Wirkungs-Winkelkoordinaten

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Wirkungs-Winkelkoordinaten, auch Wirkungs-Winkelvariablen, sind ein Satz kanonisch-konjugierter Koordinaten, mit denen sich Berechnungen für ein dynamisches System vereinfachen lassen. Mit der Transformation zu Wirkungs-Winkelkoordinaten lassen sich Eigenfrequenzen von Oszillatoren bestimmen, ohne die Bewegungsgleichungen des Systems lösen zu müssen.[1]

Wirkungs-Winkelkoordinaten eignen sich besonders, wenn die Gleichungen des Hamilton-Jacobi-Formalismus durch Trennung der Veränderlichen lösbar sind. Die Hamilton-Funktion hängt dann nicht explizit von der Zeit ab, sodass die Gesamtenergie des Systems erhalten ist.

Die Wirkungs-Winkelkoordinaten definieren invariante Tori im Phasenraum. Ihre Oberflächen sind Flächen konstanter Wirkung.

Anwendungsgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den Quantisierungsbedingungen für das Bohr-sommerfeldsches Atommodell muss die Wirkung ein ganzzahliges Vielfaches des Planckschen Wirkungsquantums betragen, und auch in der modernen Quantenmechanik lassen sich Schwierigkeiten, nicht-integrable Systeme zu quantisieren, durch Wirkungs-Winkelkoordinaten ausdrücken.

Wirkungs-Winkelkoordinaten sind ebenfalls nützlich in der Störungstheorie der Hamiltonschen Mechanik, besonders um adiabatische Invarianten zu bestimmen. Eines der ersten Ergebnisse der Chaostheorie für nichtlineare Störungen dynamischer Systeme ist das KAM-Theorem, welches Aussagen über die Stabilität der o. g. invarianten Tori trifft.

Wirkungs-Winkelkoordinaten werden für die Lösung des Toda-Gitters, die Definition von Lax-Paaren, oder die Idee der isospektralen Entwicklung von Systemen gebraucht.

Definition und Herleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wirkungswinkel lassen sich herleiten durch eine kanonische Transformation zweiter Art, bei der die erzeugende Funktion die zeitunabhängige charakteristische Hamiltonfunktion ist, (nicht die Hamiltonsche Wirkungsfunktion ). Da die ursprüngliche Hamiltonfunktion nicht explizit von der Zeit abhängt, ist die neue Hamiltonfunktion nichts Anderes als die alte, in neuen kanonischen Koordinaten ausgedrückt. Die neuen Koordinaten bestehen aus den Wirkungswinkeln , welche den generalisierten Koordinaten entsprechen, sowie den Koordinaten , die den generalisierte Impulsen entsprechen. (Die erzeugende Funktion wird hier lediglich benutzt, um die neuen und alten Koordinaten zu verknüpfen, auf die explizite Form soll nicht weiter eingegangen werden.)

Anstatt die Wirkungswinkel direkt zu definieren, ist es einfacher, erst deren generalisierte Impulse zu bestimmen. Diese sind definiert als

wobei der Integrationsweg implizit gegeben ist durch die Bedingung konstanter Energie . Da die tatsächliche Bewegung für die Integration nicht gebraucht wird, sind diese generalisierten Impulse erhalten, vorausgesetzt die transformierte Hamiltonfunktion hängt nicht von den generalisierten Koordinaten ab:

wobei

durch die kanonische Transformation gegeben ist. Daher hängt die neue Hamiltonfunktion nur von den neuen generalisierten Impulsen ab.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bewegungsgleichungen des Systems in den neuen Koordinaten erhält man durch die Hamiltonschen Gleichungen

Da alle erhalten sind, ist die rechte Seite ebenfalls erhalten. Die Lösung ist daher

wobei eine entsprechende Integrationskonstante ist. Insbesondere für eine Oszillation oder eine Kreisbewegung in den ursprünglichen Koordinaten mit Periode , erhält man eine Änderung des Wirkungswinkels um .

Die sind daher die Frequenzen der Schwingung der ursprünglichen Koordinaten . Dies lässt sich zeigen durch Integration der Wirkungswinkeländerung über eine Periode in den ursprünglichen Koordinaten

Setzt man beide Ausdrücke für gleich, erhält man die gewünschte Gleichung

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • L. D Landau, E. M Lifshitz: Mechanics. 32591126. Auflage. Pergamon Press, Oxford / New York 1976, ISBN 0-08-021022-8.
  • Herbert Goldstein: Classical mechanics. 2. Auflage. Addison-Wesley Pub. Co, Reading, Mass 1980, ISBN 0-201-02918-9.
  • G. A Sardanashvili: Handbook of integrable hamiltonian systems. URSS, Moscow 2015, ISBN 978-5-396-00687-4.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Edwin Kreuzer: Numerische Untersuchung nichtlinearer dynamischer Systeme. Springer-Verlag, 2013, ISBN 3-642-82968-6, S. 54 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).