Pädiatrie

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Wiegen im Rahmen der Früherkennung

Die Pädiatrie oder Kinderheilkunde ist die Lehre von der Entwicklung des kindlichen und jugendlichen Organismus, seinen Erkrankungen sowie deren Behandlung und Vorbeugung. Eingeführt wurde der Begriff Pädiatrie bzw. Pädiatrik (von altgriechisch παιδιατρική [τέχνη] paidiatriké [téchne] „die kinderärztliche [Kunst]“, von παῖς pais „Kind“ und ἰατρός iatros „Arzt“) zuerst 1880 im Englischen als „pediatrics“ durch William Osler.[1]

Die vom Kinderarzt ausgeübte Kinderheilkunde wird als Fachgebiet heute zusätzlich auch als Kinder- und Jugendmedizin bezeichnet. Die Kinder- und Jugendmedizin erstreckt sich heute über alle Teilgebiete der klinischen Medizin. Eine ihrer Besonderheiten ist die starke Betonung vorbeugender Maßnahmen zur Gesundheitserhaltung (präventiver Medizin).

Teilgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Fassung vom 30. Januar 2008 erlaubt die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer vier Schwerpunktkompetenzen für Kinder- und Jugendmediziner:

  1. Kinderhämatologie und -onkologie – befasst sich mit den Blut- und Krebserkrankungen beim Kind
  2. Kinderkardiologie – Diagnostik und nicht-operative Behandlung der angeborenen Herzfehler, der erworbenen Herzfehler, der Herzrhythmusstörungen und der Herzmuskelerkrankungen
  3. Neonatologie – Versorgung von Frühgeborenen und erkrankten Neugeborenen. Intensivmedizinisch ausgerichtetes Teilgebiet (siehe auch Perinatologie, Perinatalzentrum).
  4. Neuropädiatrie – Diagnostik und Behandlung der Erkrankungen des kindlichen Nervensystems

Außerdem sieht die Weiterbildungsordnung eine große Zahl von Zusatzweiterbildungen vor, von denen fünf eine abgeschlossene Ausbildung zum Kinder- und Jugendmediziner voraussetzen, und die Kinderorthopädie eine Zusatzweiterbildung für Fachärzte für Unfallchirurgie und Orthopädie darstellt:

  1. Kinder-Endokrinologie und -Diabetologie – befasst sich mit den Erkrankungen des kindlichen Hormonsystems und der Betreuung zuckerkranker Kinder
  2. Kinder-Gastroenterologie – Diagnostik und nicht-operative Behandlung der Erkrankungen im Verdauungssystem
  3. Kinder-Nephrologie – zuständig für Nierenerkrankungen, soweit keine Operation nötig ist
  4. Kinder-Pneumologie – befasst sich mit den kindlichen Lungenerkrankungen, in erster Linie dem Asthma bronchiale
  5. Kinder-Rheumatologie – Diagnostik und Behandlung der chronischen und entzündlichen Krankheiten des Bewegungssystems
  6. Kinderorthopädie – Störungen und Erkrankungen des kindlichen Bewegungsapparat

Eine eigenständige Bedeutung hat die Sozialpädiatrie, die sich mit der umfassenden Betreuung entwicklungsgestörter Kinder befasst. Sie taucht nicht als eigene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildungsbezeichnung auf. Sozialpädiatrisch tätige Kinder- und Jugendmediziner sind in der Regel neuropädiatrisch weitergebildet. Dieser Fachbereich kooperiert eng mit Ärzten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die ein eigenständiges Fach mit eigener Weiterbildungsordnung darstellt. In der Schweiz entspricht die Sozialpädiatrie weitgehend der Entwicklungspädiatrie, die ein Schwerpunkt und Kerngebiet der Schweizer Kinder- und Jugendmedizin ist.

Ein weiteres eng an die Kinder- und Jugendmedizin gekoppeltes Fach ist die Humangenetik, ein forschendes Fach der klinischen Wissenschaften. Sie liefert einen wesentlichen Beitrag in der Diagnostik erblicher Erkrankungen. Viele Kinder- und Jugendärzte führen die Zusatzbezeichnung Humangenetik, die aber nicht allein auf die Gruppe der Kinder- und Jugendmediziner begrenzt ist.

Die Kinder- und Jugendmedizin ist ein nicht-operierendes Fach. Daher sind moderne Einrichtungen der Kinder- und Jugendmedizin mit operativen Fachgruppen vernetzt. Die Kinderchirurgie ist wie die Kinder- und Jugendpsychiatrie eine eigenständige Spezialisierung, während die Kinderorthopädie eine Zusatzbezeichnung des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie ist.

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ausbildung und Anerkennung als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist länderspezifisch geregelt. In Deutschland gehört dazu eine mindestens fünfjährige Weiterbildungszeit, davon höchstens sechs Monate in einem fachfremden Gebiet (Basisweiterbildung) oder zwölf Monate in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Kinderchirurgie. Mindestens der Rest der Zeit muss bei entsprechend zur Weiterbildung ermächtigten Kinderärzten absolviert werden. Während dieser Ausbildung muss außerdem ein Katalog mit Weiterbildungsinhalten nachgewiesen werden. Schwerpunktkompetenzen und Zusatzbezeichnungen erfordern eine zusätzliche Ausbildung in speziell dazu ermächtigten Einrichtungen und können nur nach der Facharztweiterbildung erworben werden. Wie die Facharztausbildung sind auch hier die Ausbildungsinhalte und -zeiten von den Ärztekammern festgelegt.

