Überhöhung

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Steilkurve einer Radrennbahn

Überhöhung ist eine Querneigung einer Fahrbahn in einer Kurve zum Kurveninneren hin. Der Zweck der Überhöhung ist, die aus Zentrifugalkraft und Gewichtskraft des Fahrzeugs resultierende Kraft möglichst senkrecht zur Fahrbahn wirken zu lassen, um ein Schleudern oder Umkippen des Fahrzeugs zu verhindern. Überhöhungen werden verwendet:

Schienenbahnen

Überhöhtes Gleis
Kurvenüberhöhung am Geisbergtunnel

Bei Schienenbahnen wird die Überhöhung durch den Höhenunterschied beider Schienen eines Gleises angegeben. Die Überhöhung bewirkt, dass Radien mit höheren Geschwindigkeiten befahren werden können, ohne dass Ladung oder Fahrgäste starken Beschleunigungen zur Seite ausgesetzt werden oder ein Schienenfahrzeug entgleist. Außerdem reduziert sie die ungleichmäßige Abnutzung der Schienen. Als ausgleichende Überhöhung bezeichnet man die Überhöhung, welche beim Erreichen einer Entwurfsgeschwindigkeit die auf das Schienenfahrzeug wirkende Querbeschleunigung eliminiert.

Aus der Anforderung, dass an jeder Stelle des Fahrweges ein sicherer Nothalt eines Schienenfahrzeuges möglich sein muss, ergibt sich eine maximale Überhöhung, um im Stillstand ein Umkippen des Fahrzeugs nach innen zu verhindern. In Deutschland beschränkt die für regelspurige Eisenbahnen geltende[1] Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung die Überhöhung auf maximal 180 mm.[2] Dies entspricht einer Querneigung von 12,5 % bzw. 7,1 Grad. Bedingt durch Toleranzen bei Bau und Instandhaltung von Gleisen beträgt die maximal zulässige Überhöhung bei deutschen Infrastrukturbetreibern für Schotteroberbau 160 mm und auf Fester Fahrbahn 170 mm. Im Bereich von Bahnsteigen ist meist deutlich weniger Überhöhung zulässig. Hier ist der Regelgrenzwert (Wert, der in der Regel nicht überschritten werden soll) 60 mm. Die absolute Grenze für die Überhöhung an Bahnsteigen beträgt 100 mm, dies ist jedoch der Ermessensgrenzwert (Wert, der nur genommen werden darf, wenn ein zwingender Grund vorliegt).

Überhöhungsfehlbetrag

Als Überhöhungsfehlbetrag bezeichnet man die Differenz zwischen der Überhöhung, die nötig wäre, um die Querbeschleunigung bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vollständig auszugleichen, und der tatsächlichen Überhöhung eines Gleisbogens. Die Festlegung des maximalen Überhöhungsfehlbetrages in den Vorschriften begrenzt so die Querkräfte, denen Fahrgäste und Ladung ausgesetzt werden können. Nach dem Regelwerk der DB Netz AG beträgt dieser Wert 150 mm, wenn auf dem entsprechenden Gleis nur Reisezugverkehr mit dafür zugelassenem Rollmaterial stattfindet und der Kurvenradius 1000 m oder mehr beträgt sowie keine Zwangspunkte (Weichen, Bahnübergänge, etc.) vorhanden sind. Findet dort auch Güterverkehr statt, so ist als maximaler Überhöhungsfehlbetrag 130 mm erlaubt.

Realisierung

Ein Höhenversatz innerhalb der Schiene ist nicht befahrbar, so dass die Überhöhung durch sogenannte Überhöhungsrampen hergestellt wird. Die Schienen sind starr mit den Schwellen verbunden. Um die unterschiedliche Höhenlage der Schienen zu erreichen, werