Moxibustion

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Japanische Moxibustion im medizinischen Hausbuch Banshō myōhōshū (1853)
Proben japanischer Moxa. Von links nach rechts: getrockneter Beifuß (1. Verarbeitungsstufe); dito (2. Verarbeitungsstufe); grobe Moxa für die indirekte Moxibustion; gewöhnliche Qualität für die indirekte oder direkte Moxibustion; höchste Qualität für die direkte Moxibustion
Moxa-Zigarre und Moxa-Hütchen
Kaempfers Wiedergabe eines japanischen Spiegels der Moxibustionspunkte (17. Jh.)
Traditioneller Behandlungsset aus Ibuki, einem seit alters her berühmten Produktionsgebiet in Japan, mit der watteartigen Moxa und Glimmstäbchen zum Entzünden
Selbstklebende Moxa-Hütchen und Moxa-Rollen zur indirekten Behandlung. Die Hütchen sind eine neuere Entwicklung anstelle des traditionellen indirekten Brennens durch Aufsetzen von Moxa-Kegelchen auf Ingwerscheiben u. ä. Die Moxa-Rolle rechts stammt aus der für ihre feine Moxa seit alters her berühmten Gegend um den Berg Ibuki (Japan). Die linke Rolle stammt von den Tempeln des Bergs Koya (Japan) und geht auf den Gründer des Shingon-Buddhismus Kūkai zurück, der das Moxabrennen aus China nach Japan gebracht haben soll. Solche Rollen werden noch heute von Mönchen in stark ritualisierten Behandlungen eingesetzt.
Nadeln mit glimmender Moxa in Japan. Die runden Rötungen stammen von einer zuvor durchgeführten Schröpftherapie
Zusanli (ST 36), einer der für Hara Shimetarō wichtigsten Moxibustionpunkte, um die Abwehrkräfte des Körpers zu stimulieren. Aus: Hara Shimetarō: Saishin kyūryō hōten

Moxibustion, auch Moxa-Therapie oder kurz Moxen, bezeichnet den Vorgang der Erwärmung von speziellen Punkten des Körpers. Die Therapie in ihrer heutigen Form wurde in der chinesischen Medizin entwickelt, hat aber in den umliegenden Ländern, besonders in Japan, weitere Wandlungen erlebt.

In China wird die Moxibustion bei entsprechender Indikation als eine der Akupunktur gleichrangige Therapie geachtet. Der in westlichen Publikationen oft als Akupunktur verkürzt übersetzte Oberbegriff zhēn jiǔ (chinesisch 針灸) umfasst neben der Nadel (, zhēn) auch die Moxa (, jiǔ) und bedeutet so viel wie „Nadeln und Brennen“. Das westliche Wort Moxibustion setzt sich aus japanisch mogusa,[Anm. 1] das die getrockneten und fein geriebenen Fasern von Blättern des Beifußes (Artemisia princeps, japanisch ヨモギ yomogi) bezeichnet, und lateinisch combustio („Verbrennen“) zusammen. Die Wirksamkeit der Moxa-Therapie ist seit dem frühen 20. Jahrhundert Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.[1]

Bei der Moxibustion verglimmen kleine Mengen von getrockneten, feinen Beifußfasern (Moxa) auf oder über bestimmten Therapiepunkten. Den traditionellen chinesischen Lehren zufolge wirkt die Hitze auf den Fluss des so genannten Qi in den darunter liegenden Leitbahnen (auch Meridiane) ein. Neben diesen vorwiegend für die Moxibustion genutzten Punkten gibt es weitere Punkte, die der Akupunktur vorbehalten sind. Der Beifuß (Artemisia vulgaris, in Ostasien nutzt man mehrere Varietäten) gilt in Ost und West seit alters her als Heil- und Gewürzpflanze. Die im Frühjahr gesammelten Blätter werden getrocknet, gereinigt, zerrieben und zu einer feinen Watte aufbereitet. Wichtig für das gleichmäßige Verglimmen ist eine einheitliche Konsistenz der Fasern sowie deren Feinheit, welche die Brenntemperatur entscheidet.

