Suffragetten

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Suffragettendemonstration in New York City (1912)
Protestplakat der amerikanischen Suffragetten gegen US-Präsident Wilson 1918
Schaufenster einer amerikanischen Organisation, die sich gegen das Frauenwahlrecht wandte

Als Suffragetten (von englisch/französisch suffrageWahlrecht‘) bezeichnete man Anfang des 20. Jahrhunderts (zentral 1903–1928) mehr oder weniger organisierte Frauenrechtlerinnen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten (hier war die selbstgewählte Bezeichnung eigentlich suffragist), die vor allem mit passivem Widerstand, Störungen offizieller Veranstaltungen bis hin zu Hungerstreiks für ein allgemeines Frauenwahlrecht eintraten. Die Suffragettenbewegung wurde überwiegend von Frauen aus dem Bürgertum getragen.

Der Begriff wurde ursprünglich von der englischen Presse geprägt, um die Wahlrechts-Aktivistinnen herabzuwürdigen, von diesen jedoch erfolgreich für sich selbst vereinnahmt. Im Nachlauf der Bewegung wurde der Begriff erneut abwertend für engagierte Frauenrechtlerinnen verwendet, so wie heute der Begriff Emanze in seiner pejorativen Bedeutung.

Geschichte

Die Suffragetten entwickelten sich in Großbritannien aus Gegnerinnen der Contagious Diseases Acts, der Gesetze von 1864 bis 1869 über die Zwangsuntersuchungen von Prostituierten zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten. Ihr Engagement führte 1883 dazu, dass die Rechtserlasse außer Kraft gesetzt und 1886 endgültig aufgehoben wurden. Der Erfolg der Kampagne radikalisierte die Befürworterinnen eines Frauenwahlrechts, die sich organisierten und neue Methoden des politischen Protests entwickelten.[1]

Im Jahr 1903 gründete Emmeline Pankhurst in Großbritannien die Women’s Social and Political Union, eine bürgerliche Frauenbewegung, die in den folgenden Jahren durch öffentliche Proteste, politische Demonstrationen und Hungerstreiks auf sich aufmerksam machte. Ihre Tochter Christabel Pankhurst war eine der führenden Suffragetten im Kampf um das Frauenwahlrecht in Großbritannien. Ein weiterer Tabubruch der Suffragetten war das demonstrative Rauchen in der Öffentlichkeit, das damals als ausschließlich männliches Vorrecht galt und von Frauen ausgeübt als Anmaßung empfunden wurde.

Nachdem 1910 eine Gesetzesinitiative gescheitert war, deren Ziel es war, die Rechte der Frauen auszuweiten, wurden auch Schaufenster von Kaufhäusern eingeworfen, große Landsitze angezündet und Bombenanschläge auf öffentliche Gebäude verübt, darunter Westminster Abbey. Am 18. November 1910 kam es vor dem britischen Unterhaus zu blutigen Auseinandersetzungen nach einer Rede von Premierminister Herbert Henry Asquith,[2] auch als schwarzer Freitag bezeichnet. Achtzig bewaffnete Frauen wurden verhaftet. Auch die englische Komponistin Ethel Smyth war eine Zeitlang aktive Suffragette. 1910 schrieb sie für die Londoner Demonstrationen den March of the women (Text: Cicely Mary Hamilton), der als Hymne der Suffragettenbewegung wesentliches Element für den Zusammenhalt unter den demonstrierenden Frauen war, die im Januar 1911 zum ersten Mal auf der Pall Mall erklang. Ein Teil der Memoiren Ethel Smyths ist ein wichtiger Augenzeugenbericht dieser Zeit. Der Dirigent Thomas Beecham, der die Frauen sehr unterstützte, berichtet in seinen Memoiren ebenfalls davon sowie auch der Maler Moritz Coschell, der eine Zeichnung über „Emmeline Pankhurst und ihre Tochter Christabel im Gefängnis“ für die Berliner Illustrirte Zeitung 1913 beisteuerte. [3] Ein weiterer Freund und Förderer der Emanzipationsbestrebungen war der Schriftsteller George Bernard Shaw. Am 1. März 1912 zerstörten 150 Suffragetten, mit Hämmern und Steinen bewaffnet, 270 Fenster im Einkaufsviertel des Londoner Westend. Dies führte zur Festnahme von 220 Frauen.[4] Im Jahr 1913 stürzte sich Emily Davison aus Protest vor das Pferd Georgs V. und starb wenige Tage später.[1] Der Erste Weltkrieg führte zu einer vorübergehenden Unterbrechung der Wahlrechtskampagne in Großbritannien. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, 1918, erhielten Frauen ab 30 Jahren, die im Besitz von Grundeigentum waren, das Wahlrecht.

