Myrrhe
Myrrhe (semitisch murr = „bitter“) ist das Harz von zwei oder drei Arten der Gattung Commiphora, beispielsweise Commiphora myrrha aus der Familie der Balsambaumgewächse.
Geschichte
Im alten Ägypten nutzte man bereits vor 3000 Jahren Myrrhe zur Einbalsamierung. Das getrocknete, gelb-braune Harzgranulat wird seit Jahrtausenden vor allem in Jemen, Äthiopien, Sudan und Somalia verwendet. Im Judentum gehörten Myrrhe und Aloe zur ordnungsgemäßen Bestattung des Leichnams; sie waren aber auch Bestandteil von kultischen Salbungen (griechisch: „Χριστός“, latinisiert „Christus“ - hebräisch: „Messias“ bedeutet „der Gesalbte“). Vor Christus wurde Myrrhe unter anderem als Aphrodisiakum verwendet. Frauen und Männer trugen es als Parfum, Betten wurden vor dem Geschlechtsverkehr damit beträufelt. Aus dem Myrrhenharz wurden im Mittelalter in Europa Pestpillen hergestellt und diesem auch eine fiebersenkende Wirkung zugesprochen.
Mythologie
In der griechischen Mythologie wurde Smyrna, die Tochter des Priesters und Königs Kinyras von Zypern, von ihrem Vater geschwängert. Bei der Geburt ihres Kindes, des Adonis, verwandelte sie sich in einen Myrrhe-Baum. (Smyrna ist das griechische Wort für Myrrhe.)
Bibel
Im Alten Testament findet sich eine Beschreibung für die Herstellung von Salböl: Nimm dir Balsam von bester Sorte: fünfhundert Schekel erstarrte Tropfenmyrrhe, halb so viel, also zweihundertfünfzig Schekel, wohlriechenden Zimt, zweihundertfünfzig Schekel Gewürzrohr und fünfhundert Schekel Zimtnelken, nach dem Schekelgewicht des Heiligtums, dazu ein Hin Olivenöl, und mach daraus ein heiliges Salböl… (Ex 30,23-25 EU)
Myrrhe war Bestandteil des Salböls, mit dem die Stiftshütte und die Priester im Tempel gesalbt wurden.
Das Neue Testament berichtet,
- die Weisen aus dem Orient (sogenannte Heilige Drei Könige) führten als Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe mit (Mt 2,11 EU). Diese achtungsbezeugenden Gaben waren seinerzeit sehr wertvoll.
- bei der Grablegung Jesu spendete der Pharisäer Nikodemus hundert Pfund Aloe und Myrrhe (Joh 19,39 EU).
Auch beim Tod Jesu spielt Myrrhe eine Rolle. Von den Evangelienschreibern erzählt nur Markus, dass Jesus am Kreuz mit Myrrhe gemischter Wein angeboten wurde (Markus 15:23), den er aber ablehnte.
Verwendung
Räucherwerk
Myrrhe wird ähnlich wie Weihrauch als Räucherwerk verbrannt.
Medizin
Als Myrrhentinktur (oft in Mischung mit Ratanhia-Tinktur) hat Myrrhe heute pharmazeutische Bedeutung bei Entzündungen der Mundschleimhaut: Sie ist desinfizierend, zusammenziehend und fördert die Narbenbildung, darüber hinaus besitzt sie blutstillende Wirkung. Sie wirkt auch Krampf-lösend, wird also auch bei Darmerkrankungen eingesetzt: Die alte Heilpflanze setzt den Spannungszustand der „glatten“ Darmmuskulatur herab; dadurch verringert sich die Zahl der Darmkontraktionen, Darmkrämpfe werden gelindert. Innerlich angewendet wirkt sie ebenso bei Bronchitis wie bei Darmentzündungen. Die Anwendung erfolgt durch Zerkauen (bitter) oder Einnahme von Myrrhepräparaten in Tablettenform. In Kombination mit Kaffeekohle und Kamille wird Myrrhe sowohl bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn als auch beim Reizdarmsyndrom angewendet und wissenschaftlich erforscht: Eine klinische Studie hat gezeigt, dass diese pflanzliche Therapie zur Erhaltung der schubfreien Phase bei Colitis ulcerosa vergleichbar wirksam ist wie die Standardtherapie mit Mesalazin.[1] Weiter dokumentierte eine Multi-Center-Studie die Wirksamkeit bei Darmerkrankungen mit akutem bzw. chronischem Durchfall. Besonders wirksam war die pflanzliche Dreierkombination bei Reizdarmpatienten mit Blähungen und Durchfall.[2]
Parfümerie
Myrrhe (Commiphora myrrha) und Opoponax (Commiphora erythraea var. glabrescens) zeichnen sich durch einen sehr schönen, naturhaften, warmen, leicht würzig-süßen Duft von balsamischer Feinheit aus und werden gerne in der Parfümerie eingesetzt. Während das Harz eher als fixierende Komponente verwendet wird, wirkt das durch Wasserdampfdestillation gewonnene Öl bereits in der Kopfnote.
Literatur
- A. Massoud, S. El-Sisi, O. Salama: Preliminary study of therapeutic efficacy of a new fasciolicidal drug derived from Commiphora molmol (myrrh). In: Am J Trop Med Hyg. 65, 2001, S. 96–99.
- Andrew Dalby: Dangerous Tastes: the story of spices. British Museum Press, London 2000, ISBN 0-7141-2720-5, S. 107–122.
- Jost Langhorst: Myrrh, dry extract of chamomile flowers and coffee charcoal in the treatment of ulcerative colitis. In: Zeitschrift für Phytotherapie. 36(06), 2015, S. 247–249. doi:10.1055/s-0041-109605
- Johannes Gottfried Mayer: Myrrhe: Neue Beobachtungen zur Tradition eines wahrhaft biblischen Arzneimittels. In: Zeitschrift für Phytotherapie. 36(03), 2015, S. 103–105. doi:10.1055/s-0041-103048
Antike
- Mechthild Siede: Myrrhe. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Band 25, Hiersemann, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7772-1318-7, Sp. 370–378
- Dieter Martinetz, Karlheinz Lohs, Jörg Janzen: Weihrauch und Myrrhe. Kulturgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung. Botanik, Chemie, Medizin. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, (Berlin und) Stuttgart 1989, ISBN 978-3-8047-1019-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ J. Langhorst, I. Varnhagen, S. B. Schneider, U. Albrecht, A. Rueffer, R. Stange, A. Michalsen, G. J. Dobos: Randomised clinical trial: a herbal preparation of myrrh, chamomile and coffee charcoal compared with mesalazine in maintaining remission in ulcerative colitis–a double-blind, double-dummy study. In: Alimentary pharmacology & therapeutics. Band 38, Nummer 5, September 2013, S. 490–500, ISSN 1365-2036, doi:10.1111/apt.12397, PMID 23826890.
- ↑ U. Albrecht u. a.: Efficacy and safety of a herbal medicinal product containing myrrh, chamomile and coffee charcoal for the treatment of gastrointestinal disorders: a non-interventional study. In: BMJ Open Gastro. 1, 2014, S. e000015. doi:10.1136/bmjgast-2014-000015