Kirche Enge

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Kirche Enge
Bild des Objektes
Datei:Zuerich Enge Kirche.jpg
Basisdaten
Ort: Zürich
Kanton: Zürich
Staat: Schweiz
Höhenlage: 436 m
Koordinaten: 47° 21′ 45,1″ N, 8° 31′ 46,8″ O; CH1903: 682419 / 246315
Verwendung: evangelisch-reformierte Kirche
Zugänglichkeit: Aussichtsturm öffentlich zugänglich
Turmdaten
Bauzeit: 1894
Gesamthöhe: 64.00 m
Aussichts­plattform: 50.00 m
Positionskarte
Kirche Enge (Kanton Zürich)
Kirche Enge (Kanton Zürich)
Kirche Enge
Lokalisierung von Kanton Zürich in Schweiz

Die Kirche Enge ist ein evangelisch-reformiertes Kirchengebäude im Zürcher Quartier Enge.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bethaus Enge auf einer Radierung von Johann Jakob Meyer am Ende des 18. Jahrhunderts

Im Jahr 1880 zählte die damals noch selbständige politische Gemeinde Enge 3557 reformierte Einwohner. Deswegen war das bisherige, 1776 errichtete Bethaus mit seinen 350 Sitzplätzen zu klein für die reformierte Kirchgemeinde geworden. Überdies löste sich die Gemeinde 1882 von St. Peter und bildete eine eigene Kirchgemeinde,[1] was den Wunsch nach einem repräsentativen Gotteshaus nach sich zog. 1885 schenkte der damalige Kirchgemeindepräsident Conrad Escher der jungen Kirchgemeinde eine Wiese östlich des Bethauses, um die neue Kirche realisieren zu können. In der Gemeinde herrschte jedoch während Jahren keine Einigkeit, wo die Kirche gebaut werden sollte. In Frage kamen verschiedene Standorte, welche die Kirche entweder im Ortszentrum unten oder auf einer höheren Lage weithin sichtbar hätten entstehen lassen. Als sich die Kirchgemeindeversammlung 1887 für den heutigen Standort auf der Bürgliterrasse aussprach, folgte ein jahrelanger Rechtsstreit mit dem Besitzer des darauf stehenden Restaurants Bürgli-Terrassen, Adolf Guyer-Zeller. Während und auch noch nach dem laufenden Prozesse, der vor Bundesgericht zugunsten der Kirchgemeinde endete, wurden weitere Bauplätze diskutiert. In der Kirchgemeindeversammlung vom 27. September 1890 wurden die Bürgliterrassen definitiv zum Standort der neuen Kirche gewählt und dem enteigneten Adolf Guyer-Zeller eine von einer Schätzungskommission berechnete hohe Summe ausbezahlt.[2][3]

Im Jahr 1890 fand ein Wettbewerb für den Bau der neuen Kirche statt. Da keines der 22 eingereichten Projekte überzeugte, wurde auch keines zur Ausführung empfohlen. Am 16. August 1891 entschied sich die Kirchgemeindeversammlung für ein ausser der Konkurrenz eingereichtes Projekt des Architekten Alfred Friedrich Bluntschli, der einerseits ein Schüler und anderseits als Professor auch Nachfolger von Gottfried Semper an dem Zürcher Polytechnikum war. Nach seinen Plänen wurde die Kirche Enge in den Jahren 1892 bis 1894 im Stil der Neorenaissance erbaut. Die Grundsteinlegung fand am 14. Mai 1892 statt und am 24. Juni 1894 wurde die Kirche eingeweiht.[4][5][6]

Die beiden Pfarrhäuser wurden von Friedrich Bluntschli in zwei Etappen errichtet: Das ältere, südliche Pfarrhaus an der Bürglistrasse 19 erbaute er 1894, das jüngere nördliche an der Bürglistrasse 11 im Jahr 1900.[7] Die Gartenanlage um die Kirche wurde in zwei Phasen erbaut: 1894 wurde die engere Umgebung der Kirche nach Plänen von Alfred Friedrich Bluntschli gestaltet, 1925 erfolgte der zweite Teil, nachdem der alte Friedhof Enge aufgegeben und der SBB-Tunnel erbaut worden war, nach Plänen von Hermann Herter und den Gebrüder Mertens.

