Ottakringer Brauerei

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Ottakringer Brauerei AG

Logo der Ottakringer Brauerei bis 2011
Rechtsform Aktiengesellschaft
ISIN AT0000758032
Gründung 1838 (Braubewilligung 1837)
Sitz Wien (Ottakring), Österreich
Leitung Matthias Ortner (seit 2. März 2015)[1]
Mitarbeiterzahl 129 (08/2013)[2]
Umsatz 83,2 Mio (2012)[2]
Branche Brauerei
Website ottakringerbrauerei.at
Das alte Brauhaus von Ottakringer
Eine Ottakringer Aktie von 1905
Ottakringer Brauerei, 1938
Das Sudhaus der Ottakringer Brauerei

Die Ottakringer Brauerei ist die letzte verbliebene Großbrauerei in Wien. Sie befindet sich im 16. Wiener Gemeindebezirk, Ottakring, im Westen der Stadt.

Geschichte

Die Ottakringer Brauerei wurde vom Müllermeister Heinrich Plank 1838 unter dem Namen Planksche Brauerei eröffnet, nachdem die damalige Grundherrschaft, das Stift Klosterneuburg, 1837 die Braubewilligung erteilt hatte.

Gründerzeit

Im Jahr 1850 (Ottakring war soeben autonome Ortsgemeinde in Niederösterreich geworden, Wien hatte sich bis zum Linienwall erweitert) wurde sie von den aus Lundenburg in Mähren stammenden Cousins Ignaz und Jakob Kuffner, die zuvor das dortige Brauhaus gepachtet hatten, übernommen. Die beiden bauten den Betrieb zu einer Großbrauerei aus. Innerhalb von 10 Jahren steigerte sich der Ausstoß von 18.318 hl auf 64.183 hl.

Ähnlich anderen Industriellen der Gründerzeit, wie den Mautner Markhofs in Wien Mariahilf, traten auch die Kuffner als Förderer „ihrer“ Gemeinde auf; so ließ Ignaz Kuffner 1866 im Preußisch-österreichischen Krieg in Ottakring ein Spital für verwundete Soldaten errichten.[3] Als Kaiser Franz Joseph 1857 den Abbruch der Mauern um die Altstadt verfügte und damit in Wien die Gründerzeit mit beträchtlichen Investitionen Vermögender einleitete, wuchs die Ottakringer Brauerei mit. Ein neuer Gärkeller und größere Lager wurden in Betrieb genommen. 1878 wurde Ignaz Kuffner vom Kaiser in den österreichischen Adelsstand erhoben, den in diesen Jahrzehnten auch andere erfolgreiche und wichtige Unternehmer erhielten.

Vergrößerung der Stadt, Ausbau der Brauerei

Moriz von Kuffner, Sohn Ignaz von Kuffners, erbte 1882 die Brauereianteile seines Vaters und 1891 auch die seines kinderlosen Onkels Jakob. Er konnte es sich leisten, ab 1884 den Bau und Betrieb der Kuffner-Sternwarte zu finanzieren. Er war 1869–1882 Bürgermeister von Ottakring, das seit 1890 / 1892 Teil Wiens ist (die Stadt erweiterte sich bis 1905 neuerlich stark). Die Brauerei steigerte den Ausstoß von über 170.000 hl um 1890 auf über 350.000 hl im letzten Vorkriegsjahr; eine Menge, die in der Zwischenkriegszeit nie mehr erreicht wurde. 1905 ließ Kuffner die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Den Ersten Weltkrieg und die Zwischenkriegszeit überstand das Unternehmen unter der Führung Moriz von Kuffners trotz mancher wirtschaftlicher Probleme relativ unbeschadet.

„Arisierung“ 1938

Im Jahr 1938, in dem Österreich an das Deutsche Reich „angeschlossen“ wurde, war der damals 85-jährige Moriz Kuffner (das Adelszeichen „von“ war 1919 weggefallen) aufgrund seiner jüdischen Herkunft gezwungen, seinen Betrieb zu verkaufen. Er wurde um 14 Millionen Schilling (nach heutigem Wert etwa 36 Mio Euro) an Gustav Harmer, einen Spiritusfabrikanten aus Spillern bei Stockerau, verkauft.[3] Harmer wiederum wurde nach dem Zweiten Weltkrieg für zwei Jahre ebenfalls aus dem Betrieb vertrieben. In den Jahren 1949 und 1950 wurden die Erben des 1939 im Zürcher Exil verstorbenen Moriz Kuffner von der Familie Harmer mit rund elf Millionen Schilling abgefunden.

