Lucius Voltacilius Plotus

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Voltacilius auf Suetons Liste der berühmten Rhetoren

Lucius Voltacilius Plotus (* vor 106 v. Chr.[1]; † nach 48 v. Chr.[1]), Cognomen auch Pitholaus, war ein römischer Rhetor und Autor. Er unterrichtete Pompeius den Großen und begann als erster Freigelassener Geschichte zu schreiben, vornehmlich Biographien über seinen berühmten Schüler und dessen Vater Pompeius Strabo. Seine Schriften sind verloren.

Leben und Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über sein Leben ist fast nichts bekannt. Immerhin erwähnt Suetons Kurzbiografie einige Stationen seiner Karriere vom Sklaven bis zum Rhetor: „Es heißt, Lucius Voltacilius Plotus sei Sklave und sogar nach alter Sitte ein Türhüter in Ketten[2] gewesen, solange bis er, freigelassen wegen seiner Begabung und seines Interesses für Literatur und Wissenschaft, seinen Herrn bei dessen Gerichtsklagen unterstützte. Danach, inzwischen hatte er sich die Redekunst angeeignet, unterrichtete er Pompeius den Großen; und er beschrieb in mehreren Büchern die Taten des Vaters des Pompeius und nicht weniger die Taten des Pompeius selbst; als erster von allen Freigelassenen, so meint immerhin Cornelius Nepos, begann er Geschichte zu schreiben, die bis dahin üblicherweise nur in der Hand sehr vornehmer (sozial hochstehender) Männer lag.“[3]

Über die Gens Voltacilius, die ihn freiließ, ist nichts bekannt. Über das Cognomen Plotus lässt sich seine Herkunft nicht erschließen. Wird ihm das Cognomen Pitholaus zugesprochen, könnte ein griechischer Migrationshintergrund vorgelegen haben (siehe unten: Cognomen), zumal die meisten Lehrer der Rhetorikschulen aus Griechenland kamen.

Der erste freigelassene Geschichtsschreiber, darin liegt seine Bedeutung, denn die Römische Geschichtsschreibung lag traditionell in der Hand der Senatoren (Senatorische Geschichtsschreibung). Mit dem Aufstieg der Popularen im Römischen Bürgerkrieg gelang es der Plebs und somit auch Freigelassenen, das Bildungsprivileg der Optimaten zu brechen und ihre Bildungschancen zu verbessern. Voltacilius profitierte von dieser Entwicklung und konnte 81 v. Chr. als Latinus rhetor eine Rhetorikschule eröffnen.[4]

Name und Identität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Überlieferung des Namens ist variantenreich. Das Praenomen Lucius muss sich eines Marcus erwehren, das Nomen gentile Voltacilius hat sich weitgehend durchgesetzt,[5] das Cognomen schwankt zwischen Plotus und Pitholaus.[6] Andere Wege geht Michael Winterbottom, der aus den Quellen einen Manius Otacilius Pitholaus herausfiltert.[7]

Praenomen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Vorname wird meist Lucius angesetzt.[8]

Doch Macrobius zitiert einen zeitgenössischen Marcus Octacilius mit folgendem Bonmot: „Als Caninius Revilus (nur) ein Tag Konsul war, sagte Marcus … Octacilius Pitholaus: Früher wurden die Flamines (Jupiterpriester) für einen Tag (zum Priester), jetzt werden die Konsuln für einen Tag (zum Konsul) ernannt.“[9] Der Wortwitz liegt im Begriff Diales[10], eigentlich mit der Bedeutung „für Jupiter“, die Flamines Diales waren also die Jupiterpriester. Dialis wird aber von Voltacilius in Assoziation mit dies (Tag) in der Bedeutung „für einen Tag“ parodistisch eingesetzt.

Das Wortspiel richtete sich gegen Caesar, der 45 v. Chr. diesen Eintagskonsul ernannte und der dafür von seinen Gegnern, den Anhängern des Pompeius, zu denen die Voltacilier wohl gehörten, verspottet wurde. Es scheint unwahrscheinlich, dass dieser Marcus mit dem Lucius identisch ist, zumal das macrobische Cognomen Pitholaus vom suetonischen Plotus stark abweicht.[11]

Es bleibt, dass Marcus möglicherweise ein Familienmitglied der Voltacilier war.

Das Wortspiel des Voltacilius wurde von Cicero aufgegriffen und weitergegeben.[12]

Gentilname[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Familienname wird in Suetons Handschriften variantenreich überliefert: „Das nomen wird in den sämtlich jungen Handschriften teils Voltacilius … teils Oltacilius, Octacilius, Otacilius, einzeln auch Volcatius geschrieben; vergleicht man damit die handschriftliche Überlieferung … so wird man nicht anstehen, die erste Form … für die ursprüngliche des suetonischen Textes zu halten“.[13] Voltacilius kommt auch der Überlieferung bei Hieronymus am nächsten, bei dem Vultacilius zu lesen ist.

