Kinder- und Jugendchirurgie

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Die Kinderchirurgie ist ein eigenständiges Fach im Gebiet der Chirurgie, welches die Diagnostik, operative und konservative Therapie wie Nachsorge von chirurgischen und urologischen Erkrankungen, Fehlbildungen, Organtumoren, Verletzungen und Unfallfolgen des Kindesalters einschließlich der pränatalen Chirurgie umfasst.

Die Kinderchirurgie ist ein Fach, das der Pädiatrie nahesteht.

Inhalt des Faches

Da es sich bei Kindern nicht um „kleine Erwachsene“ handelt, befassen sich Kinderchirurgen mit andersgearteten Problemen als Organchirurgen des Erwachsenenalters. Sie behandeln Patienten „von Kopf bis Fuß“ in einem sehr dynamischen Lebensabschnitt. Dabei müssen die Kinderchirurgen Kenntnisse von mehr Organsystemen haben als die einzelnen Organchirurgen. Allerdings ist die Variabilität der Krankheitsbilder innerhalb dieser Organsysteme im Kindesalter begrenzt und somit geht das Fach nicht ins Uferlose. Besonders wichtig sind Kenntnisse des Wachstums und der Reifung, sowie des Zusammenspiels der verschiedenen Organsysteme, um auch komplexe angeborene Fehlbildungen, sowie Erkrankungen mit besonderer Dynamik im Wachstumsalter behandeln zu können. Ebenfalls stellen die kleinen Patienten andere Ansprüche an Aufmerksamkeit und Umgang als erwachsene Patienten. Diese müssen ebenfalls angemessen berücksichtigt werden, um zu einem guten Behandlungsergebnis zu kommen.

Die häufigste Diagnose, die in der Kinderchirurgie behandelt wird, ist die Gehirnerschütterung. Weitere häufige Diagnosen sind Blinddarmentzündung, Leistenbruch, Unterarmbruch, sowie die Abklärung von Bauchschmerzen. Zu den häufigsten Operationen gehören Leistenbruchoperation, Einrichten von Knochenbrüchen (mit und ohne Metallstabilisierung), Blinddarmentfernung, Operationen an der Vorhaut, sowie die Hodenverlagerung.[1]

Der Facharzt für Kinderchirurgie

Um nach einem absolvierten Medizinstudium als Facharzt für Kinderchirurgie tätig zu werden, bedarf es in Deutschland und in der Schweiz einer sechsjährigen Weiterbildungszeit.

Facharzt für Kinderchirurgie in Deutschland

Für den genauen Modus der Facharztweiterbildung ist die jeweilige Landesärztekammer zuständig.

Nach neuer Weiterbildungsordnung erfolgt zunächst eine zweijährige Basisweiterbildung Chirurgie, die innerhalb des chirurgischen Gebietes in einem beliebigen Fach abgeleistet wird. Diese umfasst zwölf Monate innerhalb der Chirurgie und je sechs Monate in der Notfallaufnahme und auf einer Intensivstation. Sechs Monate innerhalb der Chirurgie können bei einem ambulant tätigen Chirurgen abgeleistet werden.

An die Basisweiterbildung schließt sich eine vierjährige kinderchirurgische Weiterbildung an, die zwölf Monate Kinder- und Jugendmedizin umfasst, von denen sechs Monate im Bereich der Intensivmedizin angerechnet werden können.

Weiterhin anrechenbar:

Ein Jahr der Weiterbildung darf bei einem niedergelassenen Arzt abgeleistet werden. Zur Zulassung zur Facharztprüfung muss zudem ein „OP-Katalog“ erfüllt werden.

Facharzt für Kinderchirurgie in der Schweiz

Die Facharztweiterbildung umfasst als fachspezifische Weiterbildung 3 Jahre Kinderchirurgie, und als nichtfachspezifische Weiterbildung 2 Jahre Chirurgie und 6 Monate Pädiatrie.[2]

Statistiken

  • Am 1. Januar 2001 waren in Deutschland 338 Fachärzte für Kinderchirurgie registriert, von denen 58 niedergelassen waren. 41 übten keine ärztliche Tätigkeit aus.
  • 2006 waren im Internet 98 kinderchirurgische Einrichtungen (Kliniken / Abteilungen) zu finden.[1]
  • 2013 gibt es 81 kinderchirurgische Kliniken, 32 Kinderchirurgen in chirurgischen oder pädiatrischen Einrichtungen und 94 kinderchirurgische Praxen oder MVZ[3]