Der Historiker Oliver Rathkolb stellte in seinem Gutachten Restitutionsvergleich – Die Dokumentation eines Falles, Wien, 2000, unter anderem folgendes fest: In der Gesamtbeurteilung kann festgehalten werden, dass die Familie Harmer sowohl 1938 als auch nach 1945 bestrebt war, eine – unter den Rahmenbedingungen des NS-Regimes – korrekte Abwicklung des durch die Gestapo-Drohungen gegenüber der Familie Kuffner initiierten Verkaufs durchzuführen. Nach 1945 suchte die Familie aktiv Kontakt zum Familienoberhaupt Stephan Kuffner in den USA und strebte eine endgültige Regelung – noch vor Erlassung der Rückstellungsgesetze – an. Und weiter: Es gibt wohl wenige Restitutionsfälle, aber auch Erwerbungen nach der Machtübernahme des NS-Regimes 1938, in denen die bestehenden politischen Rahmenbedingungen zugunsten der Opfer und ursprünglichen EigentümerInnen so extensiv ausgenützt wurden, wie im Falle der Ottakringer-Kuffner-Gruppe.

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende wurde die Brauerei provisorisch von der sowjetischen Besatzungsmacht verwaltet, ehe es der Familie Harmer gelang, ihren rechtmäßigen Erwerb zu beweisen. 1955 bis 1962 konnte der Bierausstoß von 125.000 auf 236.000 Hektoliter gesteigert werden. 1962 treten Dr. Gustav Harmer und sein Schwager Engelbert Wenckheim in das Unternehmen ein und übernahmen gemeinsam schrittweise die Führung der Brauerei von Seniorchef Gustav Harmer.[3]

Im Jahr 1977 trug die Brauerei durch ihren Austritt aus dem Bierkartell wesentlich zu dessen Sprengung bei. Seither kann sich jeder Gastronom unabhängig von seinem Standort aussuchen, welche Bierbrauerei er als Lieferant wählt. 1986 erfolgte der Börsengang der Ottakringer Brauerei AG und die Brauerei Kapsreiter in Schärding wurde erworben.

Teil eines Getränkekonzerns

1989 führte Ottakringer neu entwickelte, grüne Schulterflaschen ein und verzichtete fortan auf die österreichweit genormten braunen Bierflaschen.[4] 1991 kommt das alkoholfreie Ottakringer Null Komma Josef auf den Markt. Bereits ein Jahr nach der Einführung wird es zum Marktführer in seinem Segment. Dr. Gustav Harmer schied 1995 als Alleinvorstand der Ottakringer Brauerei aus und wurde Generaldirektor der Harmer Holding mit den Marken Kapsreiter Bier und Grieskirchner Bier. 1997 folgt die nächste Neuerung: Als erste österreichische Brauerei setzt man auf die neuen Drehkorken-Verschlüsse und stattet die 0,33l Einwegflaschen damit aus. Keine zwei Jahre später, 1999, wird das äußere Erscheinungsbild der Brauerei überarbeitet und neu gestaltet und im darauffolgenden Jahr 2000 wurde Siegfried Menz zum Vorstandsvorsitzenden der Holding (nach Umstrukturierung seit 2010 Ottakringer Getränke AG) und Christiane Wenckheim, Tochter von Engelbert Wenckheim, zum Vorstand der Ottakringer Brauerei AG, seit 2010 Tochterfirma der Ottakringer Getränke AG, bestellt.[5] Am 2. März 2015 wurde Matthias Ortner zum Vorstand der Ottakringer Brauerei AG bestellt. Christiane Wenckheim wurde der Vorsitz im Aufsichtsrat der AG übertragen.[6]

