Wechselmodell

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Als Wechselmodell, Paritätsmodell, Pendelmodell oder Doppelresidenzmodell werden Regelungen zur Betreuung gemeinsamer Kinder bezeichnet, wenn diese nach einer Trennung ihrer Eltern in beiden Haushalten zeitlich annähernd gleichwertig betreut werden. Beide Elternteile bieten dem Kind ein Zuhause, in dem es sich abwechselnd aufhält.

Begrifflichkeit

Die Bezeichnung Wechselmodell ist zwar allgemein gebräuchlich, aber unpräzise, da sie verschiedene Unterarten von Wechselmodellen bezeichnen kann.

Im Gegensatz zum verbreiteten Einzelresidenzmodell, bei dem das Kind sich überwiegend bei einem Elternteil aufhält, sind beim Doppelresidenzmodell die Betreuungszeiten beider Elternteile möglichst gleich. In Fachkreisen wird diese Art der Kinderbetreuung deswegen auch als Paritätsmodell (von lateinisch paritas „Gleichheit“) oder paritätisches Wechselmodell bezeichnet.

Der Familientherapeut Peter Thiel weist darauf hin, dass auch das (Einzel-)Residenzmodell streng genommen ein Wechselmodell sei. Zudem sei der Wortbestandteil „Wechsel“ in diesem Kontext mit einer abwertenden Nebenbedeutung.[1] behaftet.

Entsprechend bemängelt Christoph Mandla von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle das Fehlen einer klaren Definition oder unzureichende Versuche der Begriffsbestimmung durch deutsche Gerichte.[2]

Daneben existiert noch die als Nestmodell bezeichnete Form, bei der das Kind dauerhaft in einer Wohnung lebt und die Elternteile das Kind dort abwechselnd betreuen. Da die überwiegende Zahl der praktizierten Wechselmodelle jedoch Doppelresidenzmodelle sind, werden diese Begriffe auch synonym gebraucht.

Hintergrund

Weil die klassische Rollenverteilung in den Familien im Wandel begriffen ist, wächst die Zahl der Väter, die in größerem Maße, als dies früher üblich war, bei der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder mitwirken. Die Mehrzahl solcher Väter möchte dies dann natürlich nach einer Trennung weiterhin tun. Daneben sind insbesondere auch beruflich stark engagierte Mütter geneigt, nach dem Scheitern der Ehe mit dem Ex-Partner eine hälftige Betreuung zu vereinbaren.

Voraussetzungen

Nach allgemein vorherrschender Auffassung können Kinder zu einem Erwachsenen nur dann eine Bindung, die ihnen emotionale Sicherheit vermittelt, aufbauen, wenn dieser gegenüber dem Kind zu feinfühligem Verhalten bereit und in der Lage ist (siehe Bindungstheorie). Entscheidende Voraussetzungen für die Durchführung eines Paritätsmodells ist also die für einen längeren Zeitraum stabile Bereitschaft beider Elternteile zum Erbringen dieser Leistung.[3] Hierzu müssen beide Bindungspersonen hinreichend belastbar und zuverlässig sein. Beide Eltern sollten über annähernd gleichwertige Beziehungs-, Betreuungs- und Förderkompetenzen verfügen, genügend Zeit haben und ernsthaft entschlossen sein, das Kind auch tatsächlich in dem angestrebten Umfang zu betreuen. Außerdem müssen in beiden elterlichen Wohnungen selbstverständlich genügend Platz und kindgerecht ausgestattete Zimmer vorhanden sein.

Daneben fordern Sachverständige und Richter eine geringe räumliche Entfernung, damit sich das sozial-räumliche Umfeld (Kindergarten, Schule, Freunde, Sportvereine etc.) beim Wechseln vom einen ins andere Elternhaus nicht verändert. In Ausnahmefällen wird das Paritätsmodell aber auch von Eltern vereinbart, die weiter voneinander entfernt leben bzw. wurde auch in solchen Fällen schon gerichtlich durchgesetzt.

Nach Ansicht des Diplom-Psychologen Lothar Unzner sollten grundsätzlich folgende Bedingungen erfüllt sein, damit ein Kind flexibel zwischen den Haushalten wechseln kann:[4]

  • Das Kind hat sichere Bindungen zu beiden Elternteilen,
  • es wird durch bekannte und gewohnte Routinen unterstützt,
  • die Eltern kommunizieren verlässlich über die kindliche Versorgung und tragen keine Konflikte vor dem Kind aus und
  • die Eltern unterstützen einander in der Elternschaft, respektieren Regeln und Gewohnheiten des anderen und fördern die Beziehung des Kindes zum jeweils anderen Elternteil.

Dazu erwähnt der Psychologe Jan Piet H. de Man noch die Akzeptanz der Kinder, also deren Bereitschaft, das Modell zu leben. De Man merkt an, dass bei Ablehnung zu prüfen sei, ob dies nur aufgrund von Loyalitätskonflikten gegenüber dem derzeit betreuenden Elternteil geschieht.[5][6]

Laut Fichtner und Salzgeber und diversen an ihre Expertise angelehnten Gerichtsurteilen soll das Konfliktniveau bei den Eltern niedrig und die Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation besonders ausgeprägt sein. Weiter sei entscheidend, wie der gerade nicht mit dem Kind zusammenlebende Elternteil durch den anwesenden Elternteil vermittelt bzw. repräsentiert werde.[3]

Nach de Man sowie verschiedenen Gerichtsentscheiden reicht dagegen bereits ein Mindestmaß an Kommunikation und Kooperation der Eltern, die im Übrigen nötigenfalls durch Familienberater oder Mediatoren zu unterstützen seien.[5][6]