Cognomen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die verschiedenen überlieferten Formen des Beinamens (Plotus, Pilutus, Philotas, Pitholaus u. a.) lassen keine endgültige Klärung zu. Bei Hieronymus, und Reifferscheid folgt ihm, findet sich der Plotus.

Martin Hertz, Martin Schanz und Werner Peek[14] favorisieren Pitholaus, denn dieser wird auch von Sueton genannt: „Die empfindliche Kränkung seiner Ehre... durch die höchst schmähsüchtigen Gedichte (Invektiven) des Pitolaus ertrug er (Caesar), als ob er nur ein einfacher Bürger einer Republik wäre.“[15] Die Schmähung passt gut zur politischen Haltung der Voltacilier (Anhänger des Pompeius) und zur Überlieferung der Verunglimpfung Caesars in Macrobius’ Iulius Caesar (siehe oben: Praenomen).

Horaz nennt einen Rhodier Pitholeon. In seiner Argumentation gegen die Aufnahme des Griechischen in lateinische Verse ruft er aus: „Ihr in der Kunst Nachreifende, denen für schwierig und für wunderbar gilt, was Pitholeon selber aus Rhodus leistete!“[16] – nämlich einen griechisch-lateinischen „Mischmasch“[17] zu schreiben.

Die Schreibweise Pitholeon ähnelt dem Pitholaus, die meisten Rhetoriklehrer hatten einen griechischen Migrationshintergrund. Obwohl diese Parallelen es nahelegen, reichen sie für eine Gleichsetzung der beiden Männer nicht aus.[11]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Macrobius: Saturnalien, Buch 2, 2, 13: das Praenomen Marcus; 7, 3, 10: Cicero und das Bonmot über den Eintagskonsul.
  • Sueton:
Fragmente über die berühmten Rhetoren, herausgegeben von August Reifferscheid: C. Suetoni Tranquilli praeter Caesarum libros reliquiae (Die Überreste des Gaius Suetonius Tranquillus ohne die Bücher über die Caesaren), Verlag Teubner, Leipzig 1860, Seite 124: Kurzbiographie; book.google.de.
Julius Caesar, Biographie, Kapitel 75: Invektive gegen Caesar.
  • Hieronymus: Chronik, herausgegeben von Angelo Mai, Vatikanische Druckerei, Rom 1833, S. 364: 174. Olympiade, Eröffnung der Schule; books.google.de.
  • Horaz: Satiren, Buch 1, 10, 20–21: Nebenform Pitholeon.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Susan Treggiari: Pompeius’ Freedman Biographer Again. In: The Classical Review. Band 19, 1969, S. 264–266 (JSTOR:707719).
  • Martin Hertz: Der Name des ersten römischen Geschichtsschreibers aus dem Stand der Freigelassenen. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 43, 1888, S. 312–314 (Digitalisat).
  • Martin Schanz: Geschichte der römischen Literatur (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Band 8). Teil 1. C. H. Beck, München 1890, § 115, Seite 162: Plotius, einer der ersten römischen Biographen (Digitalisat).
  • Michael Winterbottom: in The Oxford Classical Dictionary, Oxford University Press, 4. Auflage 2012, s. v. Otacilius Pitholaus, Manius: „If recent identifications are correct, this is a single person alluded to under various guises …“