Schon im 16. Jahrhundert berichteten portugiesische Jesuiten aus Japan, dass man dort Krankheiten mit „Feuerknöpfen“ (botoẽs de fogo) behandelte.[2] Allgemein bekannt wurde die Moxa in Europa in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch ein Buch des batavischen Pfarrers Hermann Buschoff.[3][4] Engelbert Kaempfer veröffentlichte in seinem Werk Amoenitates Exoticae (1712) einen Aufsatz mit einem japanischen Spiegel der Moxibustionspunkte (灸所鑑 kyūsho kagami), der 60 Behandlungspunkte aufführt.[5] Die im 17. Jahrhundert besonders in Mitteleuropa heftig diskutierte Therapie wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts zeitweilig weniger beachtet.[6]

Die erste moderne wissenschaftliche Arbeit zur Moxibustion war die Dissertation des japanischen Arztes Hara Shimetarō, die er 1929 an der Kaiserlichen Universität Kyushu einreichte.

2010 wurden Akupunktur und Moxibustion als Teile der Traditionellen chinesischen Medizin in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.[7]

Formen der Anwendung

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Behandlung mit Moxakegeln

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Beim indirekten Brennen legt der Therapeut Ingwerscheiben auf die betreffenden Therapiepunkte und entzündet auf diesen kleine Kegel aus Moxa, welche langsam verglimmen. Sobald der Patient ein Hitzegefühl spürt, wird der Kegel zum nächsten Therapiepunkt geschoben. Jeder Punkt wird mehrmals erhitzt, bis die Haut deutlich gerötet ist. Bei dieser „indirekten Moxibustion“ hat die Moxa keinen Kontakt zur Haut. Heute vertreibt der Fachhandel auch fertige, auf Papierscheibchen geklebte Kegelchen.

In China und Japan setzte und setzt man teils noch heute den Kegel direkt auf die Haut („direkte Moxibustion“). Die anfangs entstehenden Brandblasen wie auch kleine Entzündungen sind beabsichtigt, um die Abwehrkräfte des Körpers anzuregen. Später bildet sich an der betreffenden Stelle eine kleine Kruste.

Der Therapeut entzündet eine Moxazigarre (in dünnes Papier gerollte Stangen aus Moxa) und nähert die glühende Spitze dem Therapiepunkt auf ungefähr einen halben Zentimeter. Wenn der Patient ein deutliches Hitzegefühl spürt, entfernt er die Spitze kurz. Die Prozedur wird wiederholt, bis die Haut am Therapiepunkt deutlich gerötet ist.

Dies ist eine Erfindung des japanischen Therapeuten Akabane Kōbei/Kōbē (1895–1983) aus den 1920er Jahren. Mit speziellen Stahlnadeln, an denen die glimmende Moxa befestigt ist, leitet der Therapeut die Hitze konzentriert in den betreffenden Therapiepunkt.

Dies sind Pflaster, deren klebende Seite mit Heilkräutern beschichtet ist. Diese erzeugen eine Wärmereaktion und werden auf die betreffenden Therapiepunkte geklebt.

Die Moxa enthält unter anderem ätherische Öle, darunter Cineol und Thujaöl, außerdem Cholin, Harze und Tannin. In der traditionellen chinesischen Medizin regt Moxa den Fluss des ’Qi an und wirkt gegen so genannte „kalte“ Zustände. Dr. Hara Shimetarō, der das herkömmliche Meridiansystem ablehnte, wies eine Reihe von Effekten bei der direkten Moxibustion nach (Zunahme der weißen und roten Blutkörperchen, schnellere Koagulation des Blutes, Zunahme des Kalziums, höhere Kapazität bei der Produktion von Antikörpern etc.).[8]

Indikationen und Kontraindikationen

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Hauptanwendungsgebiete der Moxa-Therapie sind aus Sicht ihrer Befürworter: Schwäche nach chronischen Erkrankungen und Erkrankungen der Atemwege wie chronische Bronchitis und Asthma. Moxa dürfen nicht im Gesicht, am Kopf oder in der Nähe von Schleimhäuten angewendet werden. Auch bei Fieber, akuten Entzündungen, Schlaflosigkeit oder während der Menstruation sollte diese Technik nicht eingesetzt werden. In der Schwangerschaft wird die Moxibustion des Zhiyin-Punktes bei Beckenendlage eingesetzt, um das Drehen des Kindes in Schädellage zu bewirken.[9]

In China und vielen umliegenden Ländern wird die Moxa nicht nur zur Heilung angewendet, sondern auch zur Vorbeugung gegen Krankheiten. So besagt ein Sprichwort, dass man keine weite Reise unternehmen soll, ohne vorher das Qi durch Moxa angeregt zu haben.