Nichtkommunikation als Dauerzustand ist mit dem Paritätsmodell nicht vereinbar. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss BvR 1868/08 vom 20. Juni 2009) heißt es dazu unter anderem, die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung erfordere ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern. Das Institut für Familientherapie und Systemische Beratung und de Man sprechen sogar von Vorzügen, welche das Paritätsmodell gerade für hochstrittige Paare habe,[7][5] und auch Fichtner und Salzgeber sagen ausdrücklich, ein [paritätisches] Wechselmodell könne für hochkonflikthafte Eltern sinnvoll sein, sofern sie sich auf ein solches Modell einigten [Kritiker bezeichnen dies als Widerspruch in sich, da eine Einigung gerade bei solchen Eltern doch eher unwahrscheinlich sei.][4]

Weiter heißt es bei Fichtner und Salzgeber, wenn Kinder das Modell nach einer Erprobungsphase weiter aufrechterhalten wollten, solle diesem Wunsch gefolgt werden, sofern er nicht einem falsch verstandenen Fairnessgedanken entspringe, weil das Kind sich um das emotionale Wohlbefinden der Eltern zu eigenen Lasten verantwortlich sehe.[3]

Wenn es dem Kindswohl dient, kann ein [paritätisches] Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils verfügt werden. Laut BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2009 - BvR 1868/08, darf der Gesetzgeber bei Fehlen der Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen. Im zu verhandelnden Fall hatte das Sachverständigengutachten auf die negativen Folgen einer Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter hingewiesen und im Interesse der Kinder empfohlen, der Mutter nicht das Instrument der Alleinsorge zur Lösung ihrer persönlichen Probleme in der Beziehung zum ehemaligen Partner und zur Befriedigung ihres Bedürfnisses nach Abgrenzung in die Hand zu geben. Es gäbe für sie dann keinen Anlass mehr für Elterngespräche. Sie könnte den Vater vollständig ausgrenzen, was nicht im Interesse der Kinder wäre. Auch habe das Oberlandesgericht die eindeutigen Neigungen bzw. den bekundeten Willen der Kinder, eine Aufteilung der Lebensmittelpunkte vorzunehmen bzw. beizubehalten, nicht hinreichend berücksichtigt. Bereits das Amtsgericht hatte festgestellt, eine Reduktion der Betreuung und Erziehung durch den Vater sei aufgrund seines erheblichen Anteils an der Betreuung der Kinder vor der Trennung über mehrere Jahre hinweg nicht gerechtfertigt.

Praktische Ausgestaltung

Oft findet der Wechsel in kurzen Intervallen von zwei bis fünf Tagen statt.[7] Ist ein Elternteil in wesentlich größerem Umfang berufstätig als der andere, entscheiden sich manche Eltern dafür, dass die Kinder in der Woche stets überwiegend beim nicht (bzw. weniger) berufstätigen Elternteil sind und dann ein verlängertes Wochenende beim (stärker) erwerbstätigen Elternteil verbringen. Recht verbreitet wird ein starrer Wochenrhythmus praktiziert, mitunter wechseln die Kinder auch nur alle 14 Tage vom einen in den anderen Haushalt. In seltenen Fällen, wenn z.B. ein Elternteil im Ausland lebt, werden sogar abwechselnde Betreuungsphasen von mehreren Monaten vereinbart.[7]

Uneinigkeit herrscht darüber, wie die Wechsel verlaufen sollen. Lothar Unzner spricht sich dafür aus, die Eltern sollten dem Kind beim Übergang von einem Elternteil zum anderen helfen, so dass es ohne emotionale Irritationen wechseln könne.[4] Sabine Holdt und Marcus Schönherr vom Institut für Familientherapie und Systemische Beratung und de Man sehen solche „Übergaben“ dagegen kritisch und favorisieren vor allem bei Eltern, die schnell in Streit geraten, natürliche Übergänge: die Kinder gehen am Tag des Wechsels vom einen Elternteil aus in die Schule und kehren nach Unterrichtsende beim anderen Elternteil ein. Bei jüngeren Kindern funktioniert dies analog über den Kindergarten; ein Elternteil bringt, der andere holt ab.[5][7] In diese Richtung ist auch eine Aussage von Fichtner und Salzgeber interpretierbar, wonach „der in der Regel stressvolle Übergang nicht abrupt geschehen“ solle. Wie sich der Wechsel zwischen den Eltern für ein Kind atmosphärisch gestalte, sei für das Gelingen eines [paritätischen] Wechselmodells entscheidend.[3] Bemerkenswert ist ein Urteil des OLG Brandenburg (Beschluss 13 UF 41/09 vom 31. März 2010), in dem ein seinerzeit siebenjähriger Junge für ein 14-tägliches Paritätsmodell ausdrücklich einen Aufenthaltswechsel am Montag vorgeschlagen hat, damit seine Eltern nicht aufeinandertreffen. Das Gericht folgte dem Vorschlag.

Holdt und Schönherr verstehen die Betreuungszeiten als Zuständigkeitszeiten, das heißt, der jeweils Zuständige muss sich bei Bedarf (wenn er z.B. kurzfristig verhindert ist) selbst um Unterstützung kümmern. Der andere Elternteil könne hierfür aber der erste Ansprechpartner bleiben.[7] Laut de Man wendet sich immerhin ein Drittel der Wechselmodell-Eltern zunächst an den anderen Elternteil, um die Kinder mal wegen anderweitiger Verpflichtungen außer der Reihe abends oder tagsüber betreuen zu lassen, zumal diese Unterstützung kostenfrei ist.[6]

Das Wechselmodell erfordert zusätzliche Ausgaben der Eltern für Wohnraum (Kinderzimmer) und teilweise doppelte Ausstattung bezüglich Kleidung, Spielzeug, Fahrrädern usw.

