Michael Bachmann (Theologe)

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Michael Bachmann (* 26. Januar 1946 in Minden) ist ein deutscher evangelischer Theologe und Neutestamentler und seit 1995 Professor an der Universität Siegen[1].

Leben

Michael Bachmann wurde am 26. Januar 1946 in Minden (Westfalen) geboren.

Nach dem Abitur studierte er Mathematik und Evangelische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, war von 1975 bis 1978 als Mitarbeiter (Wissenschaftlicher Assistent) am Institutum Judaicum Delitzschianum tätig und absolvierte anschließend sein Referendariat (Mathematik; Evangelische Religionslehre) an einem Münsteraner Gymnasium. 1978 erfolgte seine Promotion (mit der bei Karl Heinrich Rengstorf geschriebenen Dissertation „Jerusalem und der Tempel. Die geographisch-theologischen Elemente in der lukanischen Sicht des jüdischen Kultzentrums“).

Ab 1980 lehrte und forschte Bachmann an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, schon bevor er sich 1990 an der Universität Basel (mit der bei Ekkehard W. Stegemann eingereichten Arbeit „Sünder oder Übertreter. Studien zur Argumentation in Gal 2,15ff.“) habilitierte und die venia legendi für das Fach Neues Testament erhielt.

1995 folgte er einem Ruf an die Universität Siegen, an der er eine Professur für Evangelische Theologie, insbesondere Fachdidaktik der Evangelischen Theologie (mit einem fachwissenschaftlichen Schwerpunkt in der Biblischen Theologie [Neues Testament]) übernahm. Einen Ruf auf den Lehrstuhl für Neues Testament an der Universität Aarhus lehnte er 2000 ab. Seine Emeritierung erfolgte im Februar 2011.

Bachmann lebt und arbeitet seit langem in St. Märgen (Schwarzwald). Er wurde in der evangelischen Landeskirche Baden ordiniert.[2]

Wissenschaftliche Tätigkeit und Schwerpunkte

Einen gewissen Schwerpunkt der jüngeren Studien Bachmanns bildet die Paulusexegese. Dabei spielen u. a. Fragen der paulinischen Argumentation („Logik“) und der Rechtfertigungslehre eine Rolle. Seit seiner Habilitationsschrift wird hierbei nicht zuletzt der Galaterbrief stärker bedacht, besonders das in diesem Brief im griechischen Sprachraum erstmals begegnende Syntagma „Werke des Gesetzes“, das Bachmann bereits 1989 mit dem in der Qumran-Schriftrolle 4QMMT (Zeile C27) auftauchenden hebräischen Begriff ma‛ase ha-torah (מעשי התורה, übersetzbar als „Gebote der Tora“ oder aber „Werke der Tora“)[3] in Verbindung brachte. Innerhalb der so genannten „Neuen Paulusperspektive“ nimmt Bachmann eine recht eigenständige Position ein, auch insofern er nachzuweisen sucht, dass dieser feststehende Ausdruck, auf den Paulus nach seiner Hypothese Bezug nimmt, sich primär auf bestimmte religionsgesetzliche Halakhot (Einzelvorschriften) bezieht, und zwar nach Bachmanns Überzeugung sehr wahrscheinlich auf zeremoniell-kultische Vorschriften und nicht auf ethische oder soziale Gesetze. Die Frage, inwieweit Paulus „das Gesetz“ ablehnte oder für Heidenchristen außer Kraft setzte und ob das zeitgenössische Judentum ihm Heilswirksamkeit beimaß, wird vor diesem Hintergrund diskutiert.

Weitere Schwerpunkte der Bachmannschen Arbeit bilden u. a. die Auslegung des lukanischen Doppelwerks (z.B.: die Rolle Jerusalems, auch des dortigen Tempels, ferner die Funktion der Stephanusepisode), des Hebräerbriefs und der Johannesapokalypse. Auf hier begegnen eher unkonventionelle Thesen, so zur positiven Wertung des ersten apokalyptischen Reiters (von Offb 6,1f.) und zum himmlischen Heiligtum (zumal von Apg 7,55f.; Offb 11,1).

Bemerkenswert sind eine ganz Reihe von Wörterbuchartikeln (so zum Tempel im Neuen Testament und zu den Wörtern "tun" sowie "Werk" in den Qumranschriften). Im Zusammenhang damit läßt sich auch Bachmanns Monographie "Göttliche Allmacht und theologische Vorsicht. Zu Rezeption, Funktion und Konnotationen des biblisch-frühchristlichen Gottesepithetons pantokrator" nennen, erschienen 2002. Dort wird in einem exegetischen Durchgang u.a. durch das Alte Testament, durch die Septuaginta und durch die neutestamentlichen Schriften der Nachweis unternommen, dass das häufig vertretene Verständnis des Begriffs "Allmacht", dass nämlich Gott jederzeit in der Lage sein müsse, "alles" zu verursachen und "alles" zu verhindern, sich jedenfalls nicht als biblisch intendiert nachweisen läßt; solche Vorstellungen kommen erst einigermaßen spät auf (und begegnen dann etwa bei Augustin). Die biblischen Überlieferungen implizieren gerade bei der Verwendung des Wortes pantokrator oft einen Zeitfaktor, der besagt, dass der so Gekennzeichnete sich in Zukunft, auch am "Ende der Zeit", als Herrscher erweisen wird – vorher womöglich gar nicht oder doch nur gelegentlich. Bachmann stellt diese Erwägungen in den Kontext der (abendländischen) Beschäftigung mit dem Theodizeeproblem und bedenkt dabei ferner auch wichtige religionspädagogische Konsequenzen (im Blick auf den Umgang mit der Allmachtsthematik im Religionsunterricht).