1927 erfolgten eine Renovation des Inneren sowie der Freitreppe, 1963 wurde das ursprüngliche Unterrichtszimmer unter der Orgelempore in einen Besinnungsraum umgebaut und 1976 erfolgte eine Gesamtrenovation der Kirche. Der Turm wurde 1979 bis 1984 renoviert, das Äussere der Kirche in den Jahren 2002 bis 2003.[8]

Baubeschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ansicht vom Utoquai (Seefeld)

Aussenbereich und Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche liegt auf einer Hügelkuppe und ist auch von der Promenade des Zürichsees aus gut sichtbar. Wegen ihrer markanten Lage und ihrer repräsentativen Erscheinung gilt die Kirche Enge als eines der Wahrzeichen des Quartiers. Geschaffen wurde sie als Zentralbau mit kreuzförmigem Grundriss samt Kuppeltambour über der etwas erhöhten Vierung. Die Ost-West-Richtung des Gebäudes wird durch die grosse Vorhalle im Osten und dem rechteckigen Chorvorbau für die Orgel im Westen hervorgehoben. Verschiedene Baumaterialien (Gneis aus dem Tessin, Savonnière-Kalkstein aus Frankreich, Toggenburger Tuff und Baveno-Granit) gliedern das Äussere der Kirche. Die repräsentative Eingangsfront ist der Stadt und dem See zugewandt.

Der Kirchturm wurde im nordwestlichen Winkel der Anlage als italienischer Campanile gestaltet. Er birgt fünf Glocken, die ursprünglich alle von der Glockengiesserei Keller (Zürich) im Jahr 1893 gegossen wurden. Die beiden kleinen Glocken wurden 1944 von der Giesserei H. Rüetschi AG ersetzt, da sie Qualitätmängel aufwiesen; dabei wurde die Glockenzier übernommen. Die Schlagtonfolge lautet: b0 – d1 – f1 – g1 – b1. Alle Glocken hängen in einem Stahlglockenstuhl an verkröpften Stahljochen.

Zum Haupteingang steigt von der Seestrasse eine grosszügige Treppenanlage aus Granit empor. Gerahmt wird der Fuss der Treppe durch die 1925 von Arnold Hünerwadel geschaffenen Statuen einer klugen und einer törichten Jungfrau. Von der Bürglistrasse führt eine geschwungene Auffahrt zum Kirchplatz.[9]

Innenraum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Innenansicht

Alfred Friedrich Bluntschli gestaltete das Innere der Kirche als einheitlichen Zentralraum, der sich um den Taufstein, den Abendmahlstisch, die Kanzel und die Orgel gruppiert. Jeder Kreuzarm besitzt eine Empore um die Vierung, die Kuppel ruht auf grossen Vierungspfeilern. Über den Kreuzarmen spannen sich breite Tonnengewölbe. Die Wände sind mit Quadratmalereien verziert, das Gebälk und die Gurtenkassetten sind mit Ornamenten bemalt. Die Kapitelle und die Balustraden wurden mit Bildhauerarbeiten versehen.

Der Taufstein aus Pavonazzo-Marmor steht in der Mittelachse auf einem um zwei Stufen erhöhten Podium vor der Kanzelwand. Er hat die Gestalt eines Pokales oder Brunnens, ist jedoch flach wie ein Tisch. Um die Schale läuft in goldenen Kapitalen die Umschrift: «Lasset die Kindlein zu mir kommen». Mit einem hölzernen Umbau kann der Taufstein zum Abendmahlstisch erweitert werden. In den Kreuzkuppelzwickeln befinden sich vier Evangelistenmedaillons von Eugen Ott, die Zwillingsrundbogenfenster zeigen Petrus und Paulus, Luther und Zwingli, König David als Sänger mit zwei Engeln und wurden von Friedrich Berbig gestaltet. Die Kanzel wurde nach einer Vorlage aus der Renaissance gestaltet und trägt am Fuss die Jahreszahl 1894. Ihr Kanzelkorb besitzt Eichenholzschnitzereien von Josef Regli. Die Leuchter der Kirche wurden vom Architekt Alfred Friedrich Bluntschli entworfen.[10]

Die Kirche bietet Platz für rund 1200 Personen.[11]

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick auf die Kanzel

Die Orgel wurde 1894 von dem Orgelbauer Th. Kuhn (Männedorf) erbaut und 1951 gemäss der Disposition von Organist Erich Vollenwyder erneuert. 1993 wurde das Fernwerk hinzugefügt, das vom II. und III. Manual aus angespielt werden kann. Das Schleifladen-Instrument hat 68 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind elektrisch. Weitgehend verschwunden sind die einst üppigen Schnitzereien des Gehäuses.[12]

