Quantengravitation

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Die Quantengravitation ist eine derzeit noch in der Entwicklung befindliche Theorie, welche die Quantenphysik und die allgemeine Relativitätstheorie, also die beiden großen physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts, vereinigen soll. Während die allgemeine Relativitätstheorie nur eine der vier Elementarkräfte des Universums beschreibt, nämlich die Gravitation, behandelt die Quantentheorie die anderen drei Elementarkräfte (elektromagnetische Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung und starke Wechselwirkung). Die Vereinigung dieser beiden Theorien ist unter anderem wegen ihrer Überschneidungen, aber auch wegen abweichender wissenschaftsphilosophischer Konsequenzen notwendig.

Hintergründe

Generell beschreibt die allgemeine Relativitätstheorie den Aufbau des Universums im Großen und ist bei großen Massen und Beschleunigungen praktikabel. Die Quantentheorie hingegen beschreibt die Wechselwirkung zwischen kleinsten Teilchen in kleinen Raumgebieten.

Obwohl die Gravitation die schwächste der Elementarkräfte ist, bestimmt sie nicht nur das Weltbild der Physik, sondern dominiert trotz ihrer „Kleinheit“ im Vergleich zu den anderen Wechselwirkungen, in der Regel auch dessen Phänomene im Großen: Sie ist die einzige der vier Elementarkräfte, die, nach heutiger Kenntnis, ausschließlich anziehend wirkt, da es nur eine Gravitationsladung (die Masse) gibt, und sich somit nicht entgegengesetzte Ladungen gegenseitig aufheben können. Die anderen Elementarkräfte hingegen sind, obwohl betragsmäßig im Allgemeinen viel größer als die Schwerkraft, nur für mikroskopische Prozesse von Bedeutung – mit Ausnahme der elektromagnetischen Wechselwirkung, die durchaus makroskopische und im Fall von interstellarem Plasma oder den Magnetfeldern von beispielsweise Sonne und Erde auch kosmische Maßstäbe erreicht. Überschneidungen beider Theorien treten in einigen Extremfällen auf.

  • Dazu gehören erstens der Urknall: dieser stellt im Modell der allgemeinen Relativitätstheorie ein Problem dar, da hier die Krümmung der Raumzeit unendlich wird (mathematisch und auch astronomisch „singuläres Verhalten“), womit die Gesetze der allgemeinen Relativitätstheorie außer Kraft gesetzt werden sowie Dichte und Temperatur extreme Werte annehmen.
  • Zweitens gehören dazu die sogenannten schwarzen Löcher, welche durch ihre enorme Masse einhergehend mit ihrer geringen Größe die Raumzeit ebenfalls zur Singularität krümmen.

Einige Physiker verbinden mit der noch zu formulierenden Vereinigung der Gravitation mit den anderen Elementarkräften die Hoffnung, dass in einer solchen Theorie keine formal unendlichen Terme mehr auftreten und dass sich auch Extremfälle, in denen alle Elementarkräfte gleichermaßen berücksichtigt werden müssen, dann berechnen lassen.

Zusätzlich gilt die Quantengravitation als möglicher Kandidat einer TOE (Theory Of Everything).

Probleme

Bisher widersetzt sich die Gravitation allerdings beharrlich den Versuchen der Physiker, sie in ein Quantenmodell einzufügen. Dieses beruht darauf, dass alle Kräfte in Elementarportionen, die Quanten, aufgeteilt werden, wobei die Aussagen zu den Messgrößen der Theorie nur Wahrscheinlichkeitsaussagen sind (siehe etwa Quantenmechanische Zustände). Diese Aussagen über die in einzelne Quanten zerlegten Kräfte lassen sich in der Quantentheorie (und nur dort, siehe etwa das EPR-Paradoxon) exakt berechnen und erklären.

Die Gravitation allerdings lässt sich nicht so einfach zerlegen, und so werden heute verschiedene Theorien aufgestellt, die dies ermöglichen sollen.

Die wesentliche Problematik bei der Formulierung einer Theorie der Quantengravitation besteht darin, dass etablierte Methoden, die von anderen Quantenfeldtheorien bekannt sind, sich nicht unmittelbar auf die Allgemeine Relativitätstheorie übertragen lassen. Insbesondere scheitert die störungstheoretische Quantisierung und Renormierung der Gravitation. Versucht man, die Theorie mittels Gravitonen und deren Wechselwirkungen (mittels Feynmandiagrammen) zu konstruieren, so findet man die aus anderen Quantenfeldtheorien bekannten Unendlichkeiten; die Eliminierung dieser Unendlichkeiten ist jedoch mit den etablierten Methoden nicht möglich. Für eine Theorie der Quantengravitation müssen also zwingend neue Methoden zur Quantisierung bzw. Renormierung konstruiert werden.

