Nebel im August

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Film
Titel Nebel im August
Produktionsland Deutschland, Österreich
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 2016
Länge 126 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Kai Wessel
Drehbuch Holger Karsten Schmidt
Produktion Ulrich Limmer
Musik Martin Todsharow
Kamera Hagen Bogdanski
Schnitt Tina Freitag
Besetzung

Nebel im August ist ein Spielfilm des Regisseurs Kai Wessel nach dem gleichnamigen Roman von Robert Domes, der am 29. September 2016 in die deutschen Kinos kam. Die Premiere fand am 26. September 2016 in der Lichtburg in Essen statt.[2]

Nebel im August zeigt die Geschichte des wirklichen Ernst Lossa in Süddeutschland am Anfang der 1940er-Jahre. Das Filmdrama behandelt damit an einer einzelnen Person die tausendfachen NS-Krankenmorde, die damals unter der verlogenen Bezeichnung „Aktion Gnadentod“ von Ärzten und Pflegepersonal in bestimmten Krankenhäusern und Pflegeheimen durchgeführt wurden. Im mehrfach ausgezeichneten Film erhält der Junge von einer Krankenschwester die Todesspritze, weil er als „unerziehbar“ gilt.

Handlung

Der 13-jährige Ernst Lossa, ein Kind aus der Minderheit der Jenischen, wird 1942 in Deutschland von seiner Familie getrennt – die Mutter ist bereits tot –, und wird als schwer erziehbar in eine psychiatrische Heilanstalt eingewiesen. Nach anfänglichem Widerstand („Ich bin kein Idiot“) gewöhnt er sich an das Anstaltsleben und wird Helfer des alten Hausmeisters Witt. Mit diesem muss er auch den Raum säubern, in dem Obduktionen stattfinden. Der Leiter Dr. Veithausen gibt sich menschlich („Bei uns wird niemand geschlagen“), führt aber konsequent das Euthanasieprogramm durch, bei dem regelmäßig Anstaltsbewohner mit Bussen weggebracht werden. Sein Assistent Hechtle kritisiert lediglich, dass die Auswahl von Berlin getroffen wird, und so auch mal ein arbeitsfähiger Erntehelfer auf der Liste steht. Ernst freundet sich mit einem anderen Jungen an, der einen Ausstieg zum Dach kennt, wo sie ein wenig Freiheit genießen. Der Junge wird schließlich von seinen Eltern abgeholt. Auch Ernst ist überzeugt, dass sein Vater ihn abholt und mit ihm wie versprochen nach Amerika geht. Tatsächlich kommt der Vater, darf aber Ernst nicht mitnehmen, da er als fahrender Händler keine Meldebestätigung für einen festen Wohnsitz vorweisen kann. Eines Tages wird das Tötungsprogramm umgestellt, und die Anstalten müssen nun selbst die Insassen umbringen. Dazu kommt die „Fachschwester“ Edith an die Anstalt, welche die Kinder mit einer in Himbeersaft aufgelösten Überdosis an Barbituraten tötet. Als das stumme Mädchen Amelie an der Reihe ist, die von Ernst immer gefüttert wird, kann dieser die Verabreichung verhindern und zusammen mit Oberschwester Sophia das Kind verstecken. Ernst freundet sich mit Nandl an, die an Epilepsie leidet und keine Angehörigen mehr hat. Er stiehlt den Schlüssel zum Gewölbekeller, von wo aus die beiden einen „Ausflug“ zum Fluss machen, wo sie eine Ruderbootsfahrt unternehmen. Ernst erzählt ihr, dass jeder Jenische einen „Lebenswunsch“ frei hat. Bei einem Fliegeralarm wollen die beiden das Chaos nutzen und vom Keller aus flüchten, doch Bomben fallen auf das Anstaltsgelände. Die ebenfalls in den Keller geflüchtete Oberschwester Sophia kommt mit Amelie dabei um, während sich Nandl verletzt und Bettruhe verordnet bekommt. Bei der Beerdigung von Sophia beschimpft Ernst Dr. Veithausen als Lügner und Mörder. Daraufhin setzt dieser ihn auf die Todesliste. Nandl bittet Ernst, ohne sie zu fliehen, das sei ihr Lebenswunsch. Doch es ist zu spät, Schwester Edith und Hechtle gehen mit ihm in das Krankenzimmer, in dem er übernachten soll. Am nächsten Tag verkündet Nandl im Speisesaal, dass Ernst es „geschafft“ habe und in Amerika sei.

