Kloster Mariae Verkündigung

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Das Kloster Mariae Verkündigung war ein Franziskaner-Minoriten-Kloster mit zugehöriger Kirche in Worms. Bereits in der Reformation untergegangen, sind bauliche Reste der Anlage oberirdisch nicht erhalten.

Geografische Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kloster Mariae Verkündigung lag zentral in der Stadt Worms im Bereich des heutigen Marktplatzes[Anm. 1] und des nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Rathaus-Neubaus. An der Nordseite grenzte das Kloster an die Petersstraße (früher: Petersgasse). Hier stand auch die Kirche Mariae Verkündigung. Daran schloss sich die dreiflügelige Klausur an: Sie grenzte im Süden zum Teil an den Bürgerhof und im Westen an die Häuserzeile, die den (alten) Marktplatz nach Osten begrenzte. Der Abschluss des Klosters nach Osten ist insofern unklar, weil nicht sicher ist, wann die heutige Bürgerhofstraße angelegt wurde.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Überlieferung zum Minoriten-Kloster Mariae Verkündigung ist insgesamt sehr punktuell, was zum einen an dessen früher Auflösung, zum andern am Verlust vieler Aufzeichnungen nicht zuletzt durch die Stadtzerstörung 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch Truppen König Ludwig XIV. liegt.[2]

Gründung und Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kloster wurde 1221 im Anschluss an das erste Kapitel der Minoriten in Deutschland, das am 16. Oktober 1221 in Augsburg stattfand, mit Unterstützung des Wormser Bischofs Heinrich II. noch im selben Jahr gegründet. Die erste Wormser Niederlassung befand sich in einem Haus bei der Nazarius-Kapelle des Benediktiner-Klosters Lorsch in Worms.[3] Die Lage der Kapelle ist nicht exakt bekannt. Sie lag – von der Hagenstraße aus gesehen – an der Rückseite des Bürgerhofes, also in dem Areal, auf dem anschließend das Kloster errichtet wurde. 1266 wurde die Nazarius-Kapelle letztmals erwähnt.[4]

Bereits 1222 war die Zahl der der Mönche so groß geworden, dass es zu einer Vereinbarung mit Bischof und Domkapitel kam, dass die Messen vorübergehend gemeinsam im Wormser Dom gefeiert wurden. Das Domkapitel überließ dafür die Sitze in der einen Hälfte des Chores den Mönchen. Am Anfang herrschte großer Priestermangel. Nur ein Ordens-Priester war für die Niederlassungen in Worms und Speyer gemeinsam zuständig.[5]

Um 1234 wurde wohl ein Kloster gebaut, dass aber bei einem großen Stadtbrand 1242 bereits wieder zerstört wurde. Bis 1248 wurde es wieder aufgebaut. Diese Daten sind jedoch alle sehr unsicher und stammen aus frühneuzeitlichen Quellen. Zeitgenössische Urkunden oder andere Unterlagen zum Baugeschehen am Kloster und dessen Kirche fehlen vollständig.[6]

In den in dieser Zeit ebenfalls stattfindenden Kämpfen zwischen Papst und den untergehenden Staufern verließ der Orden zwischenzeitlich auch die (staufisch gebliebene) Stadt Worms auf Anordnung von Bischof Landolf von Hoheneck, der zeitweise zur Gegenpartei gehörte. Der Orden kehrte aber 1246 zurück und vermittelte 1253 erfolgreich im Streit zwischen einem nachfolgenden Bischof, Richard von Daun, und der Stadt.[7]

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Reihe von Provinzialkapiteln fanden in Worms statt, so 1222, 1228, 1230, 1286, 1307, 1344, 1372 und 1501.[8]

