Hozan Canê

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Hozan Canê (2018)

Hozan Canê (* 1971 in Karayazı, Türkei, als Saide İnaç[1]) ist eine deutsche[2] Filmemacherin und Sängerin. Sie ist für ihre Beiträge zur kurdischen Musik bekannt.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Canê wurde im Alter von zwölf Jahren zwangsverheiratet und brachte mit 13 Jahren das erste ihrer drei Kinder zur Welt.[3] Anfang der 1990er-Jahre zog sie zu ihrer Schwester nach Istanbul.[3] Sie trat als Sängerin auf und sang Lieder in kurdischer Sprache. Da dies zur Verfolgung durch türkische Behörden führte, beantragte sie in Deutschland Asyl.[3] Sie lebte zuletzt mit ihrer Tochter Dilan Örs in Köln.[4][5]

Canê betätigte sich auch als Filmemacherin. Sie schrieb das Drehbuch und führte Regie bei 74th Genocide Sengal. Der Film handelt von der Verfolgung der Jesiden durch den Islamischen Staat im Shingal-Gebirge. Sie wirkte bei dem Film auch als Schauspielerin mit.[6] Der Film wurde 2016 in Köln und auch auf den Festivals in Cannes und Monaco gezeigt.[3]

Verhaftung, Prozess und Inhaftierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Canê wurde kurz vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei 2018 in Edirne verhaftet, wo sie eine Wahlkampfveranstaltung der prokurdischen Partei HDP unterstützt hatte. Sie wurde von einem türkischen Gericht am 14. November 2018 wegen Mitgliedschaft in der als terroristisch eingestuften Organisation PKK zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft begründete die Anklage unter anderem mit ihren Einträgen auf Facebook und einem Foto, auf dem sie mit Murat Karayilan, einem Führer der PKK, zu sehen ist.[2] Ihre Tochter erklärte im Anschluss an ihre Festnahme, dass auf Facebook immer wieder Fake-Accounts von Hozan Canê angelegt würden und dass man dagegen nun gerichtlich vorgehen wolle.[6] Ihre Anwältin Newroz Akalin sagte nach der Verurteilung, dass das Foto mit Murat Karayilan bei der Pressekonferenz vom 23. April 2013 entstanden sei, die als Beginn für den ihr folgenden Friedensprozess gilt. Verschiedene Journalisten seien an der Pressekonferenz anwesend gewesen und niemand sei daraufhin wegen Mitgliedschaft in der PKK angeklagt worden.[3]

Nachdem Hozan Canê im April 2019 bis zum Antritt ihrer Strafe freigelassen worden war, reiste ihre Tochter Dilan Örs aus Köln nach Istanbul, um ihre Mutter zu besuchen. Dabei wurde sie am 24. Mai 2019 ebenfalls festgenommen, anschließend wieder freigelassen und mit einer Ausreisesperre belegt.[7][8] Grund hierfür ist, dass Örs im Jahr 2012 in Köln an einer Aktion einer PKK-nahen Gruppierung beteiligt gewesen sein soll. Örs wurde im September 2019 in Edirne erneut verhaftet, weil sie trotz einer Ausreisesperre gegen sie versucht haben soll, die Grenze zu übertreten.[9]

Am 16. September 2019 verurteilte ein Gericht im westtürkischen Edirne Hozan Canê wegen Präsidentenbeleidigung zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten.[10] Anlass war nach Angaben ihrer Anwältin eine Karikatur über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf einer unter ihrem Namen geführten Facebook-Seite. Am 30. September 2020 wurde Canê überraschend aus der Haft entlassen, sie durfte aber bis zur Fortsetzung ihres Prozesses die Türkei zunächst nicht verlassen.[11] Im Juli 2021 wurde die Ausreisesperre aufgehoben, Hozan Canê reiste daraufhin aus der Türkei aus.[12]