Argumente gegen das paritätische Wechselmodell

Fichtner und Salzgeber geben zu bedenken, ein Säugling müsse zuerst zu einer Bindungsperson eine Bindung entwickelt haben, bevor es zu weiteren Personen Bindungen entwickeln könne. In der Regel sei die primäre Bezugsperson diejenige Person, welche die meisten Bedürfnisse des Kindes befriedigen würde. Ginge man von einer Bindungshierarchie aus, würden die Eltern dem Kleinkind zumindest in den ersten drei Jahren unterschiedliche Grade von Sicherheit vermitteln. Darüber hinaus wird angeführt, in der Regel läge der Förderschwerpunkt bei der Mutter funktional im feinfühligen Fürsorgeverhalten, beim Vater im feinfühligen Spielverhalten, weshalb für den Bindungsaufbau zu Vätern wesentlich weniger Zeitintervalle ausreichen würden als für den zu Müttern. Als Beleg für letzteres wird eine Studie aus Uganda angegeben. Meist würden beide Elternteile unterschiedliche Funktionen beim Kind erfüllen und die Anregungsqualität, die beide Eltern dem Kind gegenüber entwickeln, unterscheide sich in der Regel geschlechtsspezifisch.

Auch müssten viele Kompetenzen vor allem von dem bisher nicht in die Betreuung einbezogenen Elternteil gelernt werden, was im Rahmen der Trennungssituation unter den Stressbedingungen besonders schwierig erscheine. Daneben wären geschlechtstypische Unterschiede in Bezug auf die Reaktionen der Kinder auf die Trennung von den jeweiligen Eltern nachgewiesen worden. Jungen bis circa sechs Jahre würden auf die Trennung der Eltern und auf den Wechsel zwischen den Eltern mit höheren Irritationen reagieren, als dies für Mädchen gelte und würden gerade zur Einschlafenszeit die feinfühlige Versorgung durch die Mutter benötigen.[3]

Als ein weiteres Gegenargument nennen Fichner und Salzgeber eine verstärkte Verunsicherung des Kindes bzw. größere Eingewöhnungsschwierigkeiten bei den ersten Kindergartenbesuchen, wenn sich das Kind in zwei verschiedenen Kindergärten eingewöhnen müsse, erschwerend noch vor dem Hintergrund, dass auch nicht jeder Elternteil dem Kind die gleiche Qualität an emotionaler Sicherheit geben könne. Zudem dürfe nicht einem vordergründig vorgebrachten Kindeswillen gefolgt werden, denn Kinder hätten meist ein ausgeprägtes Fairnessbedürfnis und würden sich häufig dahingehend äußern, dass sie möglichst hälftig bei jedem Elternteil leben wollten. Würden sie aber gefragt, wie das konkrete Arrangement gelebt werden sollte, würden sie meist kein Wechselmodell vorschlagen.

Außerdem würden Kinder getrennt lebender Familien die unterschiedlichen Lebensumfelder der Eltern nicht nur positiv bewerten, sondern durch den Wechsel wegen unterschiedlicher Werte und Vorstellungen zur Erziehung der Eltern auch belastet. Die Kinder könnten kaum mit einem Elternteil diskutieren, sondern müssten sich je nachdem, wo sie sich gerade aufhalten, nach den Erwartungen des jeweiligen Elternteils wohl fühlen, was vom Kind ununterbrochen Anpassungsleistungen erfordere. Dabei wird auch als problematisch gesehen, dass die äußeren Umstände in zwei Haushalten nicht immer gleichwertig verteilt sein könnten, sich aber nicht jedes Kind frei fühlen würde, etwaige diesbezügliche Wünsche oder seine Traurigkeit offen zu kommunizieren.[3] Insbesondere diese Auffassung ist von Richtern, Gutachtern und Mitarbeitern von Jugendämtern immer noch recht häufig zu hören und manifestiert sich in Sätzen wie „Ein Kind braucht ein zu Hause, das ewige Hin- und Her ist schädlich“[6] bzw. der Behauptung, Kinder würden einen „Lebensmittelpunkt“ benötigen.[1]

Schließlich würde das Wechselmodell laut Fichtner und Salzgeber latent eine Haltung der Eltern fördern, das Kind bei Erziehungsschwierigkeiten aufzufordern, beim anderen Elternteil zu bleiben, was das ohnehin schon vorbelastete Kind zusätzlich verunsichern würde. Umgekehrt könne auch das Kind, um so Erziehungsmaßnahmen zu entgehen, mit der Möglichkeit drohen, ganz zum anderen Elternteil zu wechseln, wodurch die Autorität der Eltern erheblich geschwächt würde. Zudem bestünde besonders die Gefahr, dass Eltern sich für auftretende Erziehungsschwierigkeiten gegenseitig beschuldigten.[3]

Kerima Kostka vertritt die Auffassung, es sei - entgegen anders lautenden Behauptungen von Befürwortern des Paritätsmodells - keineswegs erwiesen, dass Familien, die das Wechselmodell praktizieren, seltener vor Gericht streiten würden oder insgesamt ein niedrigeres Konfliktniveau hätten. Vielmehr könnte es nach den Ergebnissen diverser Studien auch durchaus so sein, dass solche Familien zwar mehr Gespräche über die Kinder führten, aber auch mehr Konflikte austrügen als beim Residenzmodell. Tendenziell würden sowohl Konfliktintensität als auch Kooperation zwischen den Eltern zumindest auf mittlere Sicht unverändert bleiben.[8]

Lothar Unzner betont bei sehr jungen Kindern (zwei bis drei Jahre) deren besondere Trennungsempfindlichkeit und die Notwendigkeit klar überschaubarer Tagesabläufe sowie fester Rituale. Er sagt, in dieser Altersgruppe würden wiederholte Trennungen und Wechsel der Betreuungsperson für das Kind stressvolle Erfahrungen bedeuten und zu einer Zerrüttung der Beziehung zur Hauptbezugsperson führen, wenn beide Eltern das Kind nur begrenzt und nicht ausreichend emotional unterstützten.[4]

Argumente für das paritätische Wechselmodell

Einigkeit herrscht in Fachkreisen inzwischen darüber, dass nach einer Trennung grundsätzlich beide Elternteile für das Kind gleich wichtig sind.

