Verlorenes Schaf

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Frühchristliche Darstellung des Guten Hirten aus der Katakombe von Domitilla/Domatilla (Krypta von Lucina, 200-300 n.Chr.)

Das Gleichnis vom verlorenen Schaf ist ein Gleichnis Jesu, das sich sowohl im Evangelium nach Lukas (Lukas 15,4-7 EU) als auch im Evangelium nach Matthäus (Matthäus 18,12-13 EU) findet und somit vermutlich der Logienquelle entstammt.[1] Jesus schildert darin die Bemühung eines Hirten, das eine verlorengegangene Schaf wiederzufinden, und seine Freude, als er es wiedergefunden hat.

Kontext

Bei Lukas steht das Gleichnis im Kontext von zwei weiteren Gleichnissen, in denen es ebenfalls um das Motiv des Verlorenen geht (Verlorener Groschen, Verlorener Sohn), wobei insbesondere die Gleichnisse vom Verlorenen Schaf und Verlorenen Groschen starke Parallelen aufweisen.[1] Als Rahmenhandlung schildert Lukas die Szenerie, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten Anstoß daran nehmen, dass Jesus mit Zöllnern (die gemeinhin als Betrüger und als Kollaborateure mit der römischen Besatzungsmacht gelten) und anderen Sündern Gemeinschaft hat und mit ihnen isst. Daraufhin erzählt Jesus ihnen die drei Gleichnisse.

Bei Matthäus ist der Kontext ein völlig anderer: Voraus gehen mehrere Worte Jesu, in denen es darum geht, "die Kleinen" oder "die Kinder" nicht zu verachten. So wird hier auch die dem Gleichnis folgende Deutung auf "die Kleinen" bezogen. Der Matthäus-Kontext wird zumeist als sekundär angesehen.[2]

Das Gleichnis

Im Gleichnis erzählt Jesus von einem Hirten, der hundert Schafe hat und eines davon verliert. Er lässt die 99 zurück und macht sich auf die Suche nach dem einen. Als er es gefunden hat, lädt er seine Freunde und Nachbarn ein, sich mit ihm zu freuen.

Interpretation

Darstellung des Guten Hirten

Im Gleichnis sind mehrere Motive enthalten, die im Laufe der Deutungsgeschichte ein unterschiedliches Gewicht erhalten haben:

  • Der Gute Hirte, der sich um jedes einzelne Schaf sorgt, ist ein Motiv, das schon den Zuhörern Jesu aus Psalm 23 bekannt war. In einer allegorisierenden Deutung des Gleichnisses konnten so schon die damaligen Zuhörer den guten Hirten sofort mit Gott identifizieren.[3] In anderem Kontext greift auch der Evangelist Johannes dieses Motiv auf und identifiziert Jesus selber mit dem Guten Hirten.[4]
  • Das Motiv der Umkehr ist in diesem Gleichnis nicht so stark enthalten wie etwa im Gleichnis vom Verlorenen Sohn, da dem Schaf weniger Eigeninitiative möglich ist.[5] Dennoch wurde auch dieses Gleichnis gerne als Aufruf zur Umkehr ausgelegt.
  • Das Motiv des Suchens und Wiederfindens wird von manchen Auslegern betont, um deutlich zu machen, dass die Aktivität nicht vom Gesuchten, sondern von Gott ausgeht. Diese Deutung kam insbesondere den reformatorischen Auslegern entgegen, denen es wichtig war, dass nicht der Mensch, sondern Gott bei der Rechtfertigung und Erlösung der Handelnde ist. Noch deutlicher wird diese Passivität des Gesuchten im nachfolgenden Parallelgleichnis vom Verlorenen Groschen, der zu seinem Gefundenwerden noch weniger beitragen kann als das Schaf.[6]
  • Die Fähigkeit der Umstehenden zur Mitfreude wird von neueren Auslegern insbesondere im Lukas-Kontext als entscheidendes Motiv betont: Die Pharisäer - oder auf die frühe Gemeinde übertragen: die Treuen unter den Nachfolgern - sollen nicht ablehnend auf "Verlorene" schauen, sondern sich mitfreuen, wenn diese "wiedergefunden" werden.[7] Es geht dabei allerdings nicht darum, den Pharisäern, die sozusagen den 99 nie verlorengegangenen Schafen entsprechen, ihre Gerechtigkeit abzusprechen, so wie manche früheren Deutungen dies getan haben.[3]

Rezeption

Darstellung von 1750 aus Niederbayern, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Eine dritte Fassung des Gleichnisses existiert im Thomasevangelium. Anders als in den kanonischen Evangelien wird hier das wiedergefundene Schaf als das wertvollste und meistgeliebte dargestellt.[1]

Das Bild von Jesus als dem Guten Hirten, der das verlorene Schaf auf den Schultern oder auf den Armen trägt, war insbesondere im 19. Jahrhundert ein beliebtes Motiv, das bis heute in zahlreichen Kirchen als Altarbild zu finden ist. Auch in Kinderbibeln und anderer religiöser Literatur für Kinder erfreute sich dieses Motiv großer Beliebtheit.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Lukas. Berlin 1988, S. 282
  2. So bei Wolfgang Trilling, Helmut Merklein und Hans Weder nach Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Lukas, Berlin 1988, S. 282
  3. a b Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Lukas. Berlin 1988, S. 283
  4. Johannes 10,11-16 EU
  5. Hans Klein: Das Lukasevangelium. Göttingen 2006, S. 519
  6. Predigt Gerd Theißen zu allen drei Gleichnissen
  7. Hans Klein: Das Lukasevangelium. Göttingen 2006, S. 520.