Bei einer Neuverhandlung ihres Falls im August 2020 ordneten die Richter die Fortsetzung der Untersuchungshaft an. Sie kamen damit der Forderung der Staatsanwaltschaft nach. Zur Verhandlung waren auch Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Istanbul sowie der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, angereist. Nach Schwabes Einschätzung wurde die deutsche Staatsbürgerin Hozan Canê von der türkischen Justiz „definitiv“ nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt. Canês Tochter durfte die Türkei im Juni 2021 verlassen.,[13] Der Prozess gegen Hozan Canê sollte im September 2020 fortgeführt werden,[14][15] dies wurde aber am 3. September auf den 20. Oktober verschoben, da noch ein gerichtsmedizinisches Gutachten fehle.[16]

Im Oktober 2021 wurde Hozan Canê wegen Terrorunterstützung zu drei Jahren und dreieinhalb Monaten Haft verurteilt. Ihre Anwältin kündigte an, Berufung einzulegen.[12]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diskografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rê Waye, lê lê lê Dayê, Ataman Music
  • Hozanê Kurdî
  • Eşqa Welat, Kom Muzîk, Germany, 2000.[17]
  • Wezîrê Min, D&D Sound Production GbR.
  • Dîlana Dila, Mîr Muzîk, 2005.
  • Vegere, Kom Muzîk and Play Sound, France, 2006.[18]
  • Evîn
  • Gula Ciya
  • Avazê Hüneri

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://jiyan.dk/2018/09/sanger-beder-merkel-om-hjaelp/
  2. a b Deutsch-kurdische Sängerin in Türkei wegen Terrorvorwürfen verurteilt. In: FAZ. 14. November 2018, abgerufen am 30. Juni 2019.
  3. a b c d e Haftstrafe für kurdische Sängerin. In: gazete.taz.de. 15. November 2018, abgerufen am 30. Juni 2019.
  4. Sängerin Hozan Canê muss in Türkei sechs Jahre in Haft. In: derStandard.at. 14. November 2018, abgerufen am 30. Juni 2019.
  5. Die deutsche Sängerin Hozan Canê in der Türkei - Verhaftet, verurteilt und vergessen? Abgerufen am 15. April 2020 (deutsch).
  6. a b Hozan Cane - Verhaftet wegen eines Films? In: Deutsche Welle. 29. Juni 2018, abgerufen am 27. November 2018.
  7. Kölnerin am Flughafen von Istanbul festgenommen. In: Kölner Stadtanzeiger. 26. Mai 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  8. Uli Kreikebaum: Kölner Adil Demirci darf aus der Türkei ausreisen. In: Kölner Stadtanzeiger. 14. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  9. Bewährungsstrafe für bereits verurteilte Kölner Sängerin in der Türkei. In: derStandard.de. Abgerufen am 15. April 2020.
  10. Cane erneut in der Türkei verurteilt. In: neues-deutschland.de. Abgerufen am 18. September 2019.
  11. Kölner Sängerin darf Gefängnis in der Türkei vorzeitig verlassen. In: Der Spiegel, 1. Oktober 2020.
  12. a b Kölner Sängerin in der Türkei zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. In: Zeit. 18. Oktober 2021, abgerufen am 18. Oktober 2021.
  13. Gönül Örs ist nach türkischem Gefängnisurteil wieder in Köln. In: Spiegel Online, 9. Juli 2021.
  14. Türkisches Gericht lehnt Freilassung von Kölner Sängerin ab. In: Zeit Online, 6. August 2020.
  15. Kölnerin bleibt in türkischer Haft. In: tagesschau.de, 6. August 2020.
  16. Daniel Heinrich: Türkei: Kölner Sängerin weiter im Gefängnis. In: dw.com. 3. September 2020, abgerufen am 18. Februar 2024.
  17. Eşqa Welat, Kom Muzîk. Archiviert vom Original am 20. August 2008; abgerufen am 25. Juli 2018.
  18. Vegere. Archiviert vom Original am 28. August 2008; abgerufen am 25. Juli 2018.