Laut de Man gestaltet sich das Verhältnis der Kinder zum lediglich umgangswahrnehmenden Elternteil beim Residenzmodell aber sehr oft ambivalent.[5][6]

Der Grund hierfür liegt darin, dass sich Kinder auf die ein oder andere Weise des als machtvoller erlebten, weil betreuenden Elternteils versichern wollen. Nicht selten, insbesondere dann, wenn letzterer diese Tendenzen durch sein Verhalten oder abwertende Äußerungen über den Ex-Partner sogar noch fördert, kommt es bei zu wenig Umgang häufig zu einer Abspaltung aus der Bindungsrepräsentanz und die Kinder lehnen den Kontakt zum umgangswahrnehmenden Elternteil früher oder später massiv ab. Beim Paritätsmodell besteht diese Gefahr wegen der gleichen Machtverhältnisse nicht, die Eltern sind für die Kinder erkennbar gleichberechtigt.

Das OLG Dresden erwähnt folgende Vorteile:

  • Die Kinder erleben den Alltag mit beiden Eltern,
  • beide Eltern bleiben in der Verantwortung für das Kind, sodass Überforderung eines Elternteils bzw. negative Entwicklungen bei den Kindern früher entdeckt werden, und
  • beide Eltern erfahren eine teilweise Befreiung von der Belastung, die bei Alleinerziehenden entsteht.

Zum letztgenannten Punkt ist auf ein vom Bundesfamilienministerium beauftragtes Gutachten zu verweisen. Gemäß diesem ist der Faktor, wie viel Zeit die Eltern zur Förderung ihrer Kinder aufbringen können, eine wichtige Größe für die gute Entwicklung von Kindern.[9] Anders gesagt wurde erkannt, dass beispielsweise die schulische Förderung, sofern sie dazu in der Lage sind, im Idealfall von den Eltern und nicht von Dritten geleistet werden sollte.

De Man sagt, es sei nicht zum Wohle der Kinder, wenn familienpsychologische Gutachter oder Mitarbeiter des Jugendamtes sich, wie bislang gängige Praxis, nur bemühten, den „besten“ Elternteil ausfindig zu machen. Vielmehr würde nur mit einer gleichmäßig abwechselnden Betreuung das Motto „Ein Kind braucht seine beiden Eltern, auch nach deren Trennung“ konkrete Realität im Erleben des Kindes werden und zu seinem Wohl wirken. Durch möglichst umfangreiche Kontakte würden die Folgen der Trennung und Scheidung für das betroffene Kind minimiert. Zudem würde das Kind durch die unterschiedlichen Lebenswelten der Eltern Anregungen erfahren, die Beziehungen und Bindungen könnten umfänglich, d.h. nahezu vergleichbar zur intakten Familie, aufrechterhalten bleiben, was entsprechend positive Auswirkungen auf die Identifikationsentwicklung des Kindes hätte.[5]

Laut Christina Klenner ist ein 50-prozentiger Umgang mit dem anderen Elternteil die beste Lösung zur Gewährleistung des Rechts des Kindes. Dieser bewahre das Kind vor dem Verlust eines Elternteils. Prinzipiell solle das Kind mit beiden Eltern so oft und so lange zusammen sein wie nur irgendwie möglich.[10] Die mit der Bindungstheorie begründete Kritik am Paritätsmodell lassen dessen Befürworter nicht gelten und verweisen auf neuere Erkenntnisse, nach denen Kinder auch zu zwei Personen bzw. Mutter und Vater gleich intensive Bindungen aufbauen können.[11] Selbst Fichtner und Salzgeber räumen ein, dass Konzept der Bindungshierarchie werde zwar auch kritisiert, von den Bindungsforschern aber bisher noch unterstützt.[3]

Fichtners und Salzgebers Argument zu den unterschiedlichen Förderschwerpunkten bzw. geschlechtsspezifischen Anregungsqualitäten von Müttern und Vätern muss nicht zutreffen, wenn die Eltern vor der Trennung nicht die althergebrachte Rollenverteilung gelebt haben, sondern der Mann zeitlich stark an der Betreuung mitgewirkt hat. Gleiches gilt für die

  • behaupteten größeren Irritationen bei Jungen bis circa sechs Jahren und die zur Einschlafenszeit benötigte feinfühlige Versorgung durch die Mutter,
  • in den Raum gestellte Notwendigkeit, der Mann müsse, weil er vor der Trennung nicht in die Betreuung einbezogen gewesen sei, viele Kompetenzen erst erlernen, und die
  • vermeintlich ungleiche Fähigkeit, bei den ersten Kindergartenbesuchen emotionale Sicherheit geben zu können. Hier greift das Argument der größeren Eingewöhnungsschwierigkeiten im Übrigen nur, falls die Eltern weit voneinander entfernt wohnen.

