Markus Nierth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. September 2016 um 13:39 Uhr durch G-Michel-Hürth (Diskussion | Beiträge) (+ Vorleben). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Markus Nierth (* 9. Februar 1969 in Eisleben)[1] ist ein deutscher evangelischer Theologe, Trauerredner und Ortschaftsrat, der im Zusammenhang der Konflikte um eine Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz überregionale Bekanntheit erlangte.

Leben

Nierth floh 1980 in den Westen und studiere nach dem Abitur 1984 evangelische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel und an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Er wollte Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau werden. Er absolvierte sein Vikariat von 1997 bis 1999 Vikar in Rimbach (Odenwald). wegen schlechter Chancen für eine Pfarrstelle ging er zurück in die ehemalige DDR, um dort mit Spenden evangelische Gemeinden aufzubauen. Seinen Unterhalt erwarb er als freiberuflicher Trauerredner.[2] Nierth ist seit 2009 in zweiter Ehe verheiratet.

Er war von 2009 bis 2015 ehrenamtlicher Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt. Er legte im März 2015 sein Amt nieder, als Bürger des Ortes, darunter auch rechtsextreme Demonstranten, an seinem Haus vorbeiziehen wollten und er die Sicherheit seiner Familie nicht mehr gewährleistet sah. Trotz offen geäußerter Bedenken setzte sich Nierth für die Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz ein und widersetzte sich damit fremdenfeindlichen Bürgern und NPD-Aktivisten.[3]

Politik und Rücktritt

Der von der CDU für das Amt nominierte parteilose Theologe Markus Nierth war fünfeinhalb Jahre Amtsinhaber und hatte sich offen für die Unterbringung von 40 Flüchtlingen in Tröglitz eingesetzt. Daraufhin betrieben fremdenfeindliche Tröglitzer Bürger, NPD-Mitglieder (NPD-Kreis Burgenland) sowie diesen nahestehende Kreise ab Januar 2015 jeden Sonntag Protestmärsche durch die Ortschaft. Angemeldet wurden die „Sonntagsspaziergänge“ von NPD-Kreisrat Steffen Thiel (* 1976) [4]. Nierth lud daraufhin zum sonntäglichen Friedensgebet in seine Kirche ein, um ein Zeichen für Weltoffenheit in Tröglitz zu setzen. Als bei der zehnten fremdenfeindlichen Demonstration die Endkundgebung des Marsches nach NPD-Plänen vor dem Privathaus von Markus Nierth abgehalten werden sollte und er nur sehr wenig Rückenstärkung aus der Bürgerschaft erhielt und auch von Seiten des Burgenlandkreises keinen ausreichenden Rückhalt verspürte, sah er sich außerstande, das Amt weiterzuführen.[4][5][6] Nierth sah sich sowohl vom Landkreis (Landrat Götz Ulrich) und der Nachbarschaft, aber auch den Parteien alleingelassen. Der dpa sagte er: „Meine Frau und ich wurden zur persönlichen Zielscheibe“. Dennoch betonte Nierth immer wieder, Tröglitz sei kein radikaler Ort, jedoch fehlten die Sozialstrukturen. Dass im Ort 40 Asylbewerber untergebracht werden sollten, hätte anders vorbereitet werden müssen.[7]

Der Kreistag bekräftigte im März das Vorhaben und sprach sich mehrheitlich für die Aufnahme von Asylbewerbern in Tröglitz aus. Landrat Götz Ulrich sah darin ein „Signal“, dass man nicht einknicke vor Demonstrationen, die von der NPD organisiert würden. Inzwischen sind vier Familien in Tröglitzer Privatwohnungen untergebracht, drei afghanische Familien betreut Markus Nierth mit seiner Familie als Pate und wird weiter für sein Engagement angefeindet.[8][9]

Reaktionen

Der Fall aus dem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt sorgte für bundesweite Aufmerksamkeit. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, der Fall von Bürgermeister Markus Nierth bewege sie und sie verstehe die Sorge, die er sich um seine Familie mache. Fahimi: „Und ich verstehe die Verzweiflung, die Nierth angesichts der Untätigkeit der Behörden verspürt hat, die offenbar zu wenig getan haben gegen die rechtsextremistischen Umtriebe in dem Ort.“ Weiter sagte sie, es könne nicht angehen, dass jemand zurücktreten müsse, weil er sich für Minderheiten engagiere und sich Neonazis in den Weg gestellt habe.[7] Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bedauerte Nierths Rücktritt als Ortsbürgermeister.[10]

Werk

  • Markus Nierth, Juliane Streich: Brandgefährlich: Wie das Schweigen der Mitte die Rechten stark macht – Erfahrungen eines zurückgetretenen Ortsbürgermeisters, Ch. Links Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86153-909-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wahlvorschläge der Ortschaft Tröglitz zur Ortschaftsratswahl am 25. Mai 2014 (PDF-Dokument)
  2. Nierth bei Südwestpresse (nach epd) vom 21. März 2015
  3. Tröglitz: Die große Mehrheit ist still, Artikel auf Zeit.de vom 11. März 2015
  4. a b Nach Anfeindungen durch Rechtsextreme - Ortsbürgermeister von Tröglitz tritt zurück (Memento vom 12. März 2015 im Internet Archive), MDR Sachsen-Anhalt, 9. März 2015
  5. Bürgermeister tritt wegen NPD-Demo zurück, sueddeutsche.de, 9. März 2015
  6. Rücktritt wegen NPD-Demo: "Ich wurde als Bürgermeister geopfert", Spiegel Online, 9. März 2015
  7. a b Politiker empört nach Bürgermeister-Rücktritt, auf tagesschau.de vom 10. März 2015
  8. MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE vom 2. Oktober 2015 (ab 3.23 min)
  9. Thomas Gerlach: Alltagsrassismus in Tröglitz: Teilen macht reich. In: taz.de. 3. März 2016, abgerufen am 11. März 2016.
  10. Mitteldeutsche Zeitung vom 9. März 2015: "Stahlknecht hat Angst vor Nachahmern"