Ivo von Chartres

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Ivo von Chartres, französisch Yves de Chartres (* um 1040 vermutlich in Chartres; † 23. Dezember 1115 in Chartres) war ein französischer Kirchenreformer und Bischof von Chartres. Er wird als Heiliger verehrt.

Ivo studierte vielleicht in der Abtei von Bec, wo er wohl Schüler Lanfrancs und Kommilitone Anselms gewesen sein soll, die beide später Erzbischöfe von Canterbury wurden.

Als erster Abt leitete er das 1067 gegründete Chorherrenstift St. Quentin in Beauvais. Schließlich wurde er 1090 zum Bischof von Chartres gewählt, von König Philipp I. von Frankreich investiert und von Papst Urban II. in Rom geweiht. Als er sich weigerte, die Ehe des französischen Königs zu scheiden, der Bertrade von Anjou heiraten wollte, wurde er verfolgt und 1092 gefangen genommen. Erst auf Druck Papst Urbans II. wurde Ivo freigelassen. König Philipp wurde zwischen 1095 und 1104 mehrfach exkommuniziert.

Im Investiturstreit vertrat Ivo eine moderate Position, die auch auf seinen Ideen beruhende Lösung des Streits durch das Wormser Konkordat 1122 erlebte er jedoch nicht mehr.

Ivo gilt als wichtiger Wegbereiter der klassischen Entwicklung der hochmittelalterlichen Scholastik und Kanonistik.

Der Zeitpunkt seiner Heiligsprechung ist unbekannt, sein Gedenktag ist der 23. Dezember.

Ivos Briefe

Bereits in St. Quentin und vor allem als Bischof von Chartres schrieb Ivo sehr zahlreiche Briefe, von denen knapp 300 erhalten sind. Einzelne Briefe und Sammlungen derselben zirkulierten bereits zu seinen Lebzeiten in Frankreich, aber auch England, Deutschland und Italien. Vermutlich kurz nach seinem Tod wurden zwei große Sammlungen angelegt, in denen beinahe alle heute bekannten Briefe enthalten sind und die im Laufe des 12. Jahrhunderts sehr häufig abgeschrieben wurden. Bis heute haben sich etwa 150 mittelalterliche Abschriften erhalten; Ivos Briefsammlung ist damit eine der am weitesten verbreiteten des gesamten Mittelalters. Die erhaltenen Briefe behandeln sehr unterschiedliche Themen, u.a. Ivos Urteile und Meinungen zu den Ehen verschiedener Adeliger, zum Verständnis der Eucharistie und immer wieder zu verschiedenen umstrittenen Bischofswahlen.

Vier Ivo von Chartres zugeschriebene Sammlungen

Allgemein

Nach dem Tod von Gregor VII. versuchte Ivo von Chartres einen Mittelweg zu gehen zwischen den Forderungen der Gregorianischen Reform und dem vorhergehenden Kirchenrecht.

1. Collectio Tripartita A

Die Tripartita besteht aus drei Teilen (daher der moderne Name). Die ersten beiden Teile werden zusammen als "A" bezeichnet; sie um das Jahr 1094 kompiliert worden und damit deutlich älter der "B" genannte dritte Teil der Sammlung (siehe unten). Teil A ist in weiten Teilen chronologisch geordnet und enthält echte und falsche Papstbriefe und Konzilsbeschlüsse (v.a. aus Pseudoisidor), Auszüge aus Vätertexten sowie römisches und fränkisches Recht. Ivos Autorschaft ist nicht gesichert.

2. Decretum

Entstand um 1094. In 17 Bücher mit 3760 Kapiteln gegliedert und umfasst nahezu das gesamte Gebiet des kanonischen Rechts. Die Texte werden von Dekretalen, Konzilien, Kirchenvätern und den christlichen Kaisern genommen. Es hängt vom Dekret des Burchard von Worms, der Tripartita A (s.o.) und zahlreichen kleineren Sammlungen ab. Ivo fügte viele patristische Texte in seine Sammlung ein, die sich in keiner früheren Kirchenrechtssammlung finden. Besonders sorgfältig ausgearbeitet sind die Bücher zu den Sakramenten.

3. Panormia

Auch Pannomia genannt, entstand nach 1095. Die Sammlung wurde seit dem 12. Jahrhundert oft Ivo zugeschrieben, seine Autorschaft ist aber nicht belegt. Besteht aus acht Büchern mit 1038 Kapiteln und ist im Wesentlichen eine gekürzte Version des Decretum Ivos. Sie war relativ kurz und ihre innere Ordnung gestattete das rasche Auffinden der gesuchten Stelle, inhaltlich enthielt sie den Stoff, der für die Praxis ausreichte. Sie fand deshalb größten Einfluss und weiteste Verbreitung. 1499 in Basel als Druck erschienen.

4. Collectio Tripartita B

Wie die Panormia ist die "Tripartita B" genannte Sammlung im Wesentlichen eine verkürzte Version von Ivos Decretum. Die Sammlung wurde nach 1095 angelegt und mit der Tripartia A zu einem Werk vereint; keine physisch vollständige Handschrift enthält nur Tripartita A oder nur Tripartita B, obwohl beide separat angelegt wurden und eine Zeit lang auch separat existiert haben müssen. Ivos Autorschaft ist nicht gesichert.

Literatur

  • Martin Brett, Urban II and the collections attributed to Ivo, in: Proceedings of the Eighth International Congress of Medieval Canon Law, San Diego, University of California at La Jolla, 21-27 August 1988, ed. S. Chodorow (MIC Series C: Subsidia 9), Città del Vaticano 1992, S. 27–46.
  • Péter Erdő: Die Quellen des Kirchenrechts. Eine geschichtliche Einführung. Frankfurt 2002, S. 98–100
  • Hans Erich Feine: Kirchliche Rechtsgeschichte. 4. Auflage, Köln und Wien 1964, S. 159
  • Christof Rolker: Canon Law and the Letters of Ivo of Chartres. Cambridge 2010.
  • Rolf Sprandel: Ivo von Chartres und seine Stellung in der Kirchengeschichte. (Pariser Historische Studien; 1). Hiersemann, Stuttgart 1962 (Digitalisat)
  • Klaus-Gunther Wesseling: Ivo (Ives, Yves) von Chartres. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 18, Bautz, Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7, Sp. 704–710.

Weblinks

Commons: Ivo von Chartres – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien