Kuppelei

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Kuppelei (lateinisch lenocinium) ist die vorsätzliche Vermittelung und Beförderung der Unzucht. Da sich Kuppelei speziell auf Anbefohlene (Kinder, Mündel, u.ä) bezieht, umfasst der Begriff auch die Heiratsvermittlung Minderjähriger. In Verbindung mit Geldzahlungen gehört Kuppelei auch in den Kontext der Prostitution.

Entwicklung des Begriffes

Bei der Kupplerin Gemälde von Jan Vermeer

Kuppelei war als Straftatbestand schon seit dem Hochmittelalter bekannt.[1]

Das Vorschubleisten zu fremder Unzucht bedeutete das Herbeiführen günstigerer Bedingungen als die bisher vorhandenen. Dies konnte durch Vermittlung oder Gewährung bzw. die Verschaffung von Gelegenheit sein. Die Abgrenzung zur Zuhälterei und Prostitution war zeitweise sehr vage.

Obwohl der Straftatbestand der Kuppelei in der Geschichte mehrfach variierte, wurde er fast immer in einfache Kuppelei und schwere (qualifizierte) Kuppelei aufgeteilt. Erstere wurde als das nur einfache Vorschubleisten der Unzucht weit weniger hart bestraft, wobei hierbei oft die Vollendung nötig war, es mussten zwischen den Verkuppelten also wirklich sexuelle Handlungen vorgenommen werden. Als schwere Kuppelei, bei der der Versuch schon strafbar war, galt die gewohnheitsmäßige, aus Eigennutz entstandene, eine mit Kunstgriffen oder die besondere Vertrauensstellung des Kupplers. Die gewohnheitsmäßige wie die Kuppelei aus Eigennutz kamen zumeist bei Bordellen und ihren Betreibern zur Anwendung. Hierbei blieb es immer eine Kontroverse und wurde unterschiedlich geurteilt, ob dies auch für (staatlich) zugelassene Bordelle gelten könne. Als Kunstgriffe galten eine Täuschung, das Überlisten oder auch das Betrunkenmachen der Verkuppelten, um den Geschlechtsverkehr herbeizuführen. Die Vertrauensstellung war gegeben, wenn der Kuppler Elternteil, Ehemann oder Ehefrau, erziehende Person (Lehrer, Pfarrer) oder die Verkuppelten Pflegebefohlene waren. Fast durchgängig war es umstritten, ob Verkupplung von zwei Verlobten auch strafbar sein sollte, dies nahm allerdings sowohl das Reichsgericht (RGSt 8, 172) als auch der BGH (BGHSt 6, 46) an.

Auch die Bedeutung des Wortes Unzucht veränderte sich in Beziehung zum Begriff der Kuppelei stark. Einmal waren damit vorehelicher Geschlechtsverkehr oder beischlafähnliche Handlungen (z. B. Oralverkehr, Petting) gemeint, dann wieder nur der vollendete Beischlaf und später nur noch der Verkehr unter Jugendlichen (Unzucht Minderjähriger). Unter die Kuppelei fiel dann beispielsweise auch die Vermittlung von Seitensprüngen in den Rendezvous-Häusern der Belle Époque.[2] Unbedeutend für die Bestrafung der Kuppelei war es, ob die Unzucht an sich eine Straftat darstellte, da die Kuppelei als eigenes Delikt und nicht als Teilnahmehandlung galt.[3]

Bedeutung hatte der Kuppelei-Paragraph in Deutschland bis 1973. Der Kuppelei machten sich nach damaliger Rechtsprechung auch diejenigen Eltern schuldig, die ihren Kindern den Kontakt mit ihren möglichen Sexualpartnern im elterlichen Haus erlaubten oder durch Vernachlässigung der Aufsichtspflicht zuließen. Die teilweise widersprüchlichen staatlichen Regelungen und eine veränderte gesellschaftliche Moral führten dann zu einer Strafrechtsreform.[4]

Deutschland

Kuppelei wird meistens als Förderung von vorehelichem Geschlechtsverkehr (Unzucht) verstanden und war seit dem Kaiserreich durch den § 180 a.F. StGB verboten. In Meyers Konversations-Lexikon wurde Kuppelei folgendermaßen beschrieben:

„Dieselbe erscheint als strafbares Vergehen (einfache Kuppelei), wenn sie gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch Vermittelung oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit zur Unzucht begangen wird, und soll nach dem deutschen Strafgesetzbuch mit Gefängnis von 1 Tag bis zu 5 Jahren bestraft werden. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“