I Hauptwerk C–g3
Principal 16′
Quintatön 16′
Principal 08′
Flauto major 08′
Gemshorn 08′
Gedackt 08′
Octave 04′
Rohrflöte 04′
Octave 02′
Mixtur V-VII 02′
Scharf IV-V 01′
Cornet V 08′
Trompete 08′
Clarion 04′
II Kronpositiv C–g3
Principal 8′
Rohrgedackt 8′
Spitzflöte 8′
Principal 4′
Blockflöte 4′
Sesquialtera II 223
Waldflöte 2′
Quinte 113
Mixtur III-V 1′
Rankett 16′
Krummhorn 8′
Schalmey 4′
Tremulant
III Schwellwerk C–g3
Bourdon 16′
Principal 08′
Bourdon 08′
Offenflöte 08′
Unda Maris 08′
Salicional 08′
Octave 04′
Flöte 04′
Quinte 223
Flageolet 02′
Terz 135
Mixtur V-VI 113
Cimbel III-IV 012
Bombarde 16′
Trompette harm. 08′
Oboe 08′
Clairon 04′
Tremulant
Fernwerk C–g3
Gamba 16′
Gamba 08′
Flûte harmonique 08′
Flûte traversière 04′
Piccolo 02′
Sifflet 01′
Tuba 16′
Corno 08′
Vox Humana 08′
Tremulant
Pedal C–f1
Untersatz 32′
Principalbass 16′
Flöte 16′
Subbass 16′
Gedacktbass 16′
Principal 08′
Bourdon 08′
Spillflöte 08′
Octave 04′
Flöte 02′
Rauschpfeife III 04′
Mixtur V 02′
Posaune 16′
Fagott 16′
Trompete 08′
Clairon 04′

Würdigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche Enge ist ein monumentales Bauwerk an markanter Lage. Sie gilt als einer der wichtigsten Kirchenbauten im Stil der Neurenaissance in der Schweiz. Zugleich ist die Kirche Enge eines der bekanntesten Werke von Architekten Friedrich Bluntschli. Als Vorlage diente diesem ein Projekt seines Lehrers Gottfried Semper für die nach anderen Plänen realisierte römisch-katholische Kirche St. Peter und Paul in Winterthur. Nach dem Vorbild der Kirche Enge wurde wenige Jahre später auf der gegenüberliegenden Seeseite die Kreuzkirche in Hottingen erbaut.[13]

Aussichtsplattformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Monaten Mai – August können jeden zweiten Donnerstagabend Uhr der Turm und die Kanzel besichtigt werden. 208 Treppenstufen führen zur Aussichtsplattform im Glockenturm auf 50 Meter Höhe.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • François Guex: Reformierte Kirche, Zürich-Enge (= Schweizerische Kunstführer). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Basel 1978.
  • Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Amt für Städtebau: Enge, Wollishofen, Leimbach (= Baukultur in Zürich. Band V). NZZ, Zürich 2006, ISBN 3-03823-074-X.
  • Hochbaudepartement der Stadt Zürich: Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Zürich 2006.
  • Johannes Stückelberger: Die reformierte Kirche Enge in Zürich (= Schweizerische Kunstführer, Nr. 975). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 2015, ISBN 978-3-03797-229-8.
  • Ewald Walter: 100 Jahre Kirchgemeinde Zürich-Enge. Das Werden einer Kirchgemeinde. Jubiläumsschrift. [ohne Ort] 1982.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kirche Enge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zur Geschichte der Verselbständigung siehe Ewald Walter: 100 Jahre Kirchgemeinde Zürich-Enge. Das Werden einer Kirchgemeinde. Jubiläumsschrift. [ohne Ort] 1982, S. 38–46.
  2. Zu Einzelheiten zur Suche und Wahl des Bauplatzes siehe Ewald Walter: 100 Jahre Kirchgemeinde Zürich-Enge. Das Werden einer Kirchgemeinde. Jubiläumsschrift. [ohne Ort] 1982, S. 46–49.
  3. Jürg Weyermann: Zum Bauplatzstreit.@1@2Vorlage:Toter Link/www.kirche-enge.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Kirchgemeinde Enge; abgerufen am 2. August 2015.
  4. Zu Einzelheiten zur Suche und Wahl des Bauplatzes siehe Ewald Walter: 100 Jahre Kirchgemeinde Zürich-Enge. Das Werden einer Kirchgemeinde. Jubiläumsschrift. [ohne Ort] 1982, S. 46–49.
  5. Zum Bau und damit zusammenhangenden Überlegungen siehe Ewald Walter: 100 Jahre Kirchgemeinde Zürich-Enge. Das Werden einer Kirchgemeinde. Jubiläumsschrift. [ohne Ort] 1982, S. 49–59.
  6. Martin Zollinger: Vom Bauverein bis zur Festpredigt.@1@2Vorlage:Toter Link/www.kirche-enge.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Kirchgemeinde Enge; abgerufen am 2. August 2015.
  7. Baugeschichte und Gesamtanlage.@1@2Vorlage:Toter Link/www.kirche-enge.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Kirchgemeinde Enge; abgerufen am 2. August 2015.
  8. Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Zürich 2006, S. 76–77.
  9. Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Zürich 2006, S. 76.
  10. Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Zürich 2006, S. 78.
  11. Das Innere der Kirche.@1@2Vorlage:Toter Link/www.kirche-enge.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Kirchgemeinde Enge; abgerufen am 2. August 2015.
  12. Nähere Informationen zur Orgel
  13. Reformierte Kirchen der Stadt Zürich. Spezialinventar. Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Zürich 2006, S. 77.
360° Panorama von der Kirche Enge