Personal Defence Weapon

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Personal Defence Weapons (deutsch: persönliche Verteidigungswaffen) oder PDWs sind kompakte Handfeuerwaffen, die eine Lücke zwischen dem Einsatzbereich von Sturmgewehren und dem von Pistolen bzw. Maschinenpistolen füllen sollen.

Gedacht sind sie für Fahrzeugbesatzungen, Bedienmannschaften und rückwärtige Truppen, die zwar im Regelfall in keine infanteristischen Kampfhandlungen verwickelt werden, für die jedoch gerade im Zuge asymmetrischer Konflikte immer die Gefahr besteht, in Hinterhalte zu geraten. Da sich solche Kampfhandlungen zumeist als Nahbereichsgefechte abspielen, benötigen diese Truppenteile zwar aufgrund der weiten Verbreitung von Schutzwesten die Feuerkraft eines Sturmgewehrs, nicht aber dessen vergleichsweise große Reichweite.

Geschichte

Das Konzept

Früher waren solche Soldaten mit Pistolen bewaffnet, jedoch zeichnete sich schnell ab, dass dies nicht die optimale Lösung war. Ihre Effektivität war zu begrenzt. Im Ersten Weltkrieg setzten die Deutschen Mauser C96 Pistolen mit anmontierbaren Schulterstützen ein, im Zweiten Weltkrieg rüsteten die Vereinigten Staaten ihre rückwärtigen Truppen mit dem M1 Carbine aus. Maschinenpistolen mit Pistolenmunition wurden traditionell von Fronttruppen eingesetzt, jedoch war diese Munition gegen die immer weiter verbreiteten beschusshemmenden Westen wirkungslos.

Im Jahre 1986 veröffentlichte die United States Army Infantry School in Fort Benning ein Dokument, genannt „Smalls Arms System 2000“. Dieses Papier definierte eine OPDW (Objective Personal Defense Weapon) als Teil einer Objective-Waffenfamilie.[1] Diese Waffe sollte die Möglichkeit bieten, vollautomatisches Feuer zu geben und Schutzwesten durchschlagen zu können. Da der Preis und die Komplexität einer OICW es nicht möglich machen, jeden Soldaten damit auszustatten, sollte die OPDW für alle anderen, nicht an der Front kämpfenden Soldaten gedacht sein. Außerdem sollte sie kompakt und leicht sein, um den Träger so wenig wie möglich zu behindern. Gefordert wurde eine Waffe, die:[2]

  1. weniger als 1,5 kg wiegt
  2. verdeckt tragbar ist
  3. eine geringe magnetische Signatur besitzt
  4. auf 50 m Entfernung den CRISAT-Schutz durchschlagen kann
  5. maximal den Rückschlag einer Patrone vom Kaliber 9 × 19 mm besitzt

1997 wurde noch hinzugefügt:

  1. bis zu 200 m effektive Kampfentfernung
  2. Möglichkeit von Einzelfeuer oder vollautomatischem Feuer
  3. Ersatz für Pistolen und Maschinenpistolen
  4. Einsatz gegen Weich- und Hartziele
  5. modernste Technologie

NATO-Evaluation

Um an der Ausschreibung teilzunehmen, entwickelte Heckler & Koch die HK MP7 im Kaliber 4,6 × 30 mm und FN Herstal die FN P90 im Kaliber 5,7 × 28 mm. Die Patronen im Kaliber 4,6 mm und 5,7 mm wiegen etwa 6 Gramm. Verglichen mit der 9-mm-Parabellum-Munition, welche etwa 12 g pro Patrone wiegt, sollte so die Munitionsmenge des Schützen verdoppelt werden. Damit setzte sich auch hier der Trend fort, welcher bereits beim Wechsel von 7,62 x 51 mm NATO auf 5,56 x 45 mm NATO zu beobachten war: Jede neu eingeführte Munitionsart ist nur etwa halb so schwer wie das Vorgängermodell, in diesem Fall von etwa 24 auf 12 Gramm.[3]

Im Jahr 2002 veranstaltete das Etablissement Technique de Bourges (ETBS) ein Vergleichsschießen zwischen der 4,6 × 30 mm und der 5,7 × 28 mm Munition, um den Gewinner zum NATO-Standard zu erheben. Die Testserie dauerte über sechs Monate und war auf 22 Testplätze in Frankreich verteilt. 2003 folgte eine Evaluation durch das Quick Reaction Team (QRT) der NATO Army Armaments Group (NAAG). Die Testergebnisse wurden von Experten aus Frankreich, Belgien, Schweiz, USA, Deutschland, UK, Italien und den Niederlanden ausgewertet. Dabei wurden sechs Kriterien berücksichtigt: Trefferwirkung, Trefferwahrscheinlichkeit bei Schüssen aus Testrohren, Trefferwahrscheinlichkeit von Schützen, Zuverlässigkeit, Innenballistik und Durchschlagsleistung. Dabei wurde festgestellt:[4]

