Liegewagen

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Österreichischer Liegewagen in alter Farbgebung (2002)
Abteil mit sechs Liegen, Leiter und Relings klappbar (2011)

Ein Liegewagen (in der Schweiz: Couchette) ist ein Reisezugwagen mit Sitzabteilen, deren Sitze zum Schlafen in eine Art Pritsche (einfaches Bett) umgewandelt werden können. Im Unterschied zu Schlafwagen weisen die Liegewagen eine höhere Belegungsdichte (4 bis 6 Liegen pro Abteil) auf. Sie haben auch weniger Komfort und Privatsphäre, weshalb die Preise deutlich niedriger als im Schlafwagen sind.

Geschichte

Österreich (1932) und Pauschalreisen

In den Jahren 1932 bis 1937 baute die österreichische BBÖ 15 ältere zweiachsige Wagen in Sportliegewagen um. Diese hatten vier Abteile zu je sechs Liegeplätzen und einen Abort, sie wurden überwiegend in Wintersportzügen eingesetzt. Nach 1945 wurden die noch vorhandenen Wagen in Sitzwagen rückgebaut.

In den 1950er Jahren begannen mehrere europäische Bahnen mit der Beschaffung moderner Liegewagen. Sie wurden sowohl in regulären Nacht-Schnellzügen eingesetzt, um breiteren Bevölkerungsschichten ein bequemeres Reisen bei Nacht zu ermöglichen, als auch in besonderen Zügen für Reisebüros, wobei die Fahrt als Teil einer Pauschalreise angeboten wurde.

2016 übernehmen die ÖBB 15 Liege- und 42 Schlafwagen der DB und werden ab Winterfahrplan (11. Dezember) 15 Strecken quer durch Mitteleuropa mit 74 Liege- und 52 Schlafwagen als ÖBB-Nightjets bedienen. Die Beschaffung und Umrüstung wird schrittweise erfolgen und 40 Mio. € kosten. Liegewagen sollen Vier- oder Sechsbettabteile sowie Sitzplätze haben. Ein Wettbewerb für Fotos für die Deckentapeten wurde ausgeschrieben. Äußerlich sind die Wagen dunkelblau mit angedeutetem Sternenhimmel.[1]

Deutsche Bundesbahn

Einer der Vorreiter war die Deutsche Bundesbahn, die ab 1954 neue Liegewagen der Bauart CL4ümg-54 (später Bcm 242) in Dienst stellte. Diese gehörten der neuen UIC-Bauart X an. Von dieser Wagenbauart beschafften die Touristikunternehmen Touropa und Scharnow eigene Fahrzeuge für ihren Reisebüro-Sonderzugverkehre an, die im Winter in die Alpen, im Sommer bevorzugt ans Mittelmeer eingesetzt wurden. Diese Wagen besaßen zwölf Abteile, wovon zehn bis elf für Liegezwecke vorbehalten waren, die anderen Abteile wurden als Küchenraum bzw. Liegeabteil genutzt.

Vorläufer waren die aus Eilzugwagen der Vorkriegsbauart entstandenen Reisebüro-Sonderzugwaggons, die mit Hängematten ausgestattet waren.

Die Liegewagen wurden in der Folgezeit verfeinert. Es entstanden spezielle Waggons mit sogenannten Vorzugsabteilen für die Sonderzüge von Reisebüros.

Für den normalen Reiseverkehr wurden ab 1963 modifizierte Wagen der Bauart Bcm 243 angeschafft, die nur noch elf Abteile (die D-Zugwagen hatten weiter derer zwölf) enthielten, wofür eines Begleitzwecken diente. Für den Turnusverkehr entstanden 27,5 Meter lange Turnus-Liegewagen mit Vorzugsabteilen in Wagenmitte der Bauart Bctm 256. Sie waren die längsten Liegewagen Europas. Die Vorzugsabteile in den Reisebüro-Liegewagen konnten wahlweise zu einem Großabteil zusammengelegt werden.

