Suone

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Gorperi Suone, Baltschiedertal
Gorperi Suone, Baltschiedertal
Suone Heido, Nanztal, 12 km lang, 1305 erwähnt

Suonen (Suon oder Suone (Singular)), Suenen (Suen oder Suene), auch Bissen (Bisse) (von französisch le bisse), Wasserfuhren (Wasserfuhre) und Wasserleiten (Wasserleite) bzw. walliserdeutsch Wasserleite (Wasserleita)[1], sind historische Wasserleitungen im Schweizer Kanton Wallis. Thomas Platter aus dem Nikolaital spricht in seiner Biografie vom 16. Jahrhundert über die Wasserleiten: "... wir uns vernarret hattend by einer wasserleitten, do man das wasser den bergen nach zu den güttren fürt. ...".

Geschichte

Künstliche Bewässerungssysteme müssen in den niederschlagsarmen Zonen im Wallis mindestens bis in die römische Zeit zurückreichen.[2] Im Innerwallis (insbesondere im Rhonetal und den direkt angrenzenden Talabschnitten) herrscht ein sehr trockenes Klima, weil die umliegenden Berge der Walliser und Berner Alpen die meisten Niederschläge vom Haupttal abhalten.

Die ältesten nachweislichen Datierungen von Bewässerungssystemen im Wallis stammen von Urkunden aus dem 12. Jahrhundert. Datierungen der alten Holzkonstruktionen (Chännel) mittels Dendrochronologie reichen von 1270 bis in die Neuzeit.

Als früheste Jahrzahl erwähnte Pfarrer Seematter von Mund im Jahr 1929 die in den Felsen eingemeisselte Jahreszahl 930 an der Wasserleite Wyssa. Analog dazu soll sich in der Nachbargemeinde Birgisch an der Restiwasserleite die Jahreszahl 1001 befunden haben. Die Inschriften sind leider durch Renovationsarbeiten an den Suonen verloren gegangen.

Seit dem 15. Jahrhundert sind einzelne Suonen sehr gut dokumentiert.[3]

Seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden viele Suonen wegen des einfacheren Unterhalts in Röhren verlegt oder ganz aufgegeben. Später entdeckte man den touristischen Wert der Suonen, was dazu führte, dass viele heute wieder offen Wasser führen. Die für den Unterhalt genutzten Pfade entlang der Leitung können als Wanderwege genutzt werden, die einfach zu begehen sind und wegen der exponierten Lage der Suonen gute Aussicht bieten.[4]

In den 1980er Jahren war die gemeinschaftliche Unterhaltung der Walliser Suonen Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen durch die spätere Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom. Nach ihren Studien in der Walliser Gemeinde Törbel und einigen weiteren Gemeinwesen in aller Welt stellte Ostrom die These auf, dass gemeinschaftliches Eigentum die natürlichen Ressourcen auf lange Sicht besser bewirtschaftet als privates oder staatliches Eigentum. Das Ergebnis war Ostroms Hauptwerk Governing the Commons.

Technik

Da die Suonen als Wasserversorgung für die Kulturen und Dörfer sehr wichtig waren und deren Bau und Unterhalt sehr gefährlich war, hatten die daran Arbeitenden eine wichtige Funktion und entsprechendes Ansehen in der Dorfgemeinschaft. Die Suonen überwinden teilweise grössere Hindernisse wie Felswände oder Geröllhalden, wofür über die Jahrhunderte spezielle Techniken entwickelt wurden. In den Felswänden verlaufen die Suonen in Holzkanälen, die zusammen mit einem Laufsteg an Balken aufgehängt sind. Die Balken sind in Löchern verkeilt, die in den Fels geschlagen sind. Zur Überwachung des Wasserflusses werden teilweise kleine Wasserräder verwendet, die einen auf ein Holz schlagenden Hammer antreiben. Die Hammerschläge können über grosse Entfernungen wahrgenommen werden und bestätigen den Wasserfluss.

Anwendung

Die Suonen sind als Freispiegelkanäle ausgeführt und dienen hauptsächlich der Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen. An den trockenen Südhängen sind deshalb mehr Suonen angelegt worden als an den Nordhängen. Die meisten Suonen sind 500 m bis 2 km lang, die längste Suone ist die 32 km lange Bisse de Saxon. Neben der Bewässerung wurden die Suonen auch als Trink- und Tränkewasserversorgung, zum Waschen und teilweise zum Ausbringen von Mist genutzt.[4]

Etymologie

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war der Begriff Suon fast ausschliesslich im Gebiet Raron, Lötschberg Südrampe und in den Rarner Schattenbergen (Eischoll, Unterbäch, Bürchen) gebräuchlich. In der touristischen Vermarktung und in der Literatur setzt sich der Begriff allmählich für das gesamte Oberwallis durch. Häufig trifft man aber auf ältere Walliser, welche dieses Wort überhaupt nicht kennen – hier zeigt sich dessen ursprünglich regional beschränkte Ausbreitung. Es gibt in den verschiedenen Oberwalliser Tälern auch Abwandlungen vom Wort Suone. An fast der gesamten Lötschberg Südrampe sagt man Süe oder sogar Sie. Das Wort Suone stammt möglicherweise von althochdeutsch 'suoha' ‚Furche‘, ‚Graben‘, ‚Egge‘. Das Schweizerische Idiotikon nimmt allerdings ausserdeutschen Ursprung an.[5] Im gesamten deutschsprachigen Teil des Kanton Wallis kann man auch einfach von Wasserleiten sprechen.

Im französischsprachigen Unterwallis heissen die Suonen Bissen (le bisse). Dieses Wort ist eine Abwandlung des Wortes bièf ‚Kanal‘ und wird auch manchmal in der deutschen Sprache verwendet.

Fast alle Suonen haben einen Eigennamen. Hier gibt es aber viele, die mehrfach vorkommen, da sich die Eigennamen der Suonen vor allem nach den landschaftlichen Gegebenheiten oder den Ortsnamen richten. So gibt es mehrere Bärgeri, Eggeri oder Obersta.

Bekannte Suonen

Filme

Siehe auch

Literatur

  • Werner Bellwald, Stefan Würth: Namen im Umkreis der Oberwalliser Flurbewässerung. In: Geschichtsforschender Verein Oberwallis (Hrsg.): Blätter aus der Walliser Geschichte. Band 35. Geschichtsforschender Verein Oberwallis, 2003, ISSN 2296-0864, S. 171–222 (Online bei doc.rero.ch [abgerufen am 16. April 2016]).

Weblinks

Commons: Irrigation canals in the canton of Valais – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wallissertitschi Weerter, zweite Auflage, Rotten Verlag, Visp 1999, Seite 237.
  2. Helvetia archaeologica, Nr. 129.
  3. Christian Imboden, Berge: Beruf, Berufung, Schicksal, Rotten Verlag, Visp, 2013. Kapitel: Suon (französisch bisse)
  4. a b Die Suonen und Bissen des Wallis. Abgerufen am 26. August 2009.
  5. Artikel Suen II Bd. VII 1109