Weber-Fechner-Gesetz

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Das Weber-Fechner-Gesetz besagt, dass sich die subjektiv empfundene Stärke von Sinneseindrücken proportional zum Logarithmus der objektiven Intensität des physikalischen Reizes verhält.

Webersches Gesetz

1834 bemerkte der Physiologe Ernst Heinrich Weber, dass ein Sinnesorgan ab einem bestimmten Intensitätsbetrag eine Veränderung registriert (differentielle Wahrnehmbarkeitsschwelle; englisch: just noticeable difference = gerade noch wahrnehmbarer Unterschied), die als Unterschied ΔR zum vorangehenden Reiz R in einem bestimmten, gleich bleibenden Verhältnis k zu diesem steht:

(1a)

Beispiele:

  • beim Tastsinn beträgt der erforderliche relative Unterschied ΔR/R nach Webers Versuchen etwa 3 Prozent des Hautdruckes,
  • beim Helligkeitssehen etwa 1 bis 2 Prozent der Lichtstärke.
  • beim Geschmack muss die Konzentration um 10 bis 20 Prozent steigen, um als stärker empfunden zu werden.
  • ein relativer Gewichtsunterschied von ungefähr 2 % eines in der ruhenden Hand gehaltenen Gegenstands wird erkannt. So nimmt man die Gewichtszunahme eines Gegenstands von zunächst 50 g (Gramm) erst wahr, wenn das Gewicht um 1 g auf 51 g angewachsen ist. Entsprechend muss 5000 g Gewicht um 100 g anwachsen, um schwerer zu wirken.

Weber-Fechner-Gesetz

Der Physiker und Begründer der Psychophysik Gustav Theodor Fechner erweiterte das Webersche Gesetz 1860 formal durch Integration unter der Annahme, dass k konstant und unabhängig von R ist:

(1b)     Fechnersches Gesetz
(2)     Weber-Fechnersches Gesetz[1]

R0 ist eine Integrationskonstante, die meistens den Schwellenreiz festlegt. (2) besagt, dass bei einem exponentiellen Anstieg der Reizstärke ihre Empfindung E im Sinnesorgan nur linear anwächst. Hierbei ist c die von der jeweiligen Art des Reizes abhängige Größe.

nichtlineare Hellempfindung des menschlichen Auges
(E: Energie des Lichts / entspricht dem R in den Formeln,
H: menschliche Hellempfindung / entspricht dem E in den Formeln).
Links sieht man bei gleichem ΔE die unterschiedlich starke Hellempfindung,
rechts bei gleichem ΔH die unterschiedliche Energie des Lichtes.

Durch die logarithmische Adaption kann das menschliche Auge Sinneseindrücke von Helligkeit zwischen Dämmerung und hellem Sonnenschein von bis zu 10,5 Zehnerpotenzen (2×10−5...~106 cd/m²) an physikalischer Leuchtdichte überbrücken.

Die Magnitude (mag) ist eine Helligkeitsgröße, der Unterschied zwischen jeder Helligkeitsstufe (Größenklasse) ist etwa das 2,512-fache. Ein freiäugig gerade noch sichtbarer Stern 6. Größe (6 mag) ist gegenüber der Sonne (−25 mag) um 31 Größenklassen oder 12¼ Zehnerpotenzen schwächer. Ein erfahrener Astronom kann in der visuellen Fotometrie Helligkeitsunterschiede zweier Sterne von nur einigen Prozent wahrnehmen (Argelandersche Stufenschätzungsmethode).

Die wahrgenommene Tonhöhe eines musikalischen Tons hängt logarithmisch von der Grundfrequenz ab: eine Verdoppelung der Grundfrequenz bewirkt die Änderung der Tonhöhe um eine Oktave.

Beim Temperatursinn hingegen nimmt die Reaktion der Thermorezeptoren annähernd linear zur Reizgröße zu. Denn hier ist weniger die „Messung“ der Temperatur wichtig als vielmehr eine Warnung vor Verbrennung oder Erfrieren. Ähnliches gilt für die Schmerzwahrnehmung.

Stevenssche Potenzfunktion

Stanley Smith Stevens stellte 1957 fest, dass die Erweiterung des Weberschen Gesetzes (1) zur Beziehung (2) zu allgemein sei. Berücksichtigt man die Abhängigkeit der Reaktionsstärke E von der Größe des Reizes, so folgt aus (1):

(3)

Die Integration dieser Beziehung führt zur Stevensschen Potenzfunktion:

(4)

Die Konstante c entsteht aus den beiden Integrationskonstanten. Für k < 1 ähnelt sie dem logarithmischen Weber-Fechner-Gesetz. Für das Helligkeitsempfinden ist k ≈ 0,33.

Die wahrgenommene Lautstärke, die Lautheit, folgt für mittlere und hohe Schalldrücke nicht dem Weber-Fechner-Gesetz, sondern dem Stevensschen Potenzgesetz mit k ≈ 0,6: eine Erhöhung des Schalldrucks um den Faktor (10 dB) bewirkt eine Verdopplung der Lautheit.

Mikroökonomie

In der Mikroökonomie findet sich das Phänomen wieder als Fühlbarkeitsschwelle.[2] Von Interesse ist es bei der Untersuchung von Indifferenzkurven auf Stetigkeit und Transitivität. Die mikroökonomische Theorie geht davon aus, dass Indifferenzkurven stetig, fallend und konvex gekrümmt sind.

Das praktische Problem, dass ein Mensch marginale Unterschiede in Farbe oder Temperatur etc. nicht wahrnehmen kann, führt dazu, dass man die Transitivitätsannahme etwas lockerer formulieren muss.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Rainer Klinke, Stefan Silbernagl: Physiologie. Hrsg.: Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl. 7. Auflage. Thieme, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-13-796007-2, S. 942.
  2. Böventer, Illing: Einführung in die Mikroökonomie, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, ISBN 3486242482, Seite 64f

Weblinks