Mehrwertsteuer

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Die Mehrwertsteuer (abgekürzt MwSt) ist eine auf mehreren Stufen der Wertschöpfung erhobene Steuer, für deren Festsetzung die Einnahmen von Unternehmen mit Ausgaben der Unternehmen verrechnet werden.[1]

Abgrenzung zur Umsatzsteuer

Die Mehrwertsteuer ist der Umsatzsteuer ähnlich. Die in Deutschland und Österreich als „Umsatzsteuer“ bezeichnete Steuer ist der Sache nach eine Mehrwertsteuer. Die Verwendung des Begriffes „Umsatzsteuer“ synonym für „Mehrwertsteuer“ ohne den erklärenden Zusatz "mit Vorsteuerabzug" ist irreführend.

Die eigentliche Umsatzsteuer wird dem Wortsinne nach bei jedem Zwischenverkauf auf den gesamten Umsatz erhoben, wodurch sie sich bei mehreren Zwischenverkäufen kumuliert. Insofern unterscheidet sie sich von der Mehrwertsteuer.

Dagegen wird die Mehrwertsteuer, wie sie in der Europäischen Union ausgestaltet ist, zwar auch bei jedem Zwischenverkauf auf den gesamten Umsatz erhoben; jeder Zwischenverkäufer kann sich die von ihm selbst bezahlte Mehrwertsteuer aber als Vorsteuer erstatten oder auf die eigene Mehrwertsteuerschuld anrechnen lassen, so dass er selbst nur mit der Steuer auf die Differenz zwischen seinen mit Umsatzsteuer belasteten Kosten und dem Verkaufspreis belastet ist, also dem von ihm geschaffenen Mehrwert.

Geschichte

Die Idee einer Mehrwertsteuer geht auf Carl Friedrich von Siemens zurück. Als von Siemens 1919 die Umsatzsteuer kritisierte, war die Steuerlast noch umso höher, je mehr Unternehmen ein Produkt auf dem Weg zum Endkunden durchlief.[2] Dies begünstigte Großunternehmen mit hoher Fertigungstiefe (deren interne Stationen prinzipbedingt nicht besteuert wurden) und verzerrte somit den Wettbewerb.

Erst Ende der 1940er Jahre begann man, von dieser Praxis abzurücken. Frankreich machte diese ersten Schritte, allerdings ohne alle Wirtschaftszweige einzubeziehen. Die erste alle Wirtschaftszweige umfassende Mehrwertsteuer wurde 1953 in Michigan eingeführt.[3]

Um die Jahrtausendwende erhoben rund 120 Staaten eine Mehrwertsteuer und erzielten daraus durchschnittlich rund 25 % ihrer Steuereinnahmen.[1]

Innerhalb der Europäischen Union ist die Mehrwertsteuer rechtlich vereinheitlicht durch die sogenannte Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL).[4] Die Richtlinie wurde seit der Veröffentlichung 2006 mehrmals angepasst.[5]

Festsetzungsmethoden

Subtraktionsmethode

Von der Summe der Erlöse eines Unternehmens werden anrechenbare Ausgaben abgezogen. Am verbleibenden Betrag wird die Mehrwertsteuer bemessen.[1] Diese Methode wurde unter anderem bei der 1953 bis 1975 im US-Bundesstaat Michigan geltenden Mehrwertsteuer[6] und wird bei der Mehrwertsteuer in Japan angewendet.

Additionsmethode

Die Erlöse eines Unternehmens werden zusammengezählt und dabei gegebenenfalls angepasst; anhand der Summe wird die Wertschöpfung abgeschätzt und die Mehrwertsteuer bemessen.[1] Nur New Hampshire erhebt eine allgemeine Mehrwertsteuer, die nach dieser Methode festgesetzt wird. Einige Staaten wenden sie bei Mehrwertsteuern an, die auf den Finanzsektor beschränkt sind.

Rechnungsmethode

Die Unternehmen stellen Rechnungen aus, in denen die im Rechnungsbetrag enthaltene Mehrwertsteuer ausgewiesen wird. Wenn die Mehrwertsteuer auf Einnahmen gegenüber der Mehrwertsteuer auf Ausgaben überwiegt, zahlt das Unternehmen die Differenz an die Finanzbehörden. Im umgekehrten Fall zahlen die Finanzbehörden dem Unternehmen die Differenz aus. Diese Methode ist am weitesten verbreitet und wird beispielsweise von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union angewendet.[7]

Mehrwertsteuer-Typen

Produkt-Typ

Bei diesem Typ wird die auf Investitionsgüter gezahlte Mehrwertsteuer nicht verrechnet. Die erste Mehrwertsteuer überhaupt war von diesem Typ. Er wurde beispielsweise auch in China und Brasilien eingeführt.[1]

Einkommen-Typ

Bei diesem Typ wird die gezahlte Mehrwertsteuer nur im Rahmen des Wertverlusts verrechnet.[1] Die 1953 in Michigan eingeführte Mehrwertsteuer war von diesem Typ.

Konsum-Typ

Bei diesem Typ wird die gezahlte Mehrwertsteuer grundsätzlich unbeschränkt verrechnet. In der Praxis kommen jedoch Einschränkungen vor, die zum Teil beabsichtigt sind und zum Teil auf Verwaltungsmängeln beruhen.[1] Unter Einbeziehung unvollkommener Umsetzungen ist dieser Typ am meisten verbreitet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Liam P. Ebrill, Michael Keen, Jean-Paul Bodin, Victoria Summers: The modern VAT. Internationaler Währungsfonds, Washington 2001, ISBN 978-1-58906-026-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Qualm unterm Hut. Spiegel-Verlag, 21. August 1967, abgerufen am 9. Juni 2010.
  3. Robert F. van Brederode: Systems of General Sales Taxation. Theory, Policy and Practice. Kluwer Law International, Austin 2009, ISBN 978-90-411-2832-4, S. 7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Vorlage:EG-RL. EUR-Lex, 11. Dezember 2006, abgerufen am 14. November 2015.
  5. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. Europäische Union, 4. Februar 2011, abgerufen am 13. September 2013.
  6. Michigan's Single Business Tax. (PDF; 372 KB) State of Michigan, archiviert vom Original am 29. September 2006; abgerufen am 9. Juni 2010.
  7. Wie die Mehrwertsteuer funktioniert. Europäische Kommission, abgerufen am 9. Juni 2010.