Zu den unterschiedlichen Förderschwerpunkten bzw. geschlechtsspezifischen Anregungsqualitäten ist noch zu sagen, dass Fichtner und Salzgeber nicht begründen, warum ihre Annahme gegen das Paritätsmodell sprechen soll.[3] Auch erschließt sich Kritikern nicht, inwiefern die Tatsache, dass Väter den Aufbau und Erhalt einer intensiven Bindung gegenüber Müttern laut einer Studie aus Uganda angeblich mit erheblich weniger Zeit schaffen, als Begründung taugt, ihnen eine hälftige Betreuung zu verwehren. Der im Zusammenhang mit dem Fairnessbedürfnis gefallenen Aussage, wonach Kinder bei Befragung meist kein Wechselmodell vorschlagen würden, widersprechen Untersuchungen, die de Man zitiert.[5] Auch in dem schon oben erwähnten Urteil des OLG Brandenburg (Beschluss 13 UF 41/09 vom 31. März 2010) wird das Bedürfnis eines seinerzeit siebenjährigen Jungen, dass er gleichmäßig viel Zeit bei beiden Eltern verbringen wolle und wünsche, dass es aus seiner Sicht gerecht zugehe, nicht abgewertet, sondern respektiert und zu einer Grundlage der Entscheidung gemacht.

Laut Thiel spricht schon der gerichtlich allgemein anerkannte Kontinuitätsgrundsatz dafür, eine paritätische Betreuung auch nach der Trennung fortzuführen, wenn beide Eltern zuvor die Kinder paritätisch betreut haben. Geschieht dies nicht, kann es bei Kindern, deren Eltern sich vor der Trennung die Pflichten bei der Betreuung und Erziehung geteilt haben, Loyalitätskonflikte verstärken, wenn sie erleben, dass nach der Trennung eine von ihnen als unfair bewertete, weil einseitig ein Elternteil bevorzugende Umgangsregelung implementiert wird. Die Kinder empfinden, dass sie sich eigentlich gegen den lediglich umgangswahrnehmenden Elternteil stellen müssten, um die wegen der festgesetzten Verteilung des Umgangs als überlebensnotwendig bewertete Beziehung zum betreuenden Elternteils abzusichern, sträuben sich aufgrund ihrer gefühlsmäßigen Bindung zum umgangswahrnehmenden Elternteil aber dagegen.[1]

Zu der von Fichtner und Salzgeber angesprochenen Belastung durch die unterschiedlichen Lebensumfelder der Eltern[3] entgegnet trennungsfaq.com, der gern bemühte Begriff „Lebensmittelpunkt“ sei irreführend. Kinder hätten immer mehrere Lebensmittelpunkte, z.B. Schule, Freunde, Großeltern. Sie würden nicht zwischen den Haushalten pendeln, sondern an diesen Orten leben und ohnehin nicht immer in der gleichen Umgebung verbleiben, sondern es gäbe längere Ferienreisen, Besuche bei Verwandten oder Internatsaufenthalte.[6] Ähnlich äußert sich Thiel.[1]

Auch das OLG Celle sieht hier in seinem Beschluss 15 WF 241/07 vom 4. Januar 2008 keine Probleme und sagt, es dürfte [auch bei zusammenlebenden Eltern] eher der Regel als einer Ausnahme entsprechen, dass Mutter und Vater eines Kindes unterschiedliche Erziehungsmaßstäbe anlegten, ohne dass dies mit Nachteilen verbunden sei.

Einer weiteren Befürchtung von Fichtner und Salzgeber entgegnen Befürworter, die Gefahr, dass der nur umgangsberechtigte Elternteil das Kind bei Erziehungsschwierigkeiten auffordert, beim anderen Elternteil zu bleiben, bestünde beim Residenzmodell ebenso wie eine mögliche Drohung des Kindes, bei Erziehungsmaßnahmen die Besuche einzustellen. Das Risiko der gegenseitigen Beschuldigung im Falle auftretender Erziehungsschwierigkeiten ist frei nach Thiel beim Residenzmodell eher größer, da der nur den 14-tägigen Regelumgang wahrnehmende Elternteil eher spielerische Kontakte pflegen und aufgrund seiner ohnehin angekratzten Autorität tendenziell zu partiell unangemessener Großzügigkeit neigen würde.[1]

Die von Unzner betonte besondere Trennungsempfindlichkeit sehr junger Kinder erwähnt dieser im Zusammenhang mit der inzwischen von vielen Bindungsforschern bestrittenen Annahme, dass es eine Hauptbezugsperson gibt. Auch dürfte eine ausreichende emotionale Unterstützung durch den Vater kein Argument sein, wenn jener bereits vor der Trennung lange und regelmäßig „typisch mütterliche“ Versorgungsaufgaben übernommen hat. Keine Probleme bei jüngeren Kindern sieht man am OLG Celle, das in seinem Beschluss vom 4. Januar 2008 (15 WF 241/07) einer Empfehlung des Verfahrensbeistands folgend für einen 2½-jährigen Jungen ein tägliches Wechselmodell befürwortet hat.

Nach Holdt und Schönherr, Fichtner und Salzgeber sowie de Man kann durch das Paritätsmodell bei hochstrittigen Paare das Konfliktniveau gesenkt werden.[3][7][5] Entgegen der von Kerima Kostka vertretenen Auffassung verweist de Man auf Studien, die zeigten, ein Gleichgewicht im Entscheidungsrecht von Vater und Mutter würde einen Missbrauch von Macht verhindern, der für die Beziehungen zwischen den Eltern und damit vor allem für die Kinder schädlich sei. Außerdem hätten sie weniger Konflikte, wobei es zwar durchaus Meinungsverschiedenheiten gäbe, diese würden jedoch auf eine zivilere Art ausgetragen als bei Einzel-Residenz-Eltern. Weiters sagt er, Kinder aus geschiedenen Familien hätten verglichen mit Kindern aus ungetrennten Familien im Allgemeinen erhebliche Anpassungsprobleme. Kinder in Doppelresidenz wären aber deutlich besser angepasst als Scheidungskinder, die in der traditionellen Einzel-Residenz leben. Die positivere Anpassung von Doppelresidenzkindern würden sich für einzelne Vergleiche von allgemeiner Anpassung, Familienbeziehungen, Selbstschätzung, emotionaler und Verhaltensanpassung und Anpassungen, die spezifisch für Scheidungen gelten, bestätigen.[12] Dies würde unter anderem daran liegen, dass sie nicht das überwältigende Gefühl der Abweisung erlebten, das man bei Kindern mit üblicher Aufenthaltsregelung vorfände.