Als Folge von moxibustionsbedingten Hautverbrennungen[10][11][12] bleiben häufig Narben zurück, weshalb manche Anwender unter die Moxa präventiv ein Stück Ingwerwurzel oder Knoblauch auf die Haut legen.[13][14][15] Entsprechende Narben können bei Kindern mit den Folgen einer Misshandlung verwechselt werden,[16][17][18] beispielsweise einer Verbrennung durch Zigaretten.[14]

Obwohl die Anwendung derartiger Moxibustionstechniken an Kindern wohl nur selten als Kindesmisshandlung zu werten ist, wirft sie dennoch erhebliche moralische und rechtliche Probleme auf. Jede Körperverletzung birgt das Risiko ungewollter Komplikationen (z. B. Infektion der Wunden) mit möglicherweise gefährlichen Folgen. Narben können potentiell lebenslang kosmetisch entstellend wirken. Nur bei informierter Einwilligung des Kindes (bzw. der gesetzl. Vertreter) und medizinisch fachgerechter Durchführung ist ein solcher Eingriff keine strafbare Körperverletzung. Da wissenschaftlich keine Wirksamkeit der Moxibustion nachgewiesen werden kann, ist eine medizinisch fachgerechte Durchführung nach herrschender Meinung (in Deutschland) unmöglich. Ob Eltern, die den Eingriff an ihrem Kind vornehmen lassen, ihrer elterlichen Verantwortung damit gerecht werden, ist also zumindest zweifelhaft.

Bei der Verbrennung entstehen auch Stoffe und Stäube bzw. Feinstäube, die während der Behandlung eingeatmet werden können. Modellrechnungen zeigen, dass die bei der Moxibustion entstehende Rauchbelastung mit dem Passivrauchen in Gaststätten und Diskotheken vergleichbar ist.[19]

Die Evidenzlage für Moxibustion ist eher als schlecht zu bewerten[20]. Die wenigen durchgeführten Studien sind von niedriger Vertrauenswürdigkeit[21] oder zeigen keine bis geringe Statistische Signifikanz[22]. Gleichzeitig ist auch die Durchführung von doppelblinden Studien erschwert, da die Schaffung einer geforderten Plazebotherapie kaum möglich ist.[22]

Commons: Moxibustion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Moxibustion – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. das ‚u‘ wird kaum bis überhaupt nicht ausgesprochen