  • Höhere Mannstoppwirkung des Kalibers 5,7 mm (SS190) gegenüber ungepanzerten Zielen (+27 %) auf 100 m, auch bei mit CRISAT gepanzerten Zielen war die Wirkung höher (+11 %).
  • Beide Systeme übertrafen die geforderte Durchschlagsleistung gegen CRISAT deutlich (>200 m).
  • Bessere Innenballistik der 5,7 × 28 mm, weil größere Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen (Temperatur etc). Dem 4,6 × 30 mm Geschoss wurde ein höherer Laufverschleiß nachgesagt, dies konnte in den Tests jedoch nicht bestätigt werden. Die Beanspruchung der Bauteile ist durch den höheren Gasdruck (400 MPa gegen 345 MPa) aber größer.
  • Die 5,7 × 28 mm Patrone ähnelt der 5,56-mm-NATO-Munition, so dass diese auf derselben Fertigungslinie produziert werden kann.
  • Für die 5,7-mm-Munition war mit der Five-seveN eine Pistole verfügbar, während für 4,6 mm nur ein Konzept existierte (HK UCP).

Das Kaliber 5,7 × 28 mm wurde zum Sieger der Ausschreibung erklärt. Allerdings müssen innerhalb der NATO Entscheidungen im Konsens getroffen werden. Länder wie z. B. Deutschland legten ihr Veto gegen die Wahl ein.[4] Die 4,6-mm-Munition wurde seitdem verbessert. Während die Tests noch mit der 1,7 Gramm leichten Combat-Steel-Munition geschossen wurden, führte die Bundeswehr mit der DM11 eine schwerere Geschossvariante (2 g) mit höherer Mündungsenergie ein (506 Joule gegen 447 Joule, +13 %). Seit 2008 überarbeitet die NATO auch den CRISAT-Standard, welcher durch zwei neue Zielarten – weiche Körperpanzerung und solche mit hartballistischen Einlagen – ersetzt werden soll.[5]

Die Beschaffung einer Waffe bzw Munitionsart ist somit jedem Land selbst überlassen, da kein Standard gefunden werden konnte. Das Konzept einer Personal Defence Weapon ist mittlerweile etabliert. Jedoch haben sich die Vereinigten Staaten noch für kein Modell entschieden, deshalb zögern weitere NATO-Länder, um sich nicht für ein womöglich künftig ungebräuchliches Kaliber zu entscheiden.

Waffen in Produktion

Bislang gibt es zwei Verwirklichungen dieses Konzepts, beide sind in der Lage, Standard-Militärschutzwesten auf über 200 Meter zu durchschlagen:

FN P90
FN P90
  • Die FN P90 des belgischen Waffenherstellers FN Herstal im Kaliber 5,7 × 28 mm. Die Waffe wiegt ca. 3,1 kg geladen mit 50 Schuss in einem transparenten, auf der Waffe liegenden Magazin, die Hülsen werden durch einen Schacht nach unten ausgeworfen. Die Waffe ist ein Rückstoßlader mit Masseverschluss. Die Lauflänge beträgt 250 mm, die Kadenz beträgt ca. 900 Schuss pro Minute. Die Waffe ist mit einem einfach vergrößernden Leuchtpunktvisier ausgerüstet, im vorderen Handgriff können Laserzielhilfen untergebracht werden.


Die MP7 der Bundeswehr
Die MP7 der Bundeswehr
  • Die HK MP7 des deutschen Waffenherstellers Heckler & Koch im Kaliber 4,6 × 30 mm. Die Waffe wiegt ca. 2 kg geladen mit 20 Schuss in einem im Handgriff steckenden Magazin, optional kann ein 40-Schuss-Magazin verwendet werden, das allerdings weit aus dem Handgriff herausragt und die Waffe sperriger macht. Die MP7 ist ein Gasdrucklader mit Drehkopfverschluss. Die Hülsen werden nach rechts ausgeworfen. Die Lauflänge beträgt 180 mm, die Kadenz liegt bei ca. 950 Schuss pro Minute.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Globalsecurity: Small Arms and Light Weapons
  2. I. Personal Defense Weapon: Only for Defense? (Memento vom 22. April 2006 im Internet Archive) (PDF; 35 kB)
  3. RUAG Ammotec: Patronenfamilie 4.6 x 30 mm, S.13/22
  4. a b Global Defence Reviev: In the line of fire (Memento vom 16. Oktober 2006 im Internet Archive)
  5. Anthony G Williams: Where Next For PDWs?