Eine Zusammenfassung zahlreiche Studien zum Wechselmodell von Hildegund Sünderhauf (2013) kommt zu dem Schluss, dass das Wechselmodell in aller Regel in den meisten üblichen Konstellationen von Nachtrennungs-Familien dem Kindeswohl am besten entspricht.[13] Gegenargumente, die einer Überprüfung nicht standgehalten hätten, sind unter anderem Aussagen, das Wechselmodell erfordere besondere Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit der Eltern, oder das Wechselmodell eigne sich nicht für Kinder hochstrittiger Elternpaare.[14]

Situation in Deutschland

In vielen Ländern wurde das Wechselmodell gesetzlich verankert (z.B. Frankreich, Belgien, Italien, Tschechien, Slowakei, Dänemark, Schweden, Norwegen, Spanien, Griechenland, USA, Kanada und Australien). Am 2. Oktober 2015 verabschiedete der Europarat einstimmig die Resolution zur „Gleichheit und gemeinsamen elterlichen Verantwortung“ (Resolution 2079), dessen Kernpunkte der Abbau der Diskriminierung von Vätern, die Verankerung der paritätischen Doppelresidenz in den nationalen Gesetzen und ein Hinwirken auf konsensorientierte Lösungen der Eltern sind.[15]

In Deutschland steht dieser Schritt noch aus. Ursächlich sind unter anderem Widerstände aus Kreisen der Politik und der Justiz. Erstere befürchtet eine stärkere Inanspruchnahme der Sozialkassen, weil beim Paritätsmodell im Allgemeinen kein oder allenfalls nur sehr geringer Kindesunterhalt gezahlt wird. Des Weiteren muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden, wenn ein Elternteil gegenüber dem anderen Unterhalt geltend machen will, sofern nicht ein Elternteil erfolgreich die Alleinentscheidungsbefugnis gemäß § 1628 BGB beantragt. Dies kostet, verglichen mit dem Normalfall der prozesslichen Vertretungsmacht durch den überwiegend betreuenden Elternteil, zusätzliche Zeit und Geld. Deshalb lehnen auch Teile der Justiz das Paritätsmodell ab. Von Befürwortern des Paritätsmodells werden diese finanzpolitischen bzw. spezifisch juristischen Gründe wiederum als kindswohlferne und damit an sich unzulässige Argumente bezeichnet.

Gesetzeslage

Zum Wechselmodell gibt es im deutschsprachigen Raum keine gesetzliche Regelung. Beispielsweise darf für das Kind melderechtlich nur ein Hauptwohnsitz eingetragen werden, obwohl es de facto zwei hat. Das staatliche Kindergeld ist ebenfalls unteilbar an einen Elternteil auszuzahlen, einen Anspruch auf anteiliges Kindergeld für beide Elternteile gab es bisher nicht. Seit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az.: II-7 UF 45/13) gibt es auch diese Möglichkeit je nach Sachlage.

Die Frage der Kinderbetreuung nach diesem Modell ist losgelöst vom gesetzlichen Sorgerecht für die Kinder, also der Erziehungsberechtigung, und von der Frage des Kindesunterhalts.

Am 27. August 2009 wurde eine Online-Petition beim Deutschen Bundestag zum Thema Wechselmodell eingereicht.

Auswirkungen auf den Kindesunterhalt

Der Unterschied zwischen Wechselmodellen, in denen die Betreuungszeiten ungleich verteilt sind, und dem Paritätsmodell ist unter anderem mit Blick auf Unterhaltszahlungen bedeutsam. In der Vergangenheit behandelten Gerichte ungleich verteilte Wechselmodelle wie das konventionelle Residenzmodell. Der zeitlich weniger betreuende Elternteil musste dem zeitlich mehr betreuenden Elternteil - als würde dieser wie beim Residenzmodell den vollen bzw. weit überwiegenden Betreuungsunterhalt leisten - abzüglich der Hälfte des Kindergeldes einen vollen Barunterhalt, in der Regel nach Düsseldorfer Tabelle, zahlen.

Zunehmend kommt es zu Entscheidungen im Einzelfall, die nicht einer strikten Regelung aus der Leitsatzbildung des BGH (2005 ff.) folgen. Betrachtet werden neben den Betreuungszeiten auch die Betreuungsintensität unter dem ganzheitlichen Kindeswohlaspekt. Gewichtet wird zum Beispiel, wenn ein Elternteil regelmäßig die Betreuung und Förderung der schulischen Belange (Hausaufgaben, Üben für Arbeiten, Referate usw.) tagsüber übernimmt, während das Kind abends und nachts vom anderen Elternteil betreut wird (s.a. BFH-Urteil vom 23. März 2005 Az: III R 91/03). Eine allgemein gültige Formel oder einen Katalog dafür gibt es aber nicht.

Die bislang übliche Verteilung, bei der ein Elternteil den Betreuungsunterhalt leistet, der andere Elternteil dafür den Barunterhalt zahlt, muss gemäß der Urteile des BGH vom 21. Dezember 2005, Az. XII ZR 126/03 sowie vom 28. Februar 2007, Az. XII ZR 161/04 solange nicht in Frage gestellt werden, wie ein Elternteil bei der Betreuung das deutliche Schwergewicht innehat. In den zu verhandelnden Fällen war die Verteilung circa 1/3 zu 2/3 bzw. 64 % zu 36 % einschließlich der Ferienzeiten; der BGH bejahte jeweils ein deutliches Schwergewicht bei der Mutter.