Die Liegewagen der DB hatten ursprünglich einen grünen Anstrich und wurden ab der Klassenreform 1956 überwiegend in blau ausgeführt. Einige Waggons bekamen 1972 eine Pop-Lackierung mit violettem, teilweise aber auch speisewagenrotem Fensterband. Ab 1974 erhielten die Liegewagen der DB, einschließlich der von den Touristikunternehmen übernommenen Wagen, den ozeanblau-beigen Anstrich (RAL 5020-RAL 1014).

Die 1986 eingeführten Produktfarben erhielten die DB-Liegewagen nicht, obwohl die IR-Variante blau-weiß, die für Fernverkehr stand, vorgesehen war. Erst ab 1996 wurde bei Liegewagen der DB der damals neue rot-weißen Fernverkehrsanstrich eingeführt. Einige Wagen wurden umgebaut und fanden in nachtblauer Lackierung in den CityNightLine-Zügen ein neues Betätigungsfeld.

Für den TUI-FerienExpress der Touristik Union International (TUI), die aus Touropa und Scharnow hervorging, wurden Ende ab 1979 Liegewagen mit höherem Komfort (nur fünf Betten pro Abteil, Klimaanlage) gebaut. Diese Wagen wurden später an die NS verkauft.

Deutsche Reichsbahn

Liegewagen des Typs Y/B70 (Baujahr 1979)

Als eine der ersten Neubeschaffungen nach Kriegsende erschienen 1951 die ersten Liegewagen, zunächst als Schlafwagen dritter Klasse (WLC4ül-50) eingeordnet. Sie entsprachen mit eingezogenen Einstiegstüren, Senkfenstern, Faltenbalgübergängen und der Länge über Puffer von 21,27m wagenbaulich den Schnellzugwagen der Einheitsbauart und liefen auf Drehgestellen der Bauart Görlitz III leicht. Die Liegen waren mit grünem Kunstleder bezogen. Teilweise wurden diese Wagen später umgebaut, dabei erhielten sie Fenster, bei denen nur noch das obere Drittel mittels einer Kurbel geöffnet werden konnte. Ausgemustert wurden sie um 1980, nachdem sie in den letzten Jahren zuvor nur noch als Sitzwagen eingesetzt wurden.

Auf Basis der B und Y/B-70-Wagen beschaffte die DR Liegewagen, die sonst weitgehend den Sitzwagen glichen. Solche Wagen wurden auch an andere osteuropäischen Bahnverwaltungen geliefert.

Die Lieferung 1964 entsprach dem Typ B mit rechteckigem Grundriss, auffällig waren die mit lindgrünem Sprelacart verkleideten Innenwände. Neu war, dass Tagessitz- und Liegefläche getrennt waren, da die Liegen in die Nachtstellung heruntergeklappt wurden. Die Liegeflächen waren damit im Gegensatz zu denen der DB-Wagen absolut eben. Wegen der Dachwölbung waren die oberen Liegen am Fußende eingezogen. 1979 wurde eine neue Serie, dem Typ Y/B 70 entsprechend, geliefert. Die DR erhielt 60 Fahrzeuge, die ČSD ebenfalls, die MÁV 30 und die BDŽ 20. Die Wagen hatten Einstiege mit dritter Trittstufe, Wandverkleidungen mit Mahagonidekor und textilbezogene Liegeflächen. Die DR-Wagen waren zuerst dunkelgrün lackiert, ab den frühen 1980er Jahren erhielten sie ebenso den üblichen chromoxidgrün-beigen Lack der DR-Reisezugwagen. Ab 1984 folgten Liegewagen in UIC-Z-Bauart mit 26,4 Meter langen Fahrzeugen, die sonst den Halberstädter Wagen glichen, aus dem VEB-Waggonbau Bautzen. Diese Bauart lief vollständig auf Drehgestellen der Bauart GP200 und besaß von Anfang an zentrale Energieversorgung über die Zugsammelschiene.