Geschichte und Persönlichkeiten

  • 17. Jahrhundert Johannes Fatio (1649–1691), wahrscheinlich erster Chirurg mit systematischer Arbeit für Kinder[4]
  • 1700 Johann Andreas Eisenbarth („Doktor Eisenbarth“) führt eine Herniotomie an einem neunjährigen Jungen durch[4]
  • 1802 Am Hospital des Enfants Malades in Paris wird eine eigene kinderchirurgische Abteilung eingerichtet[4]
  • 1839 Jean Amussat führt die erste Operation einer Analatresie durch[4]
  • 1863 Einrichtung einer „Kinderheilanstalt“ in Nürnberg als älteste Kinderklinik in Deutschland, aus der später die Cnopf'sche Kinderklinik hervorging, benannt nach ihrem ersten Leiter Dr. Julius Cnopf. Wenig später wurden dort die ersten Operationen durchgeführt.[5]
  • 1882 Abteilung für Kinderchirurgie in Stuttgart[4]
  • 1884 Selbständige kinderchirurgische Abteilung Heidelberg[6]
  • 1889 Chirurgische Kinderabteilung in der Kinderklinik in Leipzig[7]
  • 1890 Eröffnung des Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhauses in Berlin-Wedding. 1.Medizinisches Kinderzentrum mit Pädiatrie und Kinderchirurgie unter einem Dach in Berlin.[8]
  • 1903 Erste kinderchirurgische Abteilung in Österreich
  • 1911 Conrad Ramstedt führt die erste Operation der hypertrophen Pylorusstenose an einem kleinen Jungen durch.[4]
  • 1941 Erste erfolgreiche Operation einer Ösophagusatresie durch Cameron Haight[9]
  • 1944 Erste Operation einer Fallot-Tetralogie (angeborener Herzfehler) durch Alfred Blalock[4]
  • 1946 Erste erfolgreiche Operation einer Zwerchfellhernie durch Robert Gross[4]
  • 1957 Gründung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kinderchirurgen in München[10]
  • 1963 Gründung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie[10]
  • 1966 Gründung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Kinderchirurgie[11]
  • 1971 1. Fortbildungsveranstaltung in Obergurgl[11]
  • 1985 Gründung der Gesellschaft für Kinderchirurgie der DDR
  • 1990 Aufnahme der ärztlichen Mitglieder der Gesellschaft für Kinderchirurgie der DDR in die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie

Fachgesellschaften

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie mit Sitz in Berlin vertritt die Kinderchirurgen Deutschlands als wissenschaftliche Fachgesellschaft. Ferner gibt es den Berufsverband der niedergelassenen Kinderchirurgen Deutschlands, in dem die ambulant tätigen Kinderchirurgen organisiert sind.

Auf internationaler Ebene gibt es die WOFAPS (World Federation of Associations of Pediatric Surgeons) als Dachverband der nationalen kinderchirurgischen Fachgesellschaften, sowie die EUPSA (European Paediatric Surgeons Association) und die Sektionen Kinderchirurgie der UEMS (Union of European Medical Specialists).

Einzelnachweise

  1. a b A. Schmedding: Stationäre Kinderchirurgie in Deutschland, Datenerhebung aus den öffentlich zugänglichen Qualitätsberichten von 2006. Abgerufen am 17. Dezember 2008.
  2. Facharzt FMH für Kinderchirurgie. Abgerufen am 24. Juni 2009.
  3. Homepage der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie [1] abgerufen am 18. Juli 2013.
  4. a b c d e f g h Werner Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner: Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, S. 741.
  5. Das Klinikum Hallerwiese in Nürnberg. Klinik Hallerwiese und Cnopf'sche Kinderklinik im evang.-luth. Diakoniewerk. Festschrift zur Einweihung des Neubaus. Nürnberg 1987.
  6. Z. Zachariou: Geschichte der Heidelberger Kinderchirurgie. Abgerufen am 14. Oktober 2007.
  7. Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, Historische Reminiszenzen. Abgerufen am 14. Oktober 2007.
  8. W. Haße: 100 Jahre Kinderchirurgie in Berlin-Wedding. In: Der Kinderarzt. 1990, S.1485-1489.
  9. H. Lochbühler: Geschichte der chirurgischen Behandlung der Ösophagusatresie. Abgerufen am 14. Oktober 2007.
  10. a b U. Hofmann: 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Abgerufen am 14. Oktober 2007.
  11. a b Geschichte der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie. Abgerufen am 14. Oktober 2007.

Quellen und Literatur