Paul Westheim

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Paul Westheim (* 7. August 1886 in Eschwege; † 21. Dezember 1963 in Berlin) war ein deutscher Kunstschriftsteller jüdischen Glaubens, Herausgeber und Kritiker. Paul Westheim war mit der Übersetzerin und Dichterin Mariana Frenk-Westheim verheiratet.

Studium und kulturhistorische Arbeit

Paul Westheim wurde in eine jüdisch-orthodoxe[1] Familie geboren und studierte Kunstgeschichte an der TH Darmstadt und der Universität Berlin. Während seiner Studienzeit war er Schüler von Heinrich Wölfflin und Wilhelm Worringer. Von 1917 bis 1933 gab er die Kunstzeitschrift Das Kunstblatt heraus, in dem er Beiträge der expressionistischen Maler Wilhelm Lehmbruck, Oskar Kokoschka, Otto Dix und Pablo Picasso veröffentlichte. Er gab darüber hinaus die Mappenwerke für Grafik Die Schaffenden, des Almanachs Europa und die Buchserie Orbis pictus heraus. Paul Westheim verfasste zahlreiche grundlegende Monographien über die moderne Kunst des 20. Jahrhunderts und sammelte selbst bedeutende Werke von George Grosz, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel u.v.a. 1920 erschien seine Monographie über Oskar Kokoschka und 1931 Helden und Abenteurer. Paul Westheim nutzte schon frühzeitig die modernen Kommunikationswege und wurde durch seine kunstkritischen Rundfunkbeiträge zu einem der führenden Kunstkritiker in Deutschland. Er förderte junge Künstler durch Ausstellungen in seiner Berliner Galerie.

Flucht und Exil

Auf Grund der politische Veränderungen nach 1933 emigrierte Westheim zunächst nach Frankreich. Er musste seine Kunstsammlung zurücklassen, die er bei der befreundeten Charlotte Weidler[2] versteckte. Er arbeitete für deutschsprachige Zeitungen und gab das Mitteilungsblatt des Freien Deutschen Künstlerbundes Freie Kunst und Literatur heraus. 1935 wurde Westheim die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er jedoch sofort wegen seiner deutschen Herkunft inhaftiert. Er wurde in fünf verschiedenen französischen Internierungslagern festgehalten. Er selbst nannte ironisierend seine Gefangenschaft „seine Tour de France“. Durch einen glücklichen Zufall gelang ihm 1941 die Flucht aus einem Internierungslager, das Emergency Rescue Committee verhalf ihm zur Flucht aus Frankreich. 1941 erhielt der nunmehr fast erblindete Paul Westheim in Marseille ein Einreisevisum für Mexiko[3]. Er floh über Spanien und Portugal nach Mexiko.

1942 lernte Paul Westheim im Heinrich-Heine-Klub in Mexiko-Stadt die verwitwete Hispanistin Mariana Frenk kennen. 1959 heirateten beide. Nach dem Zweiten Weltkrieg verwehrten beide deutschen Staaten den als linksliberal eingestuften Paul Westheim die Remigration. Charlotte Weidler brach 1945 den Kontakt zu ihm ab und verkaufte seine Sammlung. 1954 erhielt der bis dahin staatenlose Paul Westheim die mexikanische Staatsbürgerschaft. Paul Westheim verstarb während eines Besuchs 1963 in Berlin, der Stadt in der er nach eigenen Aussagen am liebsten gelebt hätte.

Westheim trat besonders für die Anerkennung des deutschen Expressionismus ein. Zu den bekanntesten Werken Paul Westheims gehören die Monographien über den deutschen expressionistischen Bildhauer Wilhelm Lehmbruck und den österreichischen expressionistischen Maler Oskar Kokoschka. Er veröffentlichte darüber hinaus Arbeiten über indische Architektur und altmexikanische Kunst. Große Anerkennung erfährt das Lebenswerk Paul Westheims insbesondere in Mexiko. Sein Buch "Die Kunst Alt-Mexikos", erstmals 1950 in Mexico erschienen, beeindruckte und beeinflusste unter anderen den Nobelpreisträger Octavio Paz.