Solche Reflexionen (die sich gerade auch nach dem Holocaust aufdrängen) gehören zu Bachmanns Aufmerken auf methodische Fragen ("Priorität der Synchronie vor de Diachronie") und auf hermeneutische Aspekte, denen nicht zuletzt angesichts eines möglicherweise bereits im Neuen Testament angelegten antijudaistischen Denkens nachzugehen ist – wenn er auch für Jesus selbst und das früheste Christentum meint, dass da zwar innerjüdische "Familienkonflikte" eine Rolle gespielt haben werden; diese hätten aber doch erst nach der weitgehenden Trennung der Wege von Christentum und Judentum zu so etwas wie Antijudaismus geführt. Das Interesse an der Rezeptionsgeschichte kommt bei Bachmann auch zu in einer ganzen Reihe von auslegungsgeschichtlichen Studien zum Ausdruck. Darunter begegnen auch solche kunsthistorischer bzw. ikonographischer Art (u.a. zu den apokalyptischen Reitern und zum Motiv "Kirche und Synagoge").

Schriften

Monographien
  • Jerusalem und der Tempel. Die geographisch-theologischen Elemente in der lukanischen Sicht des jüdischen Kultzentrums (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 109). Kohlhammer, Stuttgart 1980 (Nachdruck als Taschenbuch auf Bestellung, ISBN 978-3170225534)
  • Sünder oder Übertreter. Studien zur Argumentation in Gal 2,15ff. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 59). Mohr-Siebeck, Tübingen 1992, ISBN 978-3161457968
  • Göttliche Allmacht und theologische Vorsicht. Zu Rezeption, Funktion und Konnotationen des biblisch-frühchristlichen Gottesepithetons pantokrator (Stuttgarter Bibelstudien 188). Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2002, ISBN 978-3460048812


Aufsätze

Wesentliche Teile aus Bachmanns auf viele Einzelveröffentlichungen verteilter Aufsatzproduktion der letzten Jahre sind in zwei 1999 und 2011 erschienenen Sammelbänden zusammengefasst, deren Inhaltsverzeichnisse online eingesehen werden können. Die 1999 erschienene Aufsatzsammlung, in der sich Bachmanns maßgebliche Beiträge zur Paulusforschung befinden, wurde 2009 auch in englischer Übersetzung publiziert.

  • Antijudaismus im Galaterbrief? Exegetische Studien zu einem polemischen Schreiben und zur Theologie des Apostels Paulus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 978-3-525-53940-8
    (Inhalt)
    • Engl.: Anti-Judaism in Galatians? Exegetical Studies on a Polemical Letter and on Paul's Theology. Translated by R.L. Brawley, Eerdmans, Cambridge 2009
  • Von Paulus zur Apokalypse – und weiter. Exegetische und rezeptionsgeschichtliche Studien zum Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-53398-7
    (Inhaltsverzeichnis und Leseprobe: der in dem Band erstmals veröffentliche Aufsatz „Synchrone und diachrone Exegese des Neuen Testaments. Zu Unsinn und Sinn bibelwissenschaftlicher Arbeit.“)


Lexikoneinträge


Herausgeberschaft

Unter den Herausgeberschaften Bachmanns sticht das unter Mitarbeit von Johannes Woyke herausgegebene einschlägige deutschsprachige Sammelwerk zur Neuen Paulusperspektive hervor:

  • Lutherische und Neue Paulusperspektive. Beiträge zu einem Schlüsselproblem der gegenwärtigen exegetischen Diskussion (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 182). Mohr-Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 978-3161487125


Weitere Veröffentlichungen Bachmanns sind der Literaturliste auf seiner Homepage an der Universität Siegen zu entnehmen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kurzvita auf der Internetpräsenz der Universität Siegen (abgerufen am 23. Januar 2016).
  2. Leserbrief Bachmanns vom 7. Juni 2014 in der Badischen Zeitung (abgerufen am 23. Januar 2016).
  3. Hanne von Weissenberg: 4QMMT: Reevaluating the Text, the Function and the Meaning of the Epilogue (Studies on the Text of the Desert of Judah 82). Brill, Leiden 2009, S. 2, Anm. 3:
    “The Hebrew word מעשים of the title has been translated either ‘precepts’ or ‘works’.”