Alle DR-Liegewagen ab dem Baujahr 1964 hatten aufgrund ihrer Ableitung von den Sitzwagen im Vergleich zu denen der DB (acht Sitzplätze im Abteil statt sechs, dafür keine Notsitze im Gang) einen etwas schmaleren Seitengang und dadurch längere Liegeflächen.

Andere Bahnen

Corail-Liegewagen der SNCF in Cerbère (mit breiten Puffertellern für den Verkehr mit Spanien)

Die französische Staatsbahnen SNCF hatten in den 1980er Jahren als Billigangebot so genannte Cabine-8-Wagen eingeführt, bei denen in jedem Abteil acht besonders ausgeformte Liegesitze in Wannenform vorhanden waren. Diese Wagen waren zuschlagfrei zu benutzen. Sie bewährten sich jedoch nicht. Inzwischen wurden sie für andere Zwecke umgebaut.

Viele der europäischen Bahnverwaltungen gingen in den 1970er Jahren über, ihre Liegewagen mit einem schlafwagenblauen Anstrich zu versehen (Tschechien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Österreich, Schweiz) mit mehr oder weniger Anteil Blau.

Formen

Liegewagen bieten heute in neun bis elf Abteilen pro Wagen bis zu sechs Liegen an, die sich am Tag in Sitzbänke umwandeln bzw. wegklappen lassen, sowie ein Begleiterabteil. Darüber hinaus sind sie mit Toiletten und Waschräumen ausgestattet. Beim Liegewagenbegleiter sind Getränke und Frühstück erhältlich (bei einigen Zügen, darunter EuroNight der ÖBB, ist ein kleines Frühstück im Liegewagenzuschlag eingeschlossen). Liegewagen können normalerweise mit Fahrkarten der zweiten Wagenklasse benutzt werden.

Einige Bahnen, darunter die in Frankreich, Ungarn und Rumänien, bieten oder boten auch Liegewagen erster Klasse an, die dann nur vier Liegeplätze pro Abteil haben oder hatten (in der Tagstellung aber sechs Sitzplätze).

Eine besondere Art des Liegewagens war der Kajütliegewagen in den Talgo-Nachtzügen des innerdeutschen Verkehrs (bis 2009). Die Sitze beiderseits des Mittelganges ließen sich in eine Liege umwandeln, eine weitere wurde aus der darüber liegenden Decke des Fahrzeugs herausgeklappt. Die Liegen waren lediglich mit Vorhängen vom Mittelgang abgetrennt. Diese Bauform leitet sich von amerikanischen Pullman-Schlafwagen ab. Sie wird auch bei der Malaysischen und der Thailändischen Eisenbahn eingesetzt.

In den Fernzügen der ehemaligen Sowjetunion werden als billigste Kategorie mit reserviertem Schlafplatz die Plazkartny-Wagen (russisch: Плацкартный вагон) angeboten, bei denen sich Liegen in Längs- und Querrichtung in einem Großraum befinden. Diese werden häufig auch bei reinen Tages-Fahrten eingesetzt.

Einige neuere Nachtzüge, z.B. CityNightLine, führen Sleeperette-Wagen (Ruhesesselwagen) mit verstellbaren Liegesitzen in einem Großraum als Billigkategorie. Der Versuch, diese »Liegesitze« als alleinige Alternative zu Schlafwagen einzuführen, endete jedoch mit einem finanziellen Misserfolg. CityNightLine musste sowohl in den Talgo- als auch in den regulären, von DACH-Hotelzug übernommenen Nachtzugverbindungen, wieder Liegewagen einführen.

Weblinks

Commons: Liegewagen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweis

  1. ÖBB übernehmen Nachtzüge der Deutschen Bahn orf.at, 7. Oktober 2016, abgerufen 7. Oktober 2016.