Die Minoriten waren als Bettelorden auf die Zuwendungen der Bürgerschaft angewiesen, sahen in deren seelsorgerischen Betreuung aber auch ihre wichtigste Aufgabe. Vernetzung und Kooperation mit der Stadt waren deshalb eng. Bei einer der zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen Klerus und Bischof auf der einen Seite und der Stadt auf der anderen in den Jahren 1384 bis 1386 – Kernpunkt war der Verkauf von Wein, den der Klerus für den Eigenbedarf unversteuert in die Stadt einführen durfte – stellten die Minoriten sich, ebenso wie die anderen drei Bettelorden, die in der Stadt vertreten waren, auf die städtische Seite. Die Minoriten schlossen 1385 einen Vertrag mit der Stadt, leisteten Bürgermeister und Rat der Stadt den Treueschwur, zahlten ein jährliches Schutzgeld von zwei Gulden und wurden im Gegenzug als Bürger in Worms aufgenommen.[9] Diese Allianz bewährte sich, als 1422 eine Reihe von Gemeindepriester versuchten, den als lästige Konkurrenz empfundenen Lektor der Minoriten, Peter Wyrach, unter dem Vorwurf, er sei Hussit und damit Ketzer, durch einen Inquisitionsprozess zu beseitigen. Die Gemeindepriester scheiterten mit ihrem Vorstoß.[10] Hinter diesem Vorgang steht die starke Konkurrenz zwischen den Bettelorden und den Gemeindepriestern, die beide um die Einnahmen aus der Seelsorge – bis hin zu den Bestattungen – konkurrierten.[11]

Um 1426 erreichte die Observanzbewegung auch Worms. Es ging darum, wieder enger zum Armutsgelübde zurückzukehren. Der Orden besaß inzwischen in großem Umfang Vermögen, vor allem Immobilien. Die Minoriten des Klosters Mariae Verkündigung widersetzten sich erfolgreich dieser Reform-Bestrebung. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts scheinen die Abweichungen von der Ordensregel größer und häufiger geworden zu sein.[12]

Ende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der Reformation löste sich das Kloster Mariae Verkündigung sehr schnell auf. Für 1496 ist die Zahl von 14 Mönchen im Kloster bekannt, 1527 war es nur noch einer. In diesem Jahr nahm die Stadt die Liegenschaft in Besitz, die Kirche wurde spätestens ab 1528 evangelisch genutzt, im Südflügel der Klausur eine städtische Lateinschule eingerichtet. 1539 kaufte die Stadt dann Kloster und verbliebenes zugehöriges Vermögen für 730 Gulden vom Franziskanerorden, der das Kloster als Institution damit auch offiziell aufhob. Formal trat als Käufer für die Stadt das vor der Martinspforte gelegene (städtische) Pilgerspital auf.[13]

Verschiedene Versuche – so etwa während des Dreißigjährigen Kriegs – das Kloster neu zu gründen, scheiterten alle.[14]

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kloster stand ein Guardian vor, erstmals belegt 1288. Das Kloster gehörte zunächst zur Rheinischen Kustodie, ab 1239 zur Oberdeutschen Kustodie. Mit den Aufgaben des Schaffners und des Zinskellers (Wirtschaftsverwalter) waren Laien beauftragt.[15]

Die Minoriten kooperierten mit vier Beginenkonventen in der Stadt: Gudelmann-Konvent und Brogoren-Konvent wurden beide 1288 gegründet, dem Briden-Konvent, das vor 1372 entstand, und dem Konvent zum Lämmchen, das vor 1400 gestiftet wurde. Die Beginen in letzterem und im Gudelmann-Konvent lebten nach der Franziskaner-Regel.[16] Gegen Ende des 15. Jahrhunderts scheint sich dieses enge Verhältnis aber nach und nach aufgelöst zu haben.[17]

Wirtschaftlich basierte das Kloster hauptsächlich auf Einnahmen durch seelsorgerische Tätigkeiten und Spenden. Dazu gehörte auch ein Friedhof, erstmals 1238 erwähnt[18], dessen Lage aber unbekannt ist, auf dem Wormser sich – gegen eine Gebühr – bestatten lassen konnten. Im Laufe seines Bestehens erlangte das Kloster Immobilien und anderen Besitz. Bekannt sind davon sechs Häuser in der Stadt Worms und Grundbesitz in Niedesheim[Anm. 2], Westhofen, Ottersheim und Weisenheim am Sand.[19]