Die Berechtigung zur Führung einer Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung wird in der Regel entsprechend den jeweiligen Regularien der Landesärztekammern nach einer mündlichen Prüfung vor einem Fachgremium von der zuständigen Landesärztekammer erteilt.

In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bestand für Fachärzte der Pädiatrie, die im schulärztlichen Bereich tätig waren, die Möglichkeit der auf einem zweijährigen Zusatzstudium basierenden Form der ärztlichen Weiterbildung zum Jugendarzt.

Niedergelassene Kinder- und Jugendärzte in Deutschland sind meist zwischen 40 und 60 Jahre alt[2]. Rund 85 Prozent der angehenden Kinder- und Jugendärzte in Deutschland sind weiblich.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste Universitäts-Kinderklinik wurde 1850 in Würzburg von Franz Rinecker begründet[4][5] und von Carl Gerhardt weitergeführt.[6] Am Ende des 19. Jahrhunderts[7] löste sich die Kinderheilkunde als Spezialfach definitiv von der Inneren Medizin. Unter Otto Heubner entstand 1894 an der Universität Berlin ein Lehrstuhl für Kinderheilkunde.[8] In Deutschland ging die Zahl der pädiatrischen Krankenhausbetten zwischen 1995 und 2021 von rund 25.000 auf rund 18.000 zurück.[9]

Organisationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Zeitschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Walter Birk: Leitfaden der Kinderheilkunde für Studierende und Ärzte. Walter de Gruyter & Co., Berlin.
    • I. Teil: Säuglingskrankheiten. 7., umgearbeitete Auflage. 1930.
    • II. Teil: Kinderkrankheiten. 3., verbesserte Auflage. 1928.
  • Peter Emmerich, Friedrich Carl Sitzmann, Hans Truckenbrodt (Hrsg.): Kinderärztliche Notfälle. Begründet von Bernhard de Rudder und Adolf Windorfer. 11. Auflage. Thieme, Stuttgart u. a. 1989, ISBN 3-13-391911-3.
  • Stefan Illig und Martin Claaßen (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrie. 10. Auflage. Urban & Fischer Verlag / Elsevier, München 2017, ISBN 978-3-437-17290-8.
  • Dietmar Wigger, Markus Stange: Medikamente in der Pädiatrie, inklusive Neonatologie/Intensivmedizin. 6. Auflage. Elsevier und Urban-&-Fischer-Verlag, München 2021, ISBN 978-3-437-21512-4.
  • B. Koletzko: Kinder- und Jugendmedizin. 13. Auflage. Heidelberg 2007.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikibooks: Pädiatrie – Lern- und Lehrmaterialien
Wiktionary: Pädiatrie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Kinderheilkunde – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. M. K. Hostetter: What we don’t see. In: New England Journal of Medicine, Band 366, 2012, S. 1328–1334.
  2. Zahlen & Fakten. In: bvkj.de. Abgerufen am 5. Mai 2018.
  3. Julia Koch: Nirgendwo ist überall. In: Der Spiegel. Nr. 24, 2013, S. 108–110 (online).
  4. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg (Druck: Bonitas-Bauer), Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 518–527.
  5. Gundolf Keil: Rinecker und die Anfänge der Pädiatrie. In: Der Kinderarzt, Band 29, 1998, S. 198–202 und 345–352.
  6. Eduard Seidler: Carl Gerhardt und seine Rede: „Die Aufgaben und Ziele der Kinderheilkunde“ (1879). In: Monatsschrift für Kinderheilkunde, Band 131, 1983, S. 545–548.
  7. Vgl. auch Gundolf Keil: Die Kinderheilkunde zur Zeit Röntgens. In: Pädiatrische Praxis, Band 57, 1996, S. 767–774.
  8. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1960, S. 50.
  9. Silke Fokken, Tobias Großekemper, Milena Hassenkamp, Kirsten Haug, Jean-Pierre Ziegler: »Die Sicherheit unserer Patienten ist ernsthaft in Gefahr«. In: Der Spiegel. Nr. 50, 2022, S. 112–115.
  10. Geschichte. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V., abgerufen am 5. Mai 2018.
  11. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
  12. Homepage. DGAAP, abgerufen am 5. Mai 2018.
  13. Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
  14. Zahlen & Fakten. In: bvkj.de. Abgerufen am 5. Mai 2018.
  15. Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin
  16. Our Vision & Mission. European Academy of Paediatrics – The Paediatric Section of UEMS, abgerufen am 5. Mai 2018.
  17. Dominik A. Ewald, Gottfried Huss, Silke Auras, Juan Ruiz-Canela Caceres, Adamos Hadjipanayis: Development of a core set of quality indicators for paediatric primary care practices in Europe, COSI-PPC-EU. In: European Journal of Pediatrics. 14. April 2018, ISSN 0340-6199, S. 1–13, doi:10.1007/s00431-018-3140-z.
  18. Primary Care Paediatrics. Abgerufen am 5. Mai 2018.
  19. ema.europa.eu
  20. Vorsitzender ist Dirk Mentzer, Leiter des Referats Arzneimittelsicherheit am Paul-Ehrlich-Institut