In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH mehren sich die Einzelfallentscheidungen, in denen an Familiengerichten ab etwa 40 % Betreuung durch ein Elternteil dem anderen Elternteil, bei gleichem Einkommens- und Vermögensverhältnissen, keine Barunterhaltszahlungen mehr zugesprochen werden. Dafür kann der letztgenannte Elternteil im Einzelfall das volle Kindergeld beanspruchen. Ansonsten sind beide Eltern im Paritätsmodell kindergeldberechtigt nach § 32 EStG und § 64 EStG. Da das Kindergeld eine steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei beiden Eltern darstellt (Familienleistungsausgleich), ist es auch bei beiden Eltern für den Unterhalt zu verwenden. Hier hat ein Elternteil einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch aus dem § 1612b BGB gegen den, an den das Kindergeld ausgezahlt wird. Vorausgesetzt der Anspruch wird nicht ausdrücklich abgetreten.

Über eine andere als die beim Residenzmodell praktizierte strikte Trennung in Bar- und Betreuungsunterhalt muss gemäß BGH erst dann nachgedacht werden, wenn die Eltern ein „echtes“ Wechselmodell praktizieren, bei dem sich die Betreuungsanteile "annähernd" die Waage halten bzw. beide Eltern tatsächlich jeweils zur Hälfte die wechselnde Betreuung übernehmen. In konfliktbehafteten Wechselmodellen, in denen die Eltern keine gemeinsamen finanziellen Vereinbarungen abschließen, wird das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Höhe der Barunterhaltspflicht beider Eltern nach ihren Vermögens- und Einkommensverhältnissen bestimmen. Der jeweils geleistete Naturalunterhalt kann im Einzelfall berücksichtigt werden.

Da im Paritätsmodell von gleichen Betreuungsanteilen ausgegangen wird, entfällt hier eine gesonderte Gewichtung der Betreuungsleistung. Das Verfahren zur Unterhaltsfeststellung wendet einen im Gesetz festgeschriebenen Mindestunterhalt, der sich in Anpassung an die Vorschriften des Steuerrechts nach dem doppelten Freibetrag für das Existenzminimum eines Kindes richtet, an (§ 1612a BGB). Zusätzlich können - im Einzelfall - die Wechselkosten des Kindes von und zu beiden Eltern als bedarfserhöhend angesehen werden. Dies ist besonders dann entscheidend, wenn größere Reisedistanzen zwischen beiden Elternhäusern überwunden werden müssen.

Nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechtslage wurde das dem im Residenzmodell betreuenden Elternteil ausgezahlte Kindergeld mit dem Barunterhalt des anderen Elternteils verrechnet. Die Neuregelung des § 1612b BGB ab dem 1. Januar 2008 legt fest, dass das Kindergeld zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden ist. Und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1612b Abs. 1 Nr. 1; Residenzmodell u.a. alle anderen Nicht-Paritätsmodelle). In allen anderen Fällen in voller Höhe (§1612b Abs. 1 Nr. 2)

Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass das Kindergeld nicht primär den Eltern als Einkommen, sondern dem Kind zuzurechnen ist. Im Paritätsmodell erfüllen beide Eltern gleichzeitig ihre Betreuungs- und Unterhaltspflicht. Daraus entsteht der Anspruch des Kindes, dass bei beiden Eltern das Kindergeld jeweils anteilig zur Verfügung steht, damit es bei beiden Eltern für den jeweiligen Barbedarf des Kindes bei Mutter und Vater verwandt werden kann. Eltern können dies untereinander anders regeln, wenn der Unterhalt des Kindes dadurch nicht gefährdet ist.

Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht gehen seit der Unterhaltsreform davon aus, dass das Kindergeld Einkommen des Kindes darstellt und - in Nicht-Paritätsmodellen - vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen nur der Zahlbetrag an Kindesunterhalt abzuziehen ist. Zugleich ist der betreuende Elternteil verpflichtet, das Kindergeld in voller Höhe für den Kindesunterhalt zu verwenden (BVerfG vom 14. Juli 2011 - 1 BVR 932/10).

Situation in anderen Ländern

USA

Die USA gelten als Ursprungsland des Wechselmodells, weshalb dort auch der überwiegende Teil psychologischer Forschung zum Thema betrieben wurde.

Nachdem die joint legal custody (rechtlich gemeinsame elterliche Sorge) als Scheidungsfolge bereits 1957 im Bundesstaat North Carolina gesetzlich geregelt wurde, zog die überwiegende Anzahl der anderen Bundesstaaten bis in die 1980er Jahre nach. Während nun wesentliche Entscheidungen im Regelfall gemeinsam angestimmt werden mussten, änderte sich in vielen Fällen nur wenig am tatsächlichen Aufenthalt des Kindes. Dies bereitete den Weg hin zu einer Ausweitung auf die Betreuungspraxis, die als gesellschaftliche Praxis bereits in den 1970ern erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde und nach der Forderungen in den 1980ern immer lauter wurden.

Vorreiter einer gesetzlichen Regelung der joint physical custody (physisch gemeinsame elterliche Sorge) war Kalifornien, wo diese seitdem den Rang einer stets zu prüfenden Alternative innehat. Einige Staaten gehen darüber hinaus und betrachten es als bevorzugtes Modell (wie Oklahoma Iowa und Maine) oder Regelmodell mit dem Ziel einer 50:50 Zeitteilung (wie Louisiana und Arkansas). Es gibt gar Bestrebungen, ein 50:50-Zeitmodell als obligatorisch anzuordnen, wenn sich die beiden Eltern nicht auf eine andere Regelung einigen können.

