Horatio S. Greenough

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Horatio Saltonstall Greenough (* 11. Mai 1845 in Bad Gräfenberg, heute Lázně Jeseník; † 2. April 1916 in Neuilly-sur-Seine) war ein US-amerikanischer Zoologe und Initiator des nach ihm benannten Greenough-Typs der Stereomikroskope.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Geburtsort Bad Gräfenberg – heute in Tschechien gelegen – gehörte damals zu Österreichisch-Schlesien. Seine Eltern stammten aus Boston im US-amerikanischen Bundesstaat Massachusetts. Der Vater Horatio Greenough (1805–1852) war der erste bedeutende Bildhauer der USA. Die Mutter war Louisa (Eliza) Ingersoll Gore (1812–1891). Beide lebten einige Jahre in Florenz, um die Bildhauerkunst der Antike und Renaissance zu studieren. Zur Erholung weilten sie mehrfach in der von Vincenz Prießnitz betriebenen Wasserkur-Heilanstalt in Bad Gräfenberg, wo ihr Sohn Henry Saltonstall, der spätere Horatio S. Greenough, geboren wurde. Während der ersten Lebensjahre musste die Familie gesundheitliche Probleme durchstehen. Erst im Oktober 1851 kam Henry mit seinen Eltern und seinen jüngeren Geschwistern Mary Louise (1847–1854) und Charlotte (1850–1919) in die USA. Ein Jahr darauf starb der Vater. Henry erhielt nun von seiner Mutter die Vornamen des Vaters und eines Onkels: Horatio Saltonstall.

Da die Familie in Cambridge bei Boston in der Nähe der Harvard University wohnte, lernte Henry, alias Horatio Saltonstall, Hochschullehrer wie den Zoologen Louis Agassiz kennen, die sein Interesse für Naturwissenschaften und besonders für Zoologie weckten. Über seine Schulzeit und ersten Studienjahre in Europa gibt es keine gesicherten Quellen. Es ist bekannt, dass er 1866 vermutlich mit einem Schulabschluss nach Boston zurückkehrte und Kurse am Massachusetts Institute of Technology (MIT, damals Boston Tech) in verschiedenen Fächern belegte (Bauingenieurwesen, Chemie, Mineralogie, Astronomie, Experimentalphysik u. a.), jedoch ohne Abschluss. Danach arbeitete er als Bankangestellter und Immobilienverkäufer.

Ab 1886 lebte Horatio S. Greenough in Paris. Er bildete sich dort zunächst in Histologie weiter, studierte verschiedene marine Organismen an der Atlantikküste und verbesserte optische Instrumente.

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Horatio S. Greenough gründete im Jahr 1883 zusammen mit dem Astronomen Percival Lowell und dessen Bruder und späteren Präsidenten der Havard-Universität Abbott Lawrence Lowell den Mathematical and Physical Club in Boston, in dem sich Wissenschaftler der Havard-Universität um den drei Jahre zuvor verstorbenen Mathematiker und Astronomen Benjamin Peirce versammelten. Mit A. Lawrence Lowell war Horatio S. Greenough lebenslang freundschaftlich verbunden.

Das Hauptinteresse von Horatio S. Greenough galt jedoch der Zoologie. Im Sommer 1885 weilte er in Cotuit, einem Ortsteil von Barnstable auf der Halbinsel Cape Cod. Seine dortigen Beobachtungen beschrieb er in seiner 1886 erschienenen ersten wissenschaftlichen Publikation „Observations on Young Humming-Birds“ in The American Naturalist.[1]

Von 1887 bis 1889 arbeitete er im histologischen Labor bzw. studierte am staatlichen französischen Naturkundemuseum Muséum national d’histoire naturelle (MNHN). 1889 war er Student bei C. H. Georges Pouchet (1833–1894), Professor für vergleichende Anatomie am MNHN. Hier lernte er Zusatzgeräte für die Mikroskopie und bei Laurent Chabry (1855–1894) die für seine entscheidenden Leistungen wichtige Arbeitsweise kennen: dass der Experimentator in der Lage sein soll, seine Instrumente zu modifizieren und gelegentlich auch selbst zu konstruieren. Die Ideen von Laurent Chabry führten ihn zu seinem Prototyp des Kapillarrotators, der ihm erlaubte, frühe Entwicklungsstadien mariner Organismen um eine Achse zu drehen und durch ein monokulares Mikroskop mit hoher Vergrößerung zu beobachten. Seine eigene Idee des Prismenrotators ermöglichte ein Beobachten größerer Organismen bei schwacher Vergrößerung, ohne sie mechanisch fassen oder bewegen zu müssen.