„Als Verbrechen, dessen bloßer Versuch schon strafbar ist, erscheint die Kuppelei (schwere Kuppelei) dann, wenn dabei hinterlistige Kunstgriffe angewendet wurden, oder wenn der Schuldige zu den Personen, mit welchen die Unzucht getrieben worden, in dem Verhältnis von Eltern zu Kindern, von Vormündern zu Pflegebefohlenen, von Geistlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von ihnen zu unterrichtenden oder zu erziehenden Personen steht. Die Kuppelei wird alsdann, selbst wenn sie weder gewohnheitsmäßig noch aus Eigennutz verübt wurde, mit Zuchthaus von 1 bis zu 5 Jahren und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“

Rechtliche Lage bis 1970

Der damalige Tatbestand des westdeutschen § 180 StGB hatte folgenden Wortlaut:

(1) Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch seine Vermittlung oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit der Unzucht Vorschub leistet, wird wegen Kuppelei mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft; auch kann zugleich auf Geldstrafe, auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Gefängnisstrafe bis auf einen Tag ermäßigt werden.

(2) Als Kuppelei gilt insbesondere die Unterhaltung eines Bordells oder eines bordellartigen Betriebs.

(3) Wer einer Person, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, Wohnung gewährt, wird auf Grund des Absatzes 1 nur dann bestraft, wenn damit ein Ausbeuten der Person, der die Wohnung gewährt ist, oder ein Anwerben oder ein Anhalten dieser Person zur Unzucht verbunden ist.

§ 181 StGB lautete:

(1) Die Kuppelei ist, selbst wenn sie weder gewohnheitsmäßig noch aus Eigennutz betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wenn

1. um der Unzucht Vorschub zu leisten, hinterlistige Kunstgriffe angewendet werden, oder

2. der Schuldige zu der verkuppelten Person in dem Verhältnis des Ehemanns zur Ehefrau, von Eltern zu Kindern, von Vormündern zu Pflegebefohlenen, von Geistlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von Ihnen zu unterrichtenden oder zu erziehenden Personen steht.

(2) Neben der Zuchthausstrafe ist der Verlust der bürgerlichen Ehrenrecht auszusprechen; auch kann zugleich auf Geldstrafe sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.

(3) Sind im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe ein, neben welcher auf Geldstrafe erkannt werden kann.

Das Mindestmaß der Gefängnisstrafe betrug nach § 16 StGB a. F., wenn nicht im Tatbestand höher angedroht einen Tag, das Höchstmaß, wenn nicht niedriger angedroht, fünf Jahre. Das Mindestmaß der Zuchthausstrafe betrug nach § 14 StGB a. F., wenn nicht im Tatbestand höher angedroht, ein Jahr.

Das Zusammenleben von unverheirateten Paaren unter einem Dach (sog. Wilde Ehe) war bis zur Einführung des § 180 Abs. 3 StGB im Jahr 1927 faktisch unmöglich. Der § 180 Abs. 3 StGB wurde eingefügt, damit Prostituierte eine Wohnung für ihre Arbeit mieten können. Hintergrund war das Ziel, der Straßenprostitution entgegenzuwirken. Vorher konnte der Vermieter einer Wohnung wegen Kuppelei belangt werden, wenn er einem nicht verheirateten Paar oder einer Prostituierten eine Wohnung vermietete oder überhaupt, wenn er in seiner Wohnung anderen Unzucht gestattete. Erst ab dem Urteil des BGH vom 17. April 1970 (Az. I ZR 124/68) wurden solche Mietverträge auch zivilrechtlich als nicht sittenwidrig und damit wirksam anerkannt. Dieses Urteil wurde mit dem Sinn des § 180 Abs. 3 StGB begründet. Es war daher üblich, dass sich der Vermieter vor Abschluss eines Mietvertrags z. B. den Trauschein des Paares vorlegen ließ. Beherbergungsbetriebe (z. B. Hotels) fielen nicht unter die Ausnahme des § 180 Abs. 3, da ein Hotelzimmer keine ständige Wohnung ist. Deshalb gaben sich dort oft unverheiratete Paare als Ehepaar aus.

