Mont-Blanc-Tunnel

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Mont-Blanc-Tunnel

Der Mont-Blanc-Tunnel (französisch Tunnel du Mont-Blanc, italienisch Traforo del Monte Bianco) ist ein Straßentunnel durch das Montblanc-Massiv, der die Städte Chamonix-Mont-Blanc im Département Haute-Savoie (Frankreich) mit Courmayeur (A5) im Aostatal (Italien) verbindet.

Der Mont-Blanc-Tunnel besteht aus einer einzigen Röhre mit einer Doppelspur (Gegenverkehr). Das Projekt einer zweiten Röhre wurde zunächst wegen fehlender Finanzierung und dann wegen Widerstands der betroffenen Anwohner verworfen.

Zahlen und Fakten

Tunnelausfahrt auf französischer Seite
Tunnelausfahrt auf italienischer Seite

Die Gesamtlänge des Tunnels beträgt 11,6 km. Die Eintrittshöhe auf französischer Seite liegt bei 1274 m, auf italienischer Seite bei 1381 m s.l.m.. Im Längsschnitt des Tunnels erkennt man den Verlauf eines umgedrehten V, um den Abfluss des Wassers zu beiden Seiten zu gewährleisten. Der höchste Punkt im Streckenverlauf liegt genau unterhalb des Berges Aiguille du Midi.

1949 wurde ein Abkommen zwischen Frankreich und Italien zur Errichtung eines Tunnels geschlossen. Nachdem die parlamentarischen Hürden überwunden waren, wurden zwei Betreibergesellschaften gegründet:

  • Auf französischer Seite die ATMB (Autoroutes et tunnels du Mont-Blanc), gegründet am 30. April 1958;
  • Auf italienischer Seite die SITMB (Società Italiana per azioni per il Traforo del Monte Bianco), gegründet am 1. September 1957.

Jede Betreibergesellschaft ist für eine Hälfte des Tunnels verantwortlich.

Der Beginn der Bohrungen erfolgte im Jahr 1959; der Durchstoß im Jahr 1962 mit weniger als 13 cm axialem Versatz. Die feierliche Eröffnung erfolgte am 19. Juli 1965.

Verkehr

Im Jahr 2010 betrug das durchschnittliche Verkehrsaufkommen 4945 Fahrzeuge pro Tag, also ca. 1,80 Mio. Fahrzeuge pro Jahr. 2011 waren es durchschnittlich 5113 Fahrzeuge täglich (ca. 1,87 Mio. Fahrzeuge im Jahr).[1]

Die Durchfahrt des Tunnels ist mautpflichtig. Eine Durchfahrt mit dem PKW von Italien aus kostet 44,20 Euro, von Frankreich aus 43,50 Euro. Nur etwa 10 Euro mehr kostet ein Retour-Ticket für die Hin- und Rückfahrt (Stand: 1. Januar 2015).[2]

Zwar können die Fahrzeuge an der Mautstation in mehreren Linien gleichzeitig anstehen, doch zur Gewährleistung eines genügenden Abstand der Fahrzeuge bei der Einfahrt in den Tunnel, regelt die Steuerung der Schrankenanlage nur eine begrenzte Anzahl von Fahrzeugen pro Zeiteinheit. Innerhalb des Tunnels gilt eine Mindestgeschwindigkeit von 50 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Der Abstand zum Vordermann soll 150 Meter betragen. LKW werden in Blöcken zu fünft – ebenfalls mit einem großen Sicherheitsabstand zum Vordermann – mit einem vorausfahrenden Begleitfahrzeug durch den Tunnel geführt. Diese Sicherheitsmaßnahmen sind Konsequenzen aus dem Tunnelbrand von 1999 (siehe unten).

Für Fußgänger besteht die Möglichkeit, den Tunnel im Autobus zu durchqueren. Bei rechtzeitiger Reservierung werden auch Fahrräder mitgenommen.

Der Tunnelbrand von 1999

Gedenkstätte (2010)

Am 24. März 1999 geriet im Tunnel der Motor eines belgischen LKW in Brand. Das Geschehen weitete sich zu einer Katastrophe aus, die 39 Menschen ihr Leben kostete und zu einer dreijährigen Tunnelsperrung führte.

Als Ursache sehen Brandschutztechniker eine weggeworfene Zigarettenkippe an, die den Luftfilter des Volvo FH12 entzündet haben dürfte. Begünstigt durch seine Ladung aus Margarine und Mehl und die Lüftung in der Röhre weitete sich der Brand schnell zu einem Inferno aus. Der Fahrer des Lasters verließ sein Fahrzeug, obwohl er es möglicherweise noch aus dem Tunnel fahren und damit die tödlichen Folgen des Unglücks hätte verhindern können. Er selbst entkam dem Feuer, nicht aber die Insassen vieler nachfolgender Fahrzeuge, von denen viele in ihren Fahrzeugen sitzen blieben, anstatt zu Fuß zu flüchten. Der Brand forderte 39 Menschenleben und konnte erst 53 Stunden nach Ausbruch unter Kontrolle gebracht werden.[3][4]

Bei der Aufbereitung der Ereignisse zeigte sich die Schwäche des Konzepts zweier Betreibergesellschaften. Wie bereits zuvor erwähnt, teilen sich die Betreibergesellschaften den Tunnel in zwei gleich lange Hälften. Geographisch gesehen verläuft die Landesgrenze zwischen Italien und Frankreich deutlich näher an Italiens Tunneleingang. Es gibt also einen 1840 m langen Bereich, der durch die italienische Betreibergesellschaft SITMB betreut wird, aber auf französischem Boden liegt und somit der französischen Gesetzgebung untersteht.