Hintergrund

Die Dreharbeiten fanden vom 6. Mai 2015 bis zum 9. Juli 2015 statt.[3] Ein Großteil der Filmaufnahmen entstanden in der Deutschordenskommende Mülheim[4] und in einer Warsteiner Klinik, die ebenfalls auf eine Euthanasie-Vergangenheit zurückblickt. Historisch handelte es sich um die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee. Dort war Valentin Faltlhauser (im Film Walter Veithausen) Chefarzt, der auch als Gutachter für die NS-Krankenmorde deutschlandweit aktiv war.

Als Psychiatrie-Patienten wurden Komparsen aus Warstein eingesetzt.[5]

Der Film wurde mit Unterstützung der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, der Filmförderungsanstalt, des Deutschen Filmförderfonds, des FilmFernsehFonds Bayern, der Film- und Medienstiftung NRW, der FISA – Filmstandort Austria, des Österreichischen Filminstituts, des Filmfonds Wien und der Eurimages finanziert.[3]

Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) gab dem Filmdrama das Prädikat besonders wertvoll.[6]

Michael von Cranach, der ehemalige ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren und ein Experte für die Forschung zu den NS-Krankenmorden, beteiligte sich als wissenschaftlicher Berater für den historischen Hintergrund.[7]

Rezeption

Kritiken

Christoph Schröder von der Zeit meint, dass Regisseur Kai Wessel aus der Biografie des Jungen einen Film gemacht hat, „der sich zum einen auf die eindringliche Wirkung seiner bewusst unspektakulären Bilder und zum anderen auf die Selbstentlarvungskraft der komplett instrumentalisierten und umgedrehten Sprache verlassen kann“. Das Drama brauche kein „pädagogisches Pathos“, die Perversität des Systems Euthanasie erschließe sich ohne Erklärung.[8] Schröder betont insbesondere auch das präzise Mienenspiel Ivo Pietzckers, der mit dieser Leistung der Rolle des „asozialen Schädlings“ Ernst Lossa im Film Tiefe verleihe.

Walli Müller weist in ihrer sehr positiven Kritik auf die zwiespältige Darstellung des Chefarztes hin: „Das Entsetzlichste an diesem Film ist, dass der Mann so freundlich und menschlich wirkt. Sebastian Koch spielt hier nicht den […] Stiefelträger, der Befehle brüllt. Mit dieser Art Film-Nazi hat man es sich oft zu leicht gemacht. Dr. Veithausen kümmert sich väterlich um seine Patienten. Wo es aber keine Aussicht auf Besserung gibt, setzt er die Namen knallhart auf seine Liste.“ [9]

Auszeichnungen

Siehe auch

Literatur

  • Götz Aly: Die Belasteten: ›Euthanasie‹ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte (Die Zeit des Nationalsozialismus). S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2013. ISBN 978-3-10-000429-1
  • Michael von Cranach, Petra Schweizer-Martinschek: Die NS-„Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee. In: Stefan Dieter [Hrsg.]: Kaufbeuren unterm Hakenkreuz. Beiträge zur Stadtgeschichte. Band 14, Thalhofen 2015, ISBN 978-3955510725, S. 270–387
  • Robert Domes: Nebel im August: Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa. cbt, München, 353 Seiten, 2008; ISBN 978-3570304754
  • Ernst T. Mader: Das erzwungene Sterben von Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee zwischen 1940 und 1945 nach Dokumenten und Berichten von Augenzeugen. Verlag an der Säge, Blöcktach, 1982. 88 Seiten.
  • Medienpädagogisches Material zum Film (vom Filmproduzent publiziert, 2016, Filmheft Nebel im August, als PDF-Datei)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Nebel im August. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF).Vorlage:FSK/Wartung/typ nicht gesetzt und Par. 1 länger als 4 Zeichen
  2. Christina Jahnich: Warstein auf dem Roten Teppich bei Kinopremiere von „Nebel im August“. In: Nachrichten. Westdeutscher Rundfunk Köln, 27. September 2016, abgerufen am 1. Oktober 2016.
  3. a b Nebel im August bei crew united
  4. Reinhold Großelohmann: Kinofilm „Nebel im August“ auf dem Weg zu internationalem Publikum. Soester Anzeiger, 25. November 2015, abgerufen am 26. September 2016.
  5. Komparsen verleihen „Nebel im August“ Authentizität WAZ, derwesten.de, 29. September 2016.
  6. Nebel im August auf der Website der FBW
  7. Presseinformation der Produktionsfirma (PDF; 450 kB)
  8. Christoph Schröder: Mörderische Pflege. In: Kultur. Zeit Online, 28. September 2016, abgerufen am 29. September 2016.
  9. Euthanasie-Drama nach einer wahren Geschichte. NDR.de vom 27. September 2016.