Einzelnachweise

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  1. Die ersten wissenschaftlichen Studien führte der japanische Arzt Hara Shimetarō an der Kaiserlichen Universität Kyushu durch. Er ist zugleich der erste, der über dieses Thema promovierte (1929)
  2. Wolfgang Michel: Japans Rolle in der frühen Vermittlung der Akupunktur nach Europa. In: Deutsche Zeitschrift für Akupunktur. Band 36, Nr. 2, April 1993, S. 40–46. Ders.: Frühe westliche Beobachtungen zur Akupunktur und Moxibustion. In: Sudhoffs Archiv. Band 77, Nr. 2, 1993, S. 194–222.
  3. Wolfgang Michel: Hermann Buschof – Das genau untersuchte und auserfundene Podagra, Vermittelst selbst sicher=eigenen Genäsung und erlösenden Huelff=Mittels. Haug Verlag, Heidelberg 1993, S. 148.
  4. Hermann Buschoff: The gout, more narrowly searcht, and found out; together with the certain cure thereof. London 1676/ Wolfgang Michel, edition Fukuoka, März 2003, hdl:2324/2936 (PDF; 10,6 MB).
  5. Wolfgang Michel: Engelbert Kaempfers merkwürdiger Moxa-Spiegel – wiederholte Lektüre eines deutschen Reisewerks der Barockzeit. In: Dokufutsu Bungaku Kenkyū. Nr. 33, 1983, S. 185–238, hdl:2324/2999 (PDF).
  6. Wolfgang Michel: Far Eastern Medicine in Seventeenth and Early Eighteenth Century Germany. hdl:2324/2878 (PDF; 8 MB); ders.: Traditionelle Medizin in Japan: Von der Frühzeit bis zur Gegenwart. Kiener Verlag, 2017, S. 89f., 165–168.
  7. Acupuncture and moxibustion of traditional Chinese medicine. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2010.
  8. Siehe hierzu eine englische Zusammenfassung der Befunde Haras. Weiter Shinichirō Watanabe, Hiroshi Hakata, Takashi Matsuo, Hiroshi Hara, Shimetarō Hara: Effects of Electronic Moxibustion on Immune Response. In: Zen Nihon Shinkyu Gakkai zasshi. (Journal of the Japan Society of Acupuncture and Moxibustion.) Band 31, Nr. 1, 1981, S. 42–50.
  9. Siehe hierzu eine jüngere Arbeit: M. E. Coyle, C. A. Smith, B. Peat: Cephalic version by moxibustion for breech presentation. In: The Cochrane database of systematic reviews. Nummer 2, 2005, S. CD003928, ISSN 1469-493X. doi:10.1002/14651858.CD003928.pub2. PMID 15846688. (Review).
  10. D. Fisman: Unusual skin findings in a patient with liver disease. In: CMAJ: Canadian Medical Association journal = journal de l’Association medicale canadienne. Band 166, Nummer 12, Juni 2002, S. 1567, ISSN 0820-3946. PMID 12074126. PMC 113805 (freier Volltext).
  11. Nhu Chau: Moxibustion burns. In: Journal of Hospital Medicine. Nr. 1, 2006, S. 367–367, doi:10.1002/jhm.138.
  12. L. Condé-Salazar, M. A. González, D. Guimarens, C. Fuente: Burns due to moxibustion. In: Contact Dermatitis. November 1991, Band 25, Nr. 5, S. 332–333, PMID 1809540.
  13. Margaret M. Lock: Scars of Experience: The Art of Moxibustion in Japanese Medicine and Society. Culture. In: Medicine and Psychiatry. Nr. 2, 1978, S. 151–175.
  14. a b Kenneth Feldman: Pseudoabusive Burns in Asian Refugees. In: American Journal of Diseases of Children. Nr. 138, 1984, S. 768–769.
  15. Ian A. Canino, Jeanne Spurlock: Culturally Diverse Children and Adolescents. Assessment, Diagnosis, and Treatment. Guilford Press, New York (NY) 1994.
  16. B. Herrmann: Medizinische Diagnostik bei körperlicher Kindesmisshandlung. In: Kinder- und Jugendarzt, 36. Jg., 2005, Nr. 2
  17. K. M. Look, R. M. Look: Skin scraping, cupping, and moxibustion that may mimic physical abuse. In: Journal of Forensic Sciences. Januar 1997, Band 42, Nr. 1, S. 103–105, PMID 8988581.
  18. H. C. Wong, J. K. Wong, N. Y. Wong: Signs of physical abuse or evidence of moxibustion, cupping or coining? In: Canadian Medical Association Journal. 23. März 1999, Band 160, Nr. 6, S. 785–786, PMID 10189420.
  19. Udo Eickmann, Matthias Kaul, Quian Zhang, Eberhard Schmidt: Luftbelastung durch Pyrolyseprodukte bei Behandlungsmethoden der Traditionellen Chinesischen Medizin. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft. Band 70, Nr. 6, 2010, S. 261–266, ISSN 0949-8036.
  20. Myeong Soo Lee, Jung Won Kang, Edzard Ernst: Does moxibustion work? An overview of systematic reviews. BioMed Central Research Notes 3, Article number: 284 (2010) abgerufen am 5. Juli 2023 (englisch)
  21. Zhang HW, Lin ZX, Cheung F, Cho WC-S, Tang J-L: Moxibustion zur Linderung der Nebenwirkungen von Chemo- oder Strahlentherapie bei Krebspatienten. In: Cochrane. 13. November 2018, abgerufen am 25. Mai 2023.
  22. a b Meaghan E Coyle Caroline Smith Brian Peat: Drehung in die Schädellage durch Moxibustion bei Beckenendlage. In: Cochrane. 9. Mai 2023, abgerufen am 25. Mai 2023 (deutsch, englisch).