Marketing-Konzepte seit 2000

2004 wurde UO (Urban Ottakringer) für den Gastronomiesektor eingeführt. Die Flasche hatte kein Bauchetikett, was als „Unten Ohne“ vermarktet wurde. 2005 bekamen die Ottakringer-Flaschen einen neuen Frischeverschluss, den sogenannten Blopp, der auch für eine begleitende Werbekampagne genutzt wurde. 2007 kam das Dosenbier 16er Blech auf den Markt, das sich auf einen umgangssprachlichen Namen (insbesondere an Wiener Würstelständen) für das Ottakringer Dosenbier bezog (16 steht für den 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring und Blech für das Dosenmaterial).[7] 2008 bekam Ottakringer als erste Brauerei das AMA-Gütesiegel verliehen, da ausschließlich österreichische Braugerste verwendet wird. Dieser Weg wurde 2010 weiter fortgeführt und mit Ottakringer PUR kam erstmals ein Bier auf den Markt, dessen Zutaten allesamt aus kontrolliert biologischem Anbau stammten. Dieses Bio-Bier wurde mit dem „Austria Bio Garantie-Siegel“ ausgezeichnet und ist nur in der Gastronomie erhältlich. Im Zuge der Produkteinführung von PUR startete Ottakringer eine Kooperation mit dem WWF und rief die Initiative „H2Ottakringer“ ins Leben.[8] Im Rahmen dieses Projektes kommen 5 Euro pro Hektoliter Ottakringer PUR dem Schutz der March-Thaya-Auen zugute.

Firmenstruktur

Das Brauereigelände im 16. Bezirk (2012)

Seit die Eigentümerfamilien Wenckheim, Menz, Trauttenberg und Pfusterschmid 2009 13,43 % der Ottakringer-Aktien vom niederländischen Bier-Konzern Heineken zurückkauften, die einst die Brau Union erworben hatte, befindet sich die Ottakringer Brauerei wieder ganz in österreichischem Besitz. Die Firmengruppe Ottakringer Getränke AG, zu der die Brauerei gehört, ist Österreichs einziger börsennotierter Getränkekonzern.[9][10] Die Muttergesellschaft der Brauerei ist zu 94,31 % im Besitz der Ottakringer Holding AG, die wiederum im Besitz der Familien Wenckheim, Menz, Pfusterschmid und Trauttenberg steht.

2013 besteht die Ottakringer Getränke AG aus folgenden Unternehmen:

  • Ottakringer Brauerei AG
  • Vöslauer Mineralwasser AG
  • Brauerei Pécsi Sörfőzde Zrt, Ungarn (Anteil 92,87 %)
  • Kolarik & Leeb GmbH (Getränkefachgroßhandlung, Anteil 74 %)
  • Del Fabro Gesellschaft mbH (Getränkefachgroßhandlung, Anteil 50 %)
  • Trinkservice GmbH (früher Vöslauer Getränkevertriebs GmbH – VGV)[11]

Produkte

Das Ottakringer Sortiment im Überblick:

Ottakringer
  • Helles: Alkoholgehalt: 5,2 % Vol. Stammwürze: 12°
  • Wiener Original: Alkoholgehalt: 5,3 % Vol. Stammwürze: 12°
  • Wiener G'mischtes: Alkoholgehalt: 5,1 % Vol. Stammwürze: 11,8°
  • Citrus Radler: Alkoholgehalt: 2,1 % Vol. Stammwürze: 9,8°
  • Ottakringer XVI (Gastronomie): Alkoholgehalt: 5,2 % Vol. Stammwürze: 11,8°
  • Ottarocker (Exklusiv auf Musikfestivals und anderen Veranstaltungen): Alkoholgehalt: 5,0 % Vol. Stammwürze: 11,3°
  • 16er-Blech: Alkoholgehalt 5,4 % Vol.
Gold Fassl
  • Gold Fassl Spezial: Alkoholgehalt: 5,6 % Vol. Stammwürze: 12,7°
  • Gold Fassl Pils: Alkoholgehalt: 4,6 % Vol. Stammwürze: 11,2°
  • Gold Fassl Pur: Alkoholgehalt: 5,2 % Vol. Stammwürze: 11,8°
  • Gold Fassl Zwickl: Alkoholgehalt: 5,2 % Vol. Stammwürze: 12,2°
  • Gold Fassl Zwickl Rot: Alkoholgehalt: 5,2 % Vol. Stammwürze: 12,2°
  • Gold Fassl Dunkles: Alkoholgehalt: 5,2 % Vol. Stammwürze: 12,2°
  • Gold Fassl Bock: Alkoholgehalt: 7,6 % Vol. Stammwürze: 17,0
Null Komma Josef
  • Null Komma Josef: Alkoholgehalt: 0,5 % Vol. Stammwürze: 6,2°
Brauwerk
  • Hausmarke 1 Blond: Alkoholgehalt: 5,4 % Vol. Stammwürze: 12,5°
  • Hausmarke 2 Session IPA: Alkoholgehalt: 4,3 % Vol. Stammwürze: 10,5°
  • Hausmarke 3 Porter: Alkoholgehalt: 5,0 % Vol. Stammwürze: 13,4°
  • Hausmarke 4 Flanders Red: Alkoholgehalt: 7,2 % Vol. Stammwürze: 17,2°

Das 16er-Blech

Im Wiener Dialekt wird insbesondere im Zusammenhang mit einer Bestellung beim Würstelstand nach wie vor häufig die Formulierung „A Eitrige, an Bugl[12] und a 16er-Blech“ für „Eine Käsekrainer, ein Brotendstück (in Wien auch Scherzel genannt) und eine Dose Ottakringer Bier“[13] verwendet.