Die richterliche Praxis bleibt mit einem geschätzten Anteil von ca. 20 % für ein Wechselmodell dahinter zwar zurück. In der öffentlichen Meinung wird jedoch ein starker Konsens mit Zustimmungswerten zwischen 80 % und 90 % beschrieben, dass die abwechselnde Betreuung im Trennungsfall die beste Betreuungsform sei. Mit einer weiter steigenden Verbreitung wird daher gerechnet. [16]

Australien

In Australien setzte sich das Wechselmodell vor allem in Folge mehrerer Reformen des Sorge- und Kindesunterhaltsrechts in den Jahren 2003 bis 2008 durch. Neben dem gemeinsamen Sorgerecht gilt seit dem Family Law Amendment (Shared Parental Responsibility) Act von 2006 auch die abwechselnde Betreuung durch beide Elternteile als bevorzugtes Betreuungsmodell. Zwar bleibt es bei der Einzelfallbetrachtung, jedoch sind die Eltern auch durch Familienberatung in der Ermöglichung eines Wechselmodells zu unterstützen. Insgesamt wurden an Familiengerichten in den Jahren 2007/08 jeweils etwa ein Drittel der strittigen als auch der beigelegten Fälle mit einem Wechselmodell, unter denen eine ausgeglichene zeitliche Aufteilung sogar überwog. [17]

Literatur

  • Hildegund Sünderhauf-Kravets: Wechselmodell: Psychologie - Recht – Praxis. Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-531-18340-4
  • Danielle Gebur: Erziehung im Wechselmodell. Trennungskinder und gelungene Erziehungspartnerschaft. Tectum, Marburg 2014, ISBN 978-3-8288-3450-7.
  • Christina Klenner: Essay über die Emanzipation des Kindes im Familienrechtsverfahren. In: Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe. Nr. 1, 2006, S. 8–11.
  • Kerima Kostka, Das Wechselmodell als Leitmodell? Umgang und Kindeswohl im Spiegel aktueller internationaler Forschung, in Zeitschrift: Streit, Nr. 4, 2014, S. 147–158, ISSN 0175-4467.
  • Hildegund Sünderhauf: Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis, Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung. Springer, Wiesbaden 2013.
  • Hildegund Sünderhauf: Vorurteile gegen das Wechselmodell: Was stimmt, was nicht? Argumente in der Rechtsprechung und Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung. In: FamRB – Der Familienrechtsberater. 2013, Teil 1: Heft 9, S. 290–297, und Teil 2: Heft 10, S. 327–335 (Leseprobe auf famrb.de).
  • Hildegund Sünderhauf, Georg Rixe: Alles wird gut! Wird alles gut? Rechtssystematische Verortung und verfassungsrechtliche Bezüge der gerichtlichen Anordnung des paritätischen Wechselmodells. In: FamRB – Der Familienrechtsberater. Teil 2: Heft 12, 2014, S. 469–474.
  • Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen (Hrsg.): Familiale Erziehungskompetenzen. Juventa, Weinheim/München 2005.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Paritätsmodell. Abgerufen am 15. Dezember 2011.
  2. Christoph Mandla: Das Wechselmodell im Umgangsrecht und die Beliebigkeit der Argumentation: Schwierigkeiten mit Methodik und Gleichberechtigung. In: Neue Justiz. Nr. 7, 2011, S. 278 ff.
  3. a b c d e f g h i j k Jörg Fichtner, Joseph Salzgeber: Gibt es den goldenen Mittelweg? Das Wechselmodell aus Sachverständigensicht. In: Familie Partnerschaft Recht. Nr. 7, 2006 (Online).
  4. a b c d Lothar Unzner: Bindungstheorie und Wechselmodell. Abgerufen am 15. Dezember 2011.
  5. a b c d e f g h Jan Piet H. de Man: Ergebnisse internationaler Tatsachenforschung zum Wohl des Trennungskindes - "Gemeinsames Sorgerecht": Ja und nein. Abgerufen am 28. August 2012.
  6. a b c d e f Hälftige Kinderbetreuung: Phantasie oder durchführbar? In: trennungsfaq.com. Abgerufen am 15. Dezember 2011.
  7. a b c d e f Das integrierte Wechselmodell - ein Weg zur tragfähigen Kinderbetreuung durch getrennte Eltern. (PDF; 105 kB) Abgerufen am 15. Dezember 2011.
  8. Kerima Kostka: Die gemeinsame elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung: ein Blick auf die Begleitforschung zur Kindschaftsrechtsreform. (PDF) Abgerufen am 28. Juni 2014.
  9. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen (Hrsg.): Familiale Erziehungskompetenzen. Juventa Verlag, Weinheim/München 2005.
  10. Christina Klenner: Essay über die Emanzipation des Kindes im Familienrechtsverfahren. In: Zeitschrift für Kindsrecht und Jugendhilfe. Nr. 1, 2006, S. 8–11.
  11. Ahnert, Dornes; Oerter & Montada: Bindung und Bonding – Konzepte früher Bindungsentwicklung des Menschen. 2002/2004 (Online).
  12. Jan Piet H. de Man: Die Anpassung der Kinder bei gemeinsamen Sorgerecht. 25. Oktober 2005, abgerufen am 15. Dezember 2011.
  13. Hildegund Sünderhauf: Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis. 2013, S. 1–893.
  14. Das Wechselmodell: Definition, Praxis und Stand der psychologischen Forschung; Vortrag von Hildegund Sünderhauf (Ev. Hochschule Nürnberg) an der VeV, Zürich vom 10.12.2012. (PDF; 2,4 MB) Abgerufen am 4. Januar 2014.
  15. Parlamentarische Versammlung des Europarates: Equality and shared parental responsibility: the role of fathers 2. Oktober 2015
  16. Das Wechselmodell in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), in: Sünderhauf: Wechselmodell, S. 869–872
  17. Das Wechselmodell in Australien, in: Sünderhauf: Wechselmodell, S. 873–876