Werke (Auswahl)

  • Der Tod in Mexiko. = la Calavera Müller & Kiepenheuer, Hanau/M. 1987, ISBN 3-7833-6400-0.
  • Karton mit Säulen. Antifaschistische Kunstkritik. Kiepenheuer, Leipzig 1985, 1. Auflage.
  • Kunstkritik aus dem Exil. Müller & Kiepenheuer, Hanau/M. 1985, ISBN 3-7833-6507-4.
  • Heil Kadlatz. Der Lebensweg eines alten Kämpfers; Roman. Rogner und Bernhard, München 1977, ISBN 3-8077-0083-8.
  • Arte Antiguo de México. Fondo de Cultura Económica, Mexiko 1950.
    • in englischer Sprache: Doubleday & Company, Inc., New York City USA 1965.
    • Erweiterte deutsche Ausgabe: Die Kunst Alt-Mexikos. M. DuMont Schauberg, Köln 1966.
  • Otto Mueller. 1874-1934, Aquarelle, Kreiden, Lithographien. Galerie Schwarzer, Hamburg 2004 (Repr. d. Ausg. 1954).
  • La calavera. Übersetzung Mariana Frenk, Antigua Librería Robredo, Mexiko 1953.
  • Arte antiguo de México. Übersetzung Mariana Frenk, Fondo de Cultura, Mexiko, Buenos Aires 1950, Neuauflage Económica Alianza Ed., Madrid 1988, ISBN 84-206-7067-7.
  • "Innere Angelegenheit". Aufsatz in Warum schweigt die Welt? Hrsg Berthold Jacob, Mit Beitr. von Carl von Ossietzky; Georg Bernhard; W. Franck; Jack Iwo; Alfred Kantorowicz; Rudolf Leonhard; Paul Westheim, Editions du Phénix, Paris 1936.
  • Rassenschande: Novelle. Ed. du Phénix, Paris 1935.
  • Helden und Abenteurer: Welt u. Leben d. Künstler . Verlag Reckendorf, Berlin 1930/1931.
  • Für und wider: kritische Anmerkungen zur Kunst d. Gegenwart. Kiepenheuer, Potsdam 1923
  • Das Holzschnittbuch. Kiepenheuer, Potsdam 1921, Reprint Rogner und Bernhard 1977 u. Mann Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2324-1.
  • Die Welt als Vorstellung: ein Weg zur Kunstanschauung. Kiepenheuer, Potsdam 1919.
  • La cerámica del México Antiguo - Fenómeno artístico. Universidad Nacional Autónoma de México, 1962.

Literatur

  • Ulla Bötcher: Paul Westheim, in: Anna Maria Zimmer: Juden in Eschwege. Entwicklung und Zerstörung der jüdischen Gemeinde. Selbstverlag Maria Zimmer, Eschwege 1993, DNB 940692570.
  • Peter Chametzky: 'Paul Westheim in Mexico: A Cosmopolitan `Man Contemplating the Heavens`', Oxford Art Journal 24.1 (2001): 23-44.
  • Tanja Frank: Paul Westheim: Kunstkritik aus dem Exil. Müller & Kiepenheuer, Hanau 1985, ISBN 3-7833-6507-4.
  • Walther Killy, Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. Saur, München 1998, ISBN 3-598-23160-1, S. 459.
  • Melissa Müller, Monika Tatzkow: Verlorene Bilder, verlorene Leben – Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde. Sandmann, München, 2008, ISBN 978-3-938045-30-5 (zum Verbleib seiner bei Charlotte Weidler deponierten Sammlung).
  • Rolf Tauscher: Literarische Satire des Exils gegen Nationalsozialismus und Hitlerdeutschland. Von F. G. Alexan bis Paul Westheim. Kovač, Hamburg 1992, ISBN 3-86064-062-3 (zugleich Habilitationsschrift, Universität Halle 1991). S. 86–89 (zu Rassenschande), S. 132–136 (zu Heil Kadlatz!).
  • Lutz Windhöfel: Paul Westheim und Das Kunstblatt: Eine Zeitschrift und ihr Herausgeber in der Weimarer Republik. Dissertationen zur Kunstgeschichte, 35. Köln: Böhlau Verlag 1995.
  • Karl Kollmann, York-Egbert König: Namen und Schicksale der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Eschwege - Ein Gedenkbuch. Frankfurt am Main: Nicholas-Benzin-Stiftung 2012, 1. Auflage (hier S. 245-246, unter Westheim, Paul).
  • Bernd Fechner, York-Egbert König: Paul Westheim, Kunstkritiker – Publizist - Sammler. Centrum Judaicum, Hentrich & Hentrich, Berlin 2015, ISBN 978-3-95565-095-7 (= Jüdische Miniaturen. Band 172).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/28096/
  2. http://www.welt.de/welt_print/article3123231/Ich-hebe-alles-was-Dir-gehoert-sorgfaeltig-auf.html
  3. siehe Artikel zum mexikanischen Konsul in Marseille Gilberto Bosques