Nun bitten wir den Heiligen Geist

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Nun bitten wir den Heiligen Geist ist ein Kirchenlied. Die erste Strophe stammt aus dem 13. Jahrhundert. Martin Luther dichtete drei weitere Strophen, die 1524 erstmals erschienen. Das Lied hat im Evangelischen Gesangbuch die Nummer 124. Im katholischen Gotteslob wird dagegen als GL 348 die erste Strophe durch drei Strophen von Maria Luise Thurmair und eine von Michael Vehe (1537) fortgeführt. Das Lied inspirierte Vokal- und Orgelmusik von der Renaissance bis zur Moderne, unter anderem von Michael Praetorius, Dieterich Buxtehude, Johann Sebastian Bach und Ernst Pepping.

Geschichte und Wortlaut

Berthold von Regensburg (Wiener Handschrift, 1447)
Martin Luther (Porträt von Lucas Cranach d.Ä., 1543)

Die erste Strophe findet sich im 13. Jahrhundert, der Franziskaner Berthold von Regensburg († 1272) zitierte es in einer Predigt.[1][2]

Nû biten wir den heiligen geist
umbe den rechten glouben allermeist,
daz er uns behüete an unsrem ende,
sô wir heim suln varn ûz disem ellende.
Kyrieleis.[2][3]

Es ist ein Gebet an den Heiligen Geist, das an die lateinische Sequenz Veni Sancte Spiritus erinnert.[4] Das vordringliche Anliegen ist der rechte Glaube, der Ausgangspunkt ist die erwünschte Heimfahrt aus der Fremde des Lebens. In der Sprache der Zeit bedeutete „ellende“ Exil und wurde auf der zweiten Silbe betont, gereimt mit „Ende“.[5]

Luther dichtete das Lied weiter in drei Strophen, die den Heiligen Geist ansprechen als „Du wertes Licht“, „Du süße Lieb“ und „Du höchster Tröster“.[6] Das Lied ist eine Leise, jede Strophe wird durch Kyrieleis beendet.[4] Die drei hinzugefügten Strophen können in Verbindung gebracht werden mit der Idee des Apostels Paulus von Glaube, Liebe, Hoffnung aus dem 1. Brief an die Korinther (1 Kor 13,13 LUT).[7] Luthers Text erschien erstmals 1524 in Wittenberg in Eyn geystlich Gesangk Buchleyn.[6]

In lutherischen Kirchen wurde das Lied vor allem zu Pfingsten gesungen. Durch seinen allgemeinen Inhalt eignet es sich für viele Anlässe, auch Beerdigungen. Es ist Bestandteil vieler Gesangbücher. Die älteste Übersetzung auf dänisch erschien 1528.[2] Eine von vielen englischen Übersetzungen ist „We now implore God the Holy Ghost“ in The Lutheran Hymnal, St. Louis, 1941.[8] Im Gotteslob steht als GL 348, wie bereits im Gotteslob (1975) (Nr. 248) die erste Strophe, die durch drei Strophen von Maria Luise Thurmair und eine von Michael Vehe (1537) fortgeführt wird.[7]

Melodie und Musik

Die Melodie wurde aus der Melodie der Sequenz abgeleitet und erschien zuerst um 1420 in der südböhmischen Ortschaft Jistebnitz.[4][6][9] Sie ist pentatonisch, mit Ausnahme der Schlusswendung.[10] Luthers Fassung erschien 1524 in Wittenberg, fünfstimmig gesetzt von Johann Walter, der mit Luther zusammenarbeitete.[6] Michael Praetorius komponierte sieben a-cappella-Sätze, von zwei- bis sechsstimmig.[11] Die Melodie wurde von Martin Zeuner, Paul Luetkeman und Johannes Eccard fünfstimmig gesetzt.[10]

Dieterich Buxtehude schrieb zwei Orgelvorspiele, BuxWV 208 and BuxWV 209. Johann Sebastian Bach benutzte die dritte Strophe in seiner Kantate Gott soll allein mein Herze haben. Weitere Orgelvorspiele wurden komponiert von Georg Böhm, Helmut Eder, Paul Hamburger, Arnold Mendelssohn, Ernst Pepping, Heinrich Scheidemann, Johann Gottfried Vierling, Helmut Walcha, Johann Gottfried Walther und anderen.[12]

Johann Nepomuk David schrieb 1936 eine Choralmottete für vierstimmigen Chor a cappella Nun bitten wir den heiligen Geist.[13] Das Lied ist der erste Satz von Ernst Peppings Deutscher Choralmesse für sechs Stimmen a cappella (SSATBB).[14]

Herbert Blendinger komponierte 1984 für Violoncello und Orgel Meditation über den Choral „Nun bitten wir den heiligen Geist“ Op. 36.[15] Jacques Wildberger schrieb Diaphanie: per viola sola: fantasia su per “Veni creator spiritus” et canones diversi super “Nun bitten wir den heiligen Geist”, veröffentlicht in Zürich 1989.[16]

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Text: 1. Strophe aus dem 13. Jh.; Melodie nach Vehe 1537

Literatur

  • Gerhard Hehn, Hans-Otto Korth: 124 – Nun bitten wir den Heiligen Geist. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 10. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-50333-4, S. 69–75.

Weblinks

Commons: Nun bitten wir den Heiligen Geist – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Michael Praetorius / Nun bitten wir den Heiligen Geist. carus-verlag.com, 2011, abgerufen am 24. Oktober 2011.
  2. a b c Evangelical Lutheran Hymnary Handbook / Hymn Texts and Tunes / We now implore God the Holy Ghost # 33. blc.edu, 2011, abgerufen am 24. Oktober 2011 (englisch).
  3. Berthold von Regensburg, vollständige Ausgabe seiner Predigten, Bd. 1: mit Anmerkungen und Wörterbuch von Franz Pfeiffer, Wien 1862, S. 43 Digitalisat in der Google-Buchsuche
  4. a b c Chorale Melodies used in Bach's Vocal Works / Christ ist erstanden. bach-cantatas.com, 2011, abgerufen am 24. Oktober 2011 (englisch).
  5. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch. 21. Auflage. 1975, S. 163.
  6. a b c d Luthers Lieder / Nun bitten wir den Heiligen Geist. luther-gesellschaft.com, 2011, abgerufen am 24. Oktober 2011.
  7. a b Michael Fischer: Nun bitten wir den Heiligen Geist (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
  8. We now implore God the Holy Ghost. hymnary.org, 2011, abgerufen am 24. Oktober 2011 (englisch).
  9. 26.06.2011: Erster Sonntag nach Trinitatis. ekd.de, 2011, abgerufen am 18. November 2011.
  10. a b Georg Bießecker: Fünfstimmige Choralsätze des 16. und 17. Jahrhunderts. (PDF; 3,9 MB) Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 2001, S. 134, abgerufen am 18. November 2011.
  11. George J. Buelow: A history of baroque music. Indiana University Press, 2004, S. 208 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 24. Oktober 2011]).
  12. Chorale Preludes on the tune “Nun bitten wir den”. organ-biography.info, 2011, abgerufen am 10. November 2011 (englisch).
  13. Werke für Chor. johann-nepomuk-david.org, 2011, abgerufen am 10. November 2011.
  14. Deutsche Choralmesse. Schott, 2011, abgerufen am 10. November 2011.
  15. Instrumentalwerke. Herbert Blendinger, 2011, abgerufen am 10. November 2011.
  16. Viola-Solo. music.lib.byu.edu, 2011, abgerufen am 10. November 2011 (englisch).