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Denn er war Lehrer des Großen Pompeius (* 106 v. Chr.) und dessen Biograph († 48 v. Chr.).
  2. Anthony Rich: Illustriertes Wörterbuch der römischen Alterthümer. Firmin Didot Frères, Fils & Cie., Paris / Leipzig 1862, S. 430 (Digitalisat): „Ein Sclave … der, in älteren Zeiten, neben dem Eingange des Hauses an einer Kette angeschlossen war (…), um jeden Eintretenden zu erkennen.“ Siehe auch Karl Schneider: Ianitor 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IX,1, Stuttgart 1914, Sp. 692 f. (hier Sp. 693, Digitalisat).
  3. L. Voltacilius Plotus seruisse dicitur atque etiam ostiarius vetere more in catena fuisse, donec ob ingenium et studium litterarum manumissus accusanti patrono subscripsit. deinde rhetoricam professus Cn. Pompeium Magnum docuit; patrisque eius res gestas nec minus ipsius compluribus libris exposuit; primus omnium libertinorum, at Cornelius Nepos opinatur, scribere historiam orsus, nonnisi ab honestissimo quoque schribi solitam ad id tempus. Sueton, Reifferscheid, Seite 124.
  4. „Voltacilius (anders Acilius) Plotus, ein Rhetor, der auf Latein unterrichtete (zum Latinus rhetor siehe Plotius), ein Freigelassener und Lehrer des Pompeius, eröffnete (81 v. Chr.) in Rom eine Schule“; Vultacilius (al. Acilius) Plautus latinus rhetor Cn. Pompeii libertus et doctor scholam Romae aperuit; Hieronymus, Chronik, das 4. Jahr der 174. Olympiade = 81 v. Chr. Reifferscheid merkt mit Berufung auf Sueton an: „In diesem Punkt irrt Hieronymus, dass er Voltacilius einen Freigelassenen des Gnaeus Pompeius nennt. (Denn) Sueton nannte keineswegs einen Herren;“ in eo errat Hieronymus, quod Voltacilium Cn. Pompei libertum nominat. Suetonius patronum omnino non nominavit; Sueton, Reifferscheid, Seite 124.
  5. Abweichend etwa Thorsten Fögen: Rezeption und Emanzipation: Anfänge römischer Redekunst und griechische Rhetorik. In: Michael Erler, Christian Tornau (Hrsg.): Handbuch Antike Rhetorik. De Gruyter, Berlin / Boston 2019, S. 55–80, hier S. 59. 61, der das Gentilnomen Otacilius einsetzt.
  6. Zur Diskussion siehe auch Marie-Claude Vacher: Suétone. Grammairiens et rhéteurs. Texte établi et traduit. Les Belles Lettres, Paris 1993, S. 225–227.
  7. Michael Winterbottom: Otacilius Pitholaus, Manius. In The Oxford Classical Dictionary. Oxford University Press, 4. Auflage 2012.
  8. Hertz S. 312: „Die handschriftliche Überlieferung … und die von den Herausgebern aufgenommenen Lesarten entsprechen … den Ausgaben der Handbücher: nur der Vorname L. (Lucius) steht fest.“ Anders Robert A. Kaster: C. Suetonius Tranquillus: ‘De Grammaticis et Rhetoribus’. Edited with a Translation, Introduction, and Commentary. Oxford University Press, Oxford 1995, S. 34. 297–299, der S. 34 Manius als Praenomen bietet; ebenso Michael Winterbottom: Otacilius Pitholaus, Manius. In The Oxford Classical Dictionary. Oxford University Press, 4. Auflage 2012.
  9. Marcus … Octacilius Pitholaus, cum Caninius Revilus uno tantum die consul fuisset, dixit: ante flamines, nunc consules Diales fiunt; Macrobius, Saturnalien, Buch 2, 2, 13.
  10. Diales, Plural von Dialis: „für Jupiter, dem Jupiter zugehörig;“ siehe Georges, Handwörterbuch, Stichwort dialis, zeno.org.
  11. a b Treggari, S. 266: “Apart from the similarity of manuscript variants for the gentilicium there appears to be no strong reason for identifiying Plotus and Pitholaus-Pitholeon. It is possible to join up the two careers, but there is no obvious point of contact … Finally, Suetonius’ ignorance of any opposition to Caesar in the De Rhetoribus inclines me, to distrust the identification.”
  12. „Die Flamines, sagte er (Cicero), sind gewöhnlich Eintagspriester: jetzt gerade haben wir (auch) Eintagskonsuln“ = solent, inquit, esse flamines diales: modo consules diales habemus; Cicero, zitiert von Macrobius, Saturnalia 7, 3, 10.
  13. Hertz S. 312.
  14. Werner Peek: Peitholaos 2. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XIX,1, Stuttgart 1937, Sp. 218 (Digitalisat).
  15. Sueton, Iulius Caesar 75: Pitholai carminibus maledicentissimis laceratam existimationem suam civili animo tulit; Übersetzung nach Adolf Stahr: Gaius Suetonius Tranquillus: Sueton’s Kaiserbiographien. Hoffmann, Stuttgart 1857, S. 52 (Digitalisat).
  16. Horaz, Satiren Buch 1, Satire 10, Vers 20–21: o seri studiorum, quine putetis difficile et mirum, Rhodio quod Pitholeonti contigit; Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Des Quintus Horatius Flaccus Werke. Band 2: Satiren und Episteln. 3. Ausgabe Vieweg, Braunschweig 1822, S. 75.
  17. Wieland in seiner vernichtenden Kritik: „Was Horaz hier von diesem Graeculus (der, nach dem Scholiasten, in einem lächerlichen Mischmasch von Latein und Griechisch Epigrammen geschrieben haben soll) sagt, ist alles was man von ihm weiß; und besser wär' es für seinen Nachruhm, wenn man auch dies nicht wüßte.“ Christoph Martin Wieland: Horazens Satiren, Text mit Übersetzung und Erläuterungen, Verlag Weidmann, Leipzig 1819, Anmerkung 5, Seite 303 (Digitalisat).