Alice Paul und Lucy Burns führten in den Vereinigten Staaten dagegen eine Serie von Protesten gegen den als „Kaiser Wilson“ titulierten US-Präsidenten Woodrow Wilson an. Zahlreiche Mitglieder der im Juni 1916 von Alice Paul gegründeten National Woman’s Party (NWP) waren in den Jahren 1917 bis 1919 unter fragwürdigen Bedingungen inhaftiert, wodurch es zu Hungerstreiks und Zwangsernährung kam. Es gelang mithilfe des Senators Thomas Leighton, der mit der ebenfalls inhaftierten Emily Leighton verheiratet und anfänglich ein scharfer Gegner der Suffragetten war, einen Kassiber aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Die Presse griff die Geschichte auf und prägte für die Frauen wegen ihrer außergewöhnlichen Willensstärke den Begriff Iron Jawed Angels („Engel mit eisernen Kiefern“).

Durch den kriegsbedingten Arbeitskräftemangel kam es sowohl in den USA als auch in Großbritannien zu einer stärkeren Verankerung der Frauen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, was letztlich auch zur allgemeinen Akzeptanz des Frauenwahlrechts führte.

Mit der Umsetzung des Frauenwahlrechts in den USA in den Jahren 1919 und 1920 (19. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten) und in Großbritannien ab dem 2. Juli 1928 erreichte die Bewegung ihre Ziele.

Siehe auch

Literatur

  • Linda Ford: Iron Jawed Angels. The suffrage militancy of the National Woman's Party. University Press of America, Lanham, Md. 1991, ISBN 0-8191-8205-2 (Werk zur US-Bewegung).
  • Beatrix Geisel: Klasse, Geschlecht und Recht. Vergleichende sozialhistorische Untersuchung (Schriften zur Gleichstellung der Frau; Bd. 16). Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1997, ISBN 3-7890-4933-6 (zugl. Dissertation, Universität Frankfurt/M. 1996).
  • Jana Günther: Suffragetten. Mediale Inszenierung und symbolische Politik. In: Paul Gerhard (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder. 1900 bis 1949. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, S. 108–115, ISBN 978-3-525-30011-4.
  • Jana Günther: Die politische Inszenierung der Suffragetten in Großbritannien. Formen des Protests, der Gewalt und symbolische Politik einer Frauenbewegung. fwpf-Verlag, Freiburg/B. 2006, ISBN 978-3-939348-04-7 (zugl. Diplomarbeit, Universität Humboldt-Universität Berlin 2005).
  • Michaela Karl: „Wir fordern die Hälfte der Welt!“ Der Kampf der englischen Suffragetten um das Frauenstimmrecht. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/M. 2009, ISBN 978-3-596-18355-5.
  • Antonia Meiners (Hrsg.): Die Suffragetten. Sie wollten wählen - und wurden ausgelacht. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2016, ISBN 978-3-945543-13-9.
  • Melanie Phillips: The Ascent of Woman. A History of the Suffragette Movement and the ideas behind it. Abacus Books, London 2004, ISBN 0-349-11660-1 (EA London 2003).
  • Hannelore Schröder: Widerspenstige, Rebellinnen, Suffragetten. Feministischer Aufbruch in England und Deutschland (Philosophinnen; Bd. 12). Ein-Fach-Verlag, Aachen 2001, ISBN 3-928089-30-7.

Film

Weblinks

Commons: Suffragetten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Suffragette – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Frank Patalong: Bürgerkrieg der Geschlechter. Spiegel Online, 4. März 2013, abgerufen am 20. März 2013.
  2. Ulrike Rückert: Wir wollten die Öffentlichkeit aufbringen. Deutschlandradio, 18. November 2010, abgerufen am 8. Mai 2014.
  3. Thomas Beecham: A Mingled Chime. Leaves from an Autobiography. Hutchinson, London u.a. 1944.
  4. Glass-Smashing for Votes! Suffragettes as Window-Breakers. Illustrated London News, 9. März 1912, abgerufen am 15. März 2014.