Laetare, der drei Wochen vor Ostern liegt, im Rahmen eines Frühlingsfestes statt.

Geographie

In der Weinbauregion beiderseits der Deutschen Weinstraße gibt es zahlreiche Volksfeste mit historischem Bezug. Überregional bekannt sind z. B. die Geißbockversteigerung in der Kleinstadt Deidesheim, die Forst benachbart ist, das Eselshautfest im nahegelegenen Neustadt-Mußbach und der Billigheimer Purzelmarkt in der südpfälzischen Gemeinde Billigheim-Ingenheim.

Charakteristik

Hansel-Fingerhut-Brunnen

Über das Thema Frühlingsfest hinaus besitzt das Hansel-Fingerhut-Spiel Elemente von alten Fastnachtsbräuchen. Es verbindet ein allgemeines Volksfest mit dem Austreiben des Winters, das auf der Hauptstraße des Dorfes zwischen den Skulpturen des Nördlichen und des Südlichen Ungeheuers eineinhalb Stunden lang als eine Kette von öffentlichen Aufführungen dargeboten wird. Die Darsteller tragen dabei Kostüme, wie sie auch bei der alemannischen Fasnet vorkommen.[1]

Hauptdarsteller des Spiels mit überkommenen gereimten Texten ist Hansel Fingerhut, dessen Narrengewand aus bunten Flicken an die Blumenfarben des Frühlings erinnert. Mit rußgeschwärztem Gesicht ist er aber auch bestrebt, junge Mädchen in der vordersten Reihe der Zuschauer zu küssen und ihre Wangen mit den schwarzen Abdrücken seiner Zudringlichkeiten zu zeichnen. Seine Spielpartnerin ist die Nudelgret, die eine Perücke mit zwei blonden Zöpfen trägt, weitere Rollen haben der Scherer und Henrich-Fähnrich sowie zwei in spitzen Strohkegeln verborgene Mitspieler, die sich als Sommer und Winter bekämpfen.[2]

Hansel Fingelhut und Nudelgret sind als Bronzeskulpturen auf dem Hansel-Fingerhut-Brunnen in der Nähe des südlichen Ortseingangs dargestellt. Den Brunnen schuf im Jahr 2003 der Bildhauer Franz Leschinger aus Lug (Pfalz).[3]

Geschichte

Die Ursprünge des Hansel-Fingerhut-Spiels reichen etwa 350 Jahre zurück und werden auf alemannische Neubürger aus dem schweizerischen und südbadischen Raum zurückgeführt. Sie wurden von den damaligen Landesherren in die Kurpfalz geholt, weil diese durch den Dreißigjährigen Krieg großenteils entvölkert war. Ihre Fastnachtsbräuche, von denen beispielsweise der Narrensprung der Narrenzunft Rottweil deutschlandweit bekannt geworden ist, brachten sie mit und integrierten sie in das vorgefundene Brauchtum.[1] Erstmals belegt ist die Aufführung des Spiels in Forst für das Jahr 1721.[2]

Literarische Bearbeitung

Der in Heidelberg geborene und in Lustadt lebende Schriftsteller Paul Ginthum (1894–1959) hat das Hansel-Fingerhut-Spiel literarisch bearbeitet.[4] In seiner Fassung wurde das Spiel erstmals 1923 in der südpfälzischen Stadt Landau aufgeführt.[5]

Literatur

  • Viktor Carl: Die Pfalz im Jahr. Eine pfälzische Volkskunde. Verlag Pfälzer Kunst Dr. Hans Blinn, Landau i. d. Pfalz 1986, ISBN 3-922580-22-X.

Einzelnachweise

  1. a b Roland Happersberger: Hansel Fingerhut und der Strohwisch. In: Die Rheinpfalz, Freizeitmagazin LEO. Ludwigshafen 15. März 2012.
  2. a b Ortsgemeinde Forst: Hansel-Fingerhut-Fest in Forst/Pfalz. Abgerufen am 15. März 2012.
  3. Michael Ohmsen: Hansel-Fingerhut-Brunnen in Forst. In: panoramio.com. 31. Mai 2010, abgerufen am 16. März 2012.
  4. Paul Ginthum: Pfälzer Sagen und Balladen. Mit Originallithographien von Otto Dill, Albert Haueisen und Adolf Keßler. Verlag Daniel Meininger, Neustadt a. d. Weinstr. 1984, ISBN 3-87524-038-3.
  5. Lätare – Umzug in Landau am Sonntag, 15. März 2015. landau.de, 5. März 2015, abgerufen am 29. Februar 2016.