Im Jahr 1892 wandte sich Horatio S. Greenough brieflich an den Physiker Ernst Abbe, Firma Carl Zeiss, mit dem Wunsch nach einem zweirohrigen Mikroskop, das das Objekt raumgetreu abbildet. Nach einem persönlichen Treffen in Jena im Jahr 1893 wurde ein erster Prototyp des Greenough-Mikroskops in Jena gefertigt und ihm 1894 nach Paris zugesandt. Die Firma Zeiss galt als führend in der Fertigung von Mikroskopen.

Ernst Abbe war als Professor an der Jenaer Universität und wegen der wissenschaftlich fundierten Fertigung von Mikroskopen weltbekannt. So war Abbe als Wissenschaftler in der Lage, das Konzept von Horatio S. Greenough nicht nur zu verstehen und weiterzuentwickeln, sondern als Geschäftsführer und Mitinhaber der Firma Zeiss war er auch in der Position, die technische Entwicklung für diesen neuen Mikroskoptyp zusammen mit seinem persönlichen Assistenten Siegfried Czapski zu bewirken.[2][3]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Horatio S. Greenough: Observations on Young Humming-Birds. In: The American Naturalist. Band 20, Nr. 6. The University of Chicago Press for The American Society of Naturalists, Juni 1886, S. 528–532, JSTOR:2450365.
  2. H. Braus, L. Drüner: Ueber ein neues Präpariermikroskop und über eine Methode grössere Tiere in toto histologisch zu konservieren. In: Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Band 29. Jena 1895, S. 440–441.
  3. Siegfried Czapski, W. Gebhardt: Das stereoskopische Mikroskop nach Greenough und seine Nebenapparate. Mitteilung aus der optischen Werkstätte von Carl Zeiss in Jena. In: Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie und für mikroskopische Technik. Band 14, 1897, S. 289–312.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Horatio Saltonstall Greenough: Observations sur les larves d’oursin. In: Bulletin de la Société zoologique de France. Band 16, 1891, S. 239.
  • Horatio Saltonstall Greenough: Sur les homologies des premières stades suivant la segmentation chez les batraciens. In: Bulletin de la Société zoologique de France. Band 17, 1892, S. 57–59.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Klaus Sander: An American in Paris and the origin of the stereomicroscope. In: Roux's Archives a century in Developmental Biology. Band 203, 1994, S. 235–242.
  • Klaus Sander, Karl Peter Ohly: Horatio S. Greenough, Initiator des Stereomikroskops. In: Armin Geus, Thomas Juncker, Hans-Jörg Rheinberger, Christa Riedle-Dohrnm, Michael Weingarten (Hrsg.): Repräsentationsformen in den biologischen Wissenschaften. Beiträge zur 5. Jahrestagung der DGGTB in Wien 1996 und zur 7. Jahrestagung in Neuburg a. d. Donau 1998. VWB-Verlag, Berlin 1999, S. 245–248.
  • Berndt-Joachim Lau, R. Jordan Kreindler: Who was Horatio Saltonstall Greenough? (pdf;2,5 MB) Part 1. In: Microscopy-UK. Februar 2018, abgerufen am 3. Mai 2020.
  • Berndt-Joachim Lau, R. Jordan Kreindler: Who was Horatio Saltonstall Greenough? (pdf; 3,9 MB) Part 2. In: Microscopy-UK. Januar 2019, abgerufen am 3. Mai 2020.
  • Berndt-Joachim Lau, R. Jordan Kreindler: Who was Horatio Saltonstall Greenough? (pdf; 3 MB) Part 3. In: Microscopy-UK. März 2020, abgerufen am 26. März 2022.
  • Berndt-Joachim Lau, R. Jordan Kreindler: Who was Horatio Saltonstall Greenough? (pdf; 3,8 MB) Part 4. In: Microscopy-UK. April 2021, abgerufen am 30. August 2021.
  • Berndt-Joachim Lau, R. Jordan Kreindler: Who was Horatio Saltonstall Greenough? (pdf; 2,5 MB) Part 5. In: Microscopy-UK. Februar 2023, abgerufen am 3. Mai 2023.
  • Berndt-Joachim Lau, R. Jordan Kreindler: Who was Horatio Saltonstall Greenough? (pdf; 2,5 MB) Part 6. In: Microscopy-UK. März 2024, abgerufen am 16. März 2024.
  • Anna Simon-Stickley: Image and Imagination of the Life Sciences. The Stereomicroscope on the Cusp of Modern Biology. In: NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin. Band 27, 6. Mai 2019, S. 109–144, doi:10.1007/s00048-019-00211-0.