Event-Location

Mehrere aufgelassene Produktionshallen des historischen Brauereigebäudes werden regelmäßig für Konzerte, Clubbings und andere Veranstaltungen genutzt.

Das Gold Fassl Magazin
Der Gerstenboden
Der Hefeboden
Gold Fassl Magazin

Direkt unterhalb des Gerstenbodens befindet sich mit dem Gold Fassl Magazin die neueste Event-Location der Ottakringer Brauerei. Der früher als Lager genutzte, denkmalgeschützte Raum hat fünf renovierte Backsteinportale, sowie freigelegte Fresken in der Gewölbedecke. Direkt an das Gold Fassl Magazin angeschlossen öffnet eine Terrasse den Blick auf den 2012 neu gestalteten Vorplatz der Brauerei.

Größe: 290 m²

Terrasse: 130 m²

Raumhöhe: 5,36 m

Fassungsvermögen: bis 140 Personen sitzend

Gerstenboden

Die dicken Mauern und die Holzdecke des Gerstenbodens gehören zum ältesten, heute noch bestehenden Teil der Brauerei.

Größe: 394 m²

Raumhöhe: 3,14 m

Fassungsvermögen: bis 300 Personen sitzend

Hopfenboden

Die kleinere Variante des Gerstenbodens verfügt über eine Holzdecke und wurde mit einer Bar ausgestattet.

Größe: 120 m²

Raumhöhe: 3,70 m

Fassungsvermögen: bis 100 Personen sitzend

Hefeboden

Das Gebäude des Hefebodens wurde 1890 errichtet. Die Struktur der Halle entstand durch das Entfernen alter Maschinenteile.

Größe: 481 m² inkl. Galerie

Raumhöhe: 9 m

Fassungsvermögen: bis 800 Personen stehend

Alte Technik

Unter dem Hefeboden befanden sich früher große Bottiche und Gefäße für die Bereitung der Nährlösung aus Melasse.

Größe: 700 m² inkl. Galerie

Raumhöhe: 10,76 m

Fassungsvermögen: bis 1.000 Personen stehend

Weblinks

Commons: Ottakringer Brauerei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Meldung auf der Website der AG vom 2. März 2015
  2. a b Ottakringer Brauerei AG: Zahlen & Fakten über die Brauerei. Abgerufen am 6. August 2013.
  3. a b c Geschichte der Ottakringer Brauerei (Memento vom 4. September 2011 im Internet Archive)
  4. Brauereigeschichte mit Genehmigung von Michael Kranewitter auf brauereifuehrer.com
  5. 175 Jahre Hopfen-Saft aus Ottakring. Text vom 1. Oktober 2012 auf der Website der Wiener Tageszeitung Kurier.
  6. Meldung auf der Website der AG vom 2. März 2015
  7. [1]
  8. „H2Ottakringer“ bringt Adventsegen für die March-Thaya-Auen. In: WWF. Umweltverband WWF Österreich (WORLD WIDE FUND FOR NATURE), 15. Dezember 2010, abgerufen am 6. Juli 2016.
  9. Website der Ottakringer Getränke AG, Stand vom 21. März 2013
  10. DJ EANS-Adhoc: Ottakringer Brauerei AG / vom 15. September 2009 abgerufen am 16. September 2009.
  11. Konzern & Tochterunternehmen Webpräsenz der Ottakringer Getränke AG, abgerufen am 20. März 2013.
  12. Brotanschnitt - Buckel. Eintrag in ostarrichi.org - Sprache in Österreich, abgerufen am 14. Februar 2014.
  13. Robert Sedlaczek: Das 16er Blech macht Karriere. Sedlaczek am Mittwoch in: Wiener Zeitung, 13. März 2007, abgerufen am 14. Februar 2014.

Koordinaten: 48° 12′ 43″ N, 16° 19′ 26″ O