Leo Frank (Manager)

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Lucille und Leo Frank während des Gerichtsverfahrens
Der gehängte Leo Frank

Leo Max Frank (* 17. April 1884 in Cuero, Texas; † 17. August 1915 bei Marietta, Georgia) war ein amerikanischer Jude, dessen Ermordung durch einen Lynchmob bei Marietta im Jahre 1915 zur medialen und öffentlichen Fokussierung auf den aufkommenden Antisemitismus in den Vereinigten Staaten und in späterer Folge zur Gründung der Anti-Defamation League führte.[1][2]

Hintergrund und Prozess

Leo Frank war der Direktor einer Fabrik zur Produktion von Stiften in Atlanta, Georgia. Ihm wurde der Prozess gemacht, nachdem eine seiner Angestellten, die 13-Jährige Mary Phagan, ermordet worden war.[3] Das Verfahren wurde von einer Berichterstattung begleitet, die durch ihre sensationsfreudige Darstellung, wonach es in der Fabrik auch zu Orgien und Vergewaltigungen gekommen sei, zu einer aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung beitrug. Das Verfahren wurde von Thomas E. Watson, einem einflussreichen populistischen Politiker und Publizisten, genutzt, um für die Neugründung des Ku-Klux-Klan zu werben, der Anfang der 1870er Jahre von den Bundesbehörden verboten worden war.[4]

Verurteilung

Frank wurde vom Gericht auf Grund von Indizienbeweisen und vor allem der belastenden Aussage des Farbigen James Conley, der wegen Beihilfe verurteilt wurde, wegen Mordes an Mary Phagan zum Tode verurteilt, ein Urteil, das von mehreren Autoren als eklatanter Justizirrtum bewertet wurde.[5][6][7]

Der Historiker Albert S. Lindemann verneint jedoch, dass Antisemitismus bei der Anklageerhebung eine Rolle gespielt habe. In der Grand Jury des Prozesses befanden sich fünf jüdische Geschworene, die von den vorgebrachten Fakten überzeugt gewesen seien. Der Ankläger Hugh M. Dorsey sei kein Antisemit gewesen, habe sich teils philosemitisch geäußert und darauf hingewiesen, dass für Juden (und Farbige) das gleiche Recht gelte wie für die Jury und ihn selbst.[8] Dorsey habe sich jedoch frühzeitig auf Frank als Täter festgelegt und Conley als Zeugen aufgebaut, obwohl dieser vielfach seine Aussagen geändert und eindeutige Lügen eingestreut habe. Er habe Conley, den damaligen Vorurteilen entsprechend, als notorischen schwarzen Lügner dargestellt, der am Ende der Befragung aber (wie es das Vorurteil vorsieht) schließlich zur Wahrheit gebracht werde.[9] Auch der Vorsitzende Richter Roan sei sehr respektiert gewesen und frei von antisemitischem Gedankengut.[10]

Strafänderung und Lynchmord

Kurze Zeit nach der Verurteilung tauchten Hinweise auf, die Frank entlasteten. John Slaton, der Gouverneur von Georgia, wandelte daraufhin die Todesstrafe in lebenslange Haft um. Allerdings wurde Frank von einer Gruppe, die sich „The Knights of Mary Phagan“ (Die Ritter von Mary Phagan) nannten, verschleppt und bei Marietta durch Hängen gelyncht.[11][12] Zu der Gruppe, die an dem Mord an Frank beteiligt war, gehörten der ehemalige Bürgermeister von Marietta, Eugene Herbert Clay, der Sohn des Senators Alexander S. Clay, der frühere Gouverneur Joseph Mackey Brown, mehrere Rechtsanwälte und ein Staatsanwalt.[13][14]

Postume Begnadigung

1982 wurde ein Antrag auf postume Begnadigung Franks beim Georgia State Board of Pardons and Paroles eingebracht, nachdem ein Zeuge seine fast 69 Jahre zuvor im Prozess getätigte Aussage teilweise revidierte. Das Board widersprach 1983 der Begnadigung, da Akten verloren gegangen waren und eine eindeutige Unschuld Franks nicht mehr festzustellen, dies aber Grundlage für eine Begnadigung sei.[15] Nach einem weiteren Antrag 1986 wurde Frank schließlich begnadigt, ohne die Frage der tatsächlichen Schuld zu beurteilen. Das Board berief sich stattdessen auf die damalige Unfähigkeit des Staates Georgia, Franks Person und sein Recht auf Berufung zu sichern, und das staatliche Versagen, seine Mörder zu belangen.[16]

Weblinks

Commons: Leo Frank – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Elaine Marie Alphin: An Unspeakable Crime: The Prosecution and Persecution of Leo Frank. Carolrhoda Books, 2010, S. 124, 139. For the founding of the ADL, see Blakeslee, Spencer. The Death of American Antisemitism. Greenwood Publishing Group, 2000, S. 81.
  2. Hang the Jew, Hang the Jew. Anti-Defamation League, abgerufen am 20. August 2010.
  3. Sally Steinberg-Brent: The Leo Frank Murder Case. In: Bruce Afran, Robert A. Garber: Jews on trial. KTAV Publishing House Inc, 2005, S. 95–100, 106.
  4. Wyn Craig Wade: The Fiery Cross: The Ku Klux Klan in America. Simon and Schuster, 1987, S. 143.
  5. Albert S. Lindemann,The Jew Accused. Three Anti-Semitic Affairs (Dreyfus, Beilis, Frank) 1894–1915. Cambridge University Press, Cambridge/New York 1991, ISBN 978-0-521-40302-3, S. 239.
  6. Leonard Dinnerstein. The Leo Frank Case. University of Georgia Press, 1987, S. xiii.
  7. Jessica Ravitz: Murder case, Leo Frank lynching live on. CNN, 2. November 2009.
  8. Albert S. Lindemann,The Jew Accused. Three Anti-Semitic Affairs (Dreyfus, Beilis, Frank) 1894–1915. Cambridge University Press, Cambridge/New York 1991, ISBN 978-0-521-40302-3, S. 251–252.
  9. Albert S. Lindemann,The Jew Accused. Three Anti-Semitic Affairs (Dreyfus, Beilis, Frank) 1894–1915. Cambridge University Press, Cambridge/New York 1991, ISBN 978-0-521-40302-3, S. 253.
  10. Albert S. Lindemann,The Jew Accused. Three Anti-Semitic Affairs (Dreyfus, Beilis, Frank) 1894–1915. Cambridge University Press, Cambridge/New York 1991, ISBN 978-0-521-40302-3, S. 257.
  11. Kenneth Coleman: A History of Georgia. University of Georgia Press, 1991, S. 292.
  12. Body of Frank is found dangling from a tree near the Phagan home. Associated Press, 17. August 1915.
  13. Kathy Sawyer: A Lynching, a List and Reopened Wounds. Jewish Businessman's Murder Still Haunts Georgia Town. The Washington Post, 20. Juni 2000.
  14. Für die Liste der beteiligten Lyncher siehe Stephen Goldfarb: Leo Frank Lynchers (Memento vom 15. August 2000 im Internet Archive), leofranklynchers.com, 1. Januar 2000, abgerufen am 22. August 2010.
  15. Steve Oney: And the Dead Shall Rise: The Murder of Mary Phagan and the Lynching of Leo Frank. Pantheon Books, 2003, S. 647–648.
  16. Leonard Dinnerstein: Leo Frank Case. New Georgia Encyclopedia, abgerufen am 15 August 2015.