Abri
Ein Abri (von franz. Unterstand, Schutz, Obdach) ist ein durch Erosion entstandener, zumeist in Tälern von Buntsandstein- oder Jurakalkgebieten gelegener Felsüberhang.
In der Archäologie versteht man unter einem Abri eine steinzeitlich genutzte Halbhöhle (eng. Rock shelter), mit Spuren ehemaliger menschlicher Anwesenheit unter einem Felsdach oder in einer Felsnische.
In der Biologie versteht man unter einem Abri einen Felsvorsprung, der Tieren als Unterschlupf dient.
Entstehung
Abris entstehen etwa aus der Verwitterung von hartem mittlerem Buntsandstein. An freistehendem Fels führt die hygroskopische Struktur des Materials zu Wabenverwitterung sowie einer permanenten Absandung. Besonders in den glazialen Phasen treten Frostverwitterung, und je nach Lage auch Korrasionseffekte (Windabtragungen) auf. So entstehen aber nicht nur Felsdächer, sondern auch Hohlkehlen und in selteneren Fällen auch Pilzfelsen.
Buntsandstein
Im Buntsandsteingebiet des südlichen Leineberglandes zwischen den Orten Nörten-Hardenberg und Heiligenstadt, Göttingen befindet sich die größte Gruppe von Abris in Mitteleuropa. Sie finden sich in den schluchtartigen Felstälern zwischen der Leine und dem Eichsfeld oft auf engstem Raum. In einem Gebiet von rund 30 km Länge und 6 bis 10 km Breite sind heute rund 1600 Abris erfasst.
Kalkstein
In Felswänden von Tälern der Kalkgebirge entstanden Felsvorsprünge durch die stärkere Erosion schwacher Gesteinsschichten oder durch Auskolkungen während der Talbildung.
Archäologie
Unter Abris finden sich oft meterhohe Ablagerungen einer anhaltenden oder wiederholten menschlichen Nutzung aus den Epochen der Altsteinzeit bis ins Mesolithikum, vereinzelt auch bis ins Neolithikum oder späterer Zeit. In aufeinander folgenden Kulturschichten gefundene Geräte (z.B. die Abri-Audi-Spitzen) bilden die Grundlagen altsteinzeitlicher Chronologien.
Die meisten Spuren unter aufgesuchten Felsschutzdächern stammen aus der letzten Eiszeit (Weichsel-Kaltzeit). Sie dienten Jägern vielleicht als Basislager. Von einer regelrechten Sammeltätigkeit kann angesichts der Fauna kaum oder nur saisonal ausgegangen werden. Ein solcher Platz wurde eher saisonal aufgesucht, bis die größeren Herdentiere weiter zogen.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die offene Seite von Abris möglicherweise mit zeltartigen Konstruktionen aus organischem Material verschlossen wurde. Feuer- und Herdstellen deuten offenbar darauf, dass auch Nahrung zubereitet wurde.
Bekannte Abris im deutschsprachigen Raum:
- Sesselfelsgrotte (Mittelpaläolithikum, Jungpaläolithikum) und Abri I (Gravettien und Magdalénien), beide in Neu-Essing
- Abri im Pfaffenholz (Altmühltal)
- Abris am Bettenroder Berg; besonders Abri IX (Lkrs. Göttingen),
- Chesselgraben (Kanton Solothurn)
- Helga-Abri, Gemarkung Schelklingen im Achtal, Feuerstellen des Magdalénien, des Spätpaläolithikum und des Frühmesolithikums.
- Felsställe bei Ehingen (Donau), Ortsteil Mühlen
- Gradonna (Osttirol),
- Schweizersbild bei Schaffhausen
- Allerberg (Lkrs. Göttingen),
- Bürgertal
- Stendel
- Abri-Audi bei Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil in der Dordogne
- Abri-du-Roc-au Sorcier
- Blanchard (Dordogne)
- Caminade
- Cap Blanc
- Castel Merle
- Cro-Magnon
- des Vachons
- Labattut bei Montignac
- La Cave
- Le Moustier (Dordogne)
- du Mannlefelsen (Haut-Rhin)
- Movius (Dordogne)
- Pataud (Dordogne)
In geschichtlicher Zeit wurden in Frankreich und in der Schweiz Häuser unter großen Abris errichtet. Auch die Cliff Dwellings genannten Bauten der Indianer in Gila New Mexiko stehen unter weiten Abris.
Literatur
- Claus-Joachim Kind: Das Felsställe. Eine jungpaläolithisch-frühmesolithische Abri-Station bei Ehingen-Mühlen, Alb-Donau-Kreis. Die Grabungen 1975 - 1980. Theiss, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0777-1; (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 23, ISSN 0724-4347).
- Klaus Grote: Die Abris im südlichen Leinebergland bei Göttingen. Archäologische Befunde zum Leben unter Felsschutzdächern in urgeschichtlicher Zeit. 3 Bände. Isensee, Oldenburg 1994, (Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums zu Hannover 43, ISSN 0931-6280).