Kandidaten für eine Theorie der Quantengravitation

Ein Anwärter für die Quantengravitation ist die Stringtheorie, in der alle Elementarteilchen durch eindimensionale Strings repräsentiert werden. Allerdings lässt sich diese Theorie nach bisherigem Kenntnisstand nur in einem 10-, 11- oder 26-dimensionalen Universum formulieren. Außerdem ist unklar, ob und in welcher Weise sie das bekannte Standardmodell der Elementarteilchen reproduziert.

Eine Alternative ist die Schleifenquantengravitation (auch Loop-Quantengravitation LQG), in welcher auch Raum und Zeit gequantelt sind. Im Zuge der Schleifenquantengravitation wird die Allgemeine Relativitätstheorie zunächst als Eichtheorie umformuliert, sowie eine modifizierte Quantisierungsvorschrift angewandt. Es ist heute (2015) noch nicht endgültig geklärt, ob die so definierte Theorie in sich konsistent ist und ob sie im klassischen Grenzfall die Ergebnisse der Allgemeinen Relativitätstheorie reproduziert.

Eine weitere Alternative ist der Ansatz der sogenannten asymptotischen Sicherheit, einer Verallgemeinerung der asymptotischen Freiheit, der eine nicht-störungstheoretische Quantisierung und Renormierung der Allgemeinen Relativitätstheorie zum Ziel hat. Dabei werden die oben genannten Probleme der störungstheoretischen Quantisierung vermieden; die Kopplungskonstanten sowie physikalischen Größen wie Streuamplituden bleiben endlich.

Die kausale dynamische Triangulation stellt einen Ansatz dar, die Gravitation in einer diskretisierten Variante vergleichbar der Gittereichtheorie mittels Pfadintegral­quantisierung und Monte-Carlo-Simulation zu lösen. Diese Formulierung erlaubt die Berechnung verschiedener „Phasen“ der Quantengravitation; im langreichweitigen Limes resultiert automatisch ein de Sitter-Universum, das heißt die kausale dynamische Triangulation reproduziert möglicherweise ohne zusätzliche Annahmen ein Universum mit nicht-verschwindender kosmologischer Konstante und beschleunigter Expansion.

Die Supergravitation bezeichnet eine Klasse von Feldtheorien, die aus Erweiterungen der Allgemeinen Relativitätstheorie um supersymmetrische Felder, insbesondere um das hypothetische Gravitino als Spin-3/2-Partner des (ebenfalls hypothetischen) Spin-2-Gravitons, resultieren. Verschiedene Klassen der Supergravitation ergeben sich als Grenzfälle von Superstringtheorien im Limes verschwindender Stringlänge. Die Idee hinter der Supergravitation besteht darin, dass sie sowohl das Standardmodell der Elementarteilchen umfassen als auch das Renormierungsproblem lösen soll. Letzteres konnte bis heute (2015) nicht eindeutig bewiesen werden.

Dies sind nur einige Theorien, daneben gibt es noch eine ganze Reihe anderer Erklärungsmodelle.

Einordnung der Quantengravitation

Fundamentale Wechselwirkungen und ihre Beschreibungen
(Theorien in frühem Stadium der Entwicklung sind grau hinterlegt.)
Starke Wechselwirkung Elektromagnetische Wechselwirkung Schwache Wechselwirkung Gravitation
klassisch Elektrostatik Magnetostatik Newtonsches Gravitationsgesetz
Elektrodynamik Allgemeine Relativitätstheorie
quanten-
theoretisch
Quanten­chromodynamik
(Standardmodell)
Quanten­elektrodynamik Fermi-Theorie Quanten­gravitation (?)
Elektroschwache Wechselwirkung
(Standardmodell)
Große vereinheitlichte Theorie (?)
Weltformel („Theorie von Allem“) (?)

Die Planck-Skalen

Wenn man über die zugehörigen Naturkonstanten der Gravitationstheorie bzw. der Quantentheorie die charakteristischen physikalischen Größen der Theorie bildet und miteinander vergleicht, kann man die charakteristischen Längen, Zeiten bzw. Energien der Planck-Ära erhalten:

Dies geht etwa wie folgt: Die charakteristische Gravitationsenergie zweier „Planck-Massen“ im Abstand einer Planck-Länge ist: mit der (negativen) Gravitationskonstante . Andererseits ergibt sich aus der (reduzierten) Planck-Konstante und der Planck-Zeit (=Planck-Länge /c, mit der Lichtgeschwindigkeit c) dieselbe charakteristische Energie aus der Identität . Durch Gleichsetzen erhält man wenn man noch für die zugehörige Compton-Wellenlänge einsetzt.

Insgesamt ergeben sich auf diese Weise astronomisch hohe Werte für die Planck-Energien (~ 1019 GeV) bzw. extrem niedrige Werte für Planck-Längen und Planck-Zeiten (~ 10−43 s für die Planck-Zeit). Das zeigt, dass es sich um extreme Physik handelt, die im Alltagsleben keine Rolle spielt, was aber für Grundsatzfragen unwichtig ist.

Siehe auch

Literatur

Weblinks