Der brennende LKW befand sich in dieser Zone. Obwohl um 10:54 Uhr innerhalb des Tunnels Brandalarm auf italienischer Seite gegeben wurde, war man sich offensichtlich nicht darüber im klaren, dass diese Alarmmeldung auf französischer Seite nicht empfangen werden konnte.

Die französische Feuerwehr erhielt erst 4,5 Minuten später einen Anruf der französischen Betreibergesellschaft. Die italienische Feuerwehr registrierte den Anruf der SITMB erst um 11:05 Uhr.

Die Brandschutzvorkehrungen erwiesen sich bei dem Großbrand als völlig unzureichend. So konnte das Belüftungssystem die giftigen Rauchgase nicht schnell genug aus dem Tunnel befördern, so dass viele Menschen an den Rauchgasen starben. Auch die Brandschutzräume waren nicht dafür ausgelegt, längeren Bränden mit Temperaturen von über 1000 °C standzuhalten. Der Brand im Mont-Blanc-Tunnel dauerte über 56 Stunden, die alten Brandschutzräume waren aber nur für kleine Brände bis zu zwei Stunden ausgelegt.

Unter den Opfern des Infernos befand sich auch Pierlucio Tinazzi. Der Sicherheitswächter war auf seinem Motorrad für den Verkehrsfluss verantwortlich. Er befand sich zur Zeit des Feuerausbruchs in Arbeitspause und fuhr dessen ungeachtet mit seiner Atemeinrichtung ausgerüstet in den Tunnel ein, um zu helfen. Vier Personen brachte er persönlich nach draußen, gerettet hat er nachweislich mindestens zehn Menschen. Er starb nach der fünften Einfahrt in einem der unzureichenden Brandschutzräume. Sein Motorrad schmolz in den Asphalt.

Als Konsequenz des Unglücks gibt es nur noch eine Kontrollwarte, die von beiden Gesellschaften gemeinsam betrieben wird. Die Brandschutzräume wurden neu konzipiert und bieten heute deutlich mehr Schutz gegen heiße und lang anhaltende Brände. Mit dem neuen Belüftungssystem kann die Luft gezielt gelenkt werden und im Brandfall können die giftigen Rauchgase aus dem Tunnel geblasen werden. Unter dem Eindruck eines weiteren Unglücks, das gut zwei Monate später im österreichischen Tauerntunnel passierte und bei dem 12 Menschen ihr Leben verloren, entwickelte sich eine heftige Diskussion über die Sicherheit von Tunnelbauwerken.

Der Prozess um das Feuer fand 2005 in Bonneville statt. Vom 31. Januar an wurde vor dem Tribunal de Grande Instance von Bonneville die Schuld- und Straffrage des Unglücks erörtert. Ende April schloss der Prozess mit Bewährungsstrafen in unterschiedlicher Höhe für die Angeklagten.[5] Der Sicherheitschef Gérard Roncoli bekam mit sechs Monaten Gefängnis und weiteren 24 Monaten auf Bewährung die höchste Strafe der 13 Verurteilten. Eine klare Schuldfindung blieb aus. Die Familien erhielten 2006 insgesamt 27 Millionen Euro als Entschädigung für den Tod ihrer Angehörigen.[6]

Nach dem Unglück blieb der Tunnel bis März 2002 gesperrt.

Auf der französischen Seite befindet sich etwa 1,5 km nach der Tunnelausfahrt in einer 180-Grad-Kurve eine Gedenkstätte für die 39 Todesopfer des Brandunglücks. Eine Gedenkstätte auf italienischer Seite gibt es nicht.

Die zweite Folge der ersten Staffel der englischen Dokumentationsserie von National Geographic Channel von Sekunden vor dem Unglück behandelt den Tunnelbrand. In Folge 43 der Hörspielserie Offenbarung 23 geht es um Verschwörungstheorien in Zusammenhang mit dem Unglück, laut Prolog werden hier jedoch bewusst Fakten und fiktionale Handlung miteinander vermischt.

In Folge des Unfalls wurde der zunächst mit 650 m geplante Längsabstand der Querschläge im Gotthard-Basistunnel auf 325 m halbiert.[7]

Einzelnachweise

  1. Auch der Tunnel hat den Montblanc nie ganz bezwungen. Die Zeit, 14. August 2012, abgerufen am 9. Dezember 2012 (Seite 1, letzter Absatz).
  2. TMB - Tarife. GEIE-TMB, abgerufen am 9. Dezember 2012.
  3. Höllische Feuersbrunst im Mont-Blanc-Tunnel. Atropedia − Die Unfalldatenbank, 28. Februar 2009, abgerufen am 28. März 2011.
  4. Wolfgang Blum: Inferno im Tunnel. Die Zeit, 12. Mai 1999, abgerufen am 28. März 2011.
  5. Diese Katastrophe wäre vermeidbar gewesen. Die Zeit, 27. Juli 2005, abgerufen am 9. Dezember 2012.
  6. Gedenken am Mont Blanc. n-tv, 24. März 2009, abgerufen am 9. Dezember 2012 (Letzter Absatz).
  7. Deborah Stoffel: Feinschliff bis zur Eröffnung. In: Neue Luzerner Zeitung. 17. Oktober 2015, S. 5.

Weblinks

Commons: Mont-Blanc-Tunnel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 45° 51′ N, 6° 55′ O