Gesetzesreform

In der DDR entfiel der Tatbestand der Kuppelei (vorher identischer Gesetzestext mit der Bundesrepublik) mit der Strafrechtsreform von 1968.[5] In der Bundesrepublik wurde durch die Große Strafrechtsreform von 1969 mit Geltung ab 1. April 1970 die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte abgeschafft und die Gefängnis- und Zuchthausstrafe durch Freiheitsstrafe von grundsätzlich gleicher Dauer ersetzt, die Mindeststrafe für die schwere Kuppelei aber auf sechs Monate gesenkt. Seit 1973 ist im § 180 (n.F.) nur noch die Kuppelei mit unter 16-Jährigen als Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger unter Strafe gestellt und mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht. Sorgeberechtigte machen sich nur strafbar, wenn sie dadurch gleichzeitig ihre Erziehungspflicht gröblich verletzen. Die Kuppelei mit unter 18-Jährigen wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wenn es sich um entgeltliche sexuelle Handlungen handelt oder der Jugendliche unter Ausnutzung einer mit einem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit zu sexuellen Handlungen bestimmt wird. Damit wurde die Gesetzgebung dem Prinzip der im deutschen Strafrecht i. d. R. mit der Vollendung des 14. Lebensjahres als vorhanden angesehenen Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung angepasst. 1973 wurde ein § 180a eingefügt, der denjenigen mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht, der gewerbsmäßig einen Betrieb unterhält oder leitet, in dem Personen der Prostitution nachgehen und in dem diese in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden oder der einer Person unter achtzehn Jahren zur Ausübung der Prostitution Wohnung, gewerbsmäßig Unterkunft oder gewerbsmäßig Aufenthalt gewährt oder eine andere Person, der er zur Ausübung der Prostitution Wohnung gewährt, zur Prostitution anhält oder im Hinblick auf sie ausbeutet. Bis 31.12.2001 wurde das Unterhalten oder Leiten eines Prostitutionsbetriebes auch dann bestraft, wenn die Prostitutionsausübung durch Maßnahmen gefördert wurde, die über das bloße Gewähren von Wohnung, Unterkunft oder Aufenthalt und die damit üblicherweise verbunden Nebenleistungen hinausgingen.

Österreich

In Österreich ist Kuppelei heute speziell derjenige Tatbestand, in der jemand eine Person, zu der er in einem Autoritätsverhältnis steht, „zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person verleitet oder die persönliche Annäherung der beiden Personen zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung herbeiführt.“ Das ist im § 212 Kuppelei geregelt, der zugrundeliegende Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses im § 212. Er bezieht sich auf minderjährige leibliche Kinder, Wahlkinder, Stiefkinder oder Mündel, wie auch medizinisch, erzieherisch und amtlich betraute Personen, für die man Obsorge hat.

Kuppelei wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, handelt der Täter, „um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen“ (Zuhälterei), beträgt die Freiheitsstrafe sechs Monate bis zu fünf Jahre. Jedes Verleiten zu schmerz- oder qualvollen sexuellen Handlungen oder zum Zwecke, Dritte geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, fällt dann schon unter sexuellen Missbrauch Unmündiger respektive Jugendlicher.

Siehe auch:

  • § 208a Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen (Verführung Minderjähriger, siehe auch Cyber-Grooming)
  • § 214 Entgeltliche Vermittlung von Sexualkontakten mit Minderjährigen und § 215a Förderung der Prostitution und pornographischer Darbietungen Minderjähriger (siehe Kinderprostitution)

Weblinks

Wiktionary: Kuppelei – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Gerhard Köbler: Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte, 4. Auflage, Stichwort Kuppelei. (PDF-Datei; 6,2 MB)
  2. Vergl. hierzu Karl Kraus: Kuppelei als Ehrenbeleidigung. In: Die Fackel, Nr. 194, VII. Jahr, Wien, 31. Jänner 1906; wiedergeben in Karl Kraus: Sittlichkeit und Kriminalität. Ausgewählte Schriften I, 1908, Kapitel Rund um den Schandlohn. (online auf textlog.de).
  3. Alfred Bacharach: Der Begriff der Kuppelei. In: Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 127, Reprint Keip (u. a.) 1977, Original Breslau 1911
  4. Vergl. etwa Gesetze / Kuppelei: Viel Unruhe. In: Der Spiegel 16/1968 (15. April 1968), dort ab Absatz So großzügig der Staat es hinnimmt, daß in zweckgebundenen Etablissements an professioneller Prostitution verdient wird, so sittenrichterlich spielt er sich auf, wenn es um unentgeltliche Intimbeziehungen geht.
  5. Peter Borowsky: Die DDR in den sechziger Jahren, in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 258