Kirchengebäude[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch zur Kirche Mariae Verkündigung gibt es nur wenige Informationen. Die gotische Kirche stand mit ihrer nördlichen Längsseite an der in Ost-West-Richtung verlaufenden Petersgasse, war 43 m lang und 19 m breit und hatte einen eingezogenen Chor von knapp 10 m Breite. Die Kirche war wohl dreischiffig, an der Nordseite, zur Petersgasse hin gab es eine Reihe von Kapellen.[20] Die Kirche hatte einen Turm, der an oder in deren Westfassade und an der Petersgasse stand, dort, wo der verdeckte Stadtbach die Petersstraße kreuzte.[21]

Nachnutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Stadt betrieb ab 1527 in der Konventsstube des ehemaligen Klosters ihre Lateinschule.[22] Der letzte verbliebene Mönch wohnte weiter im Kloster. Der Rat der Stadt untersagte ihm das Kegeln, weil das den Unterricht störe.[23] Die Kirche scheint nicht dauerhaft weiter genutzt worden zu sein, war Ende des 16. Jahrhunderts baufällig, aber eine bereits geplante Instandsetzung unterblieb. Zur Zeit der Stadtzerstörung 1689, während des Pfälzischen Erbfolgekriegs, waren bauliche Spuren der Kirche und der Klostergebäude – abgesehen vom Südflügel mit der Lateinschule – kaum noch vorhanden. Die Schule brannte bei der Stadtzerstörung 1689 aus. 1698 wurde sie – wohl eher provisorisch – instand gesetzt. Unmittelbar südlich der Schule entstand die Dreifaltigkeitskirche, die 1725 fertiggestellt war. Die optisch wohl nicht mehr sehr ansehnliche, unmittelbar nördlich angrenzende Lateinschule, sollte deshalb abgerissen werden. Der Plan wurde auch umgesetzt, nachdem 1726 ein Neubau für die Lateinschule weiter östlich, im Bereich des ehemaligen Klostergartens, fertiggestellt war. Verbliebene baulichen Reste des Klosters wurden planiert, das Gelände war nun der Schulhof. Das neue Schulgebäude diente bis in den Zweiten Weltkrieg als Gymnasium, als er in den Luftangriffen auf Worms zerstört wurde. Nach dem Krieg entstand hier das neue Rathaus.[24]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Der heutige Marktplatz entstand erst Ende des 19. Jahrhunderts. Die Fläche war bis dahin teilweise überbaut.
  2. Der Ortsname ist nicht näher spezifiziert, es kann sich um Großniedesheim oder Kleinniedesheim gehandelt haben.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schnabel / Untermann, S. 727.
  2. Schnabel / Untermann, S. 720.
  3. Schnabel / Untermann, S. 719.
  4. Schnabel / Untermann, S. 728.
  5. Schnabel / Untermann, S. 719.
  6. Schnabel / Untermann, S. 719f, 728.
  7. Schnabel / Untermann, S. 719f.
  8. Schnabel / Untermann, S. 724.
  9. Schnabel / Untermann, S. 721, 725.
  10. Schnabel / Untermann, S. 721.
  11. Schnabel / Untermann, S. 726.
  12. Schnabel / Untermann, S. 722.
  13. Schnabel / Untermann, S. 723, 728.
  14. Schnabel / Untermann, S. 723f.
  15. Schnabel / Untermann, S. 718, 724.
  16. Schnabel / Untermann, S. 720, 726.
  17. Schnabel / Untermann, S. 722.
  18. Kranzbühler, S. 78.
  19. Schnabel / Untermann, S. 726, 729.
  20. Schnabel / Untermann, S. 729.
  21. Kranzbühler, S. 79; Schnabel / Untermann, S. 727.
  22. Schnabel / Untermann, S. 729.
  23. Kranzbühler, S. 78.
  24. Schnabel / Untermann, S. 724, 729.

Koordinaten: 49° 37′ 49,3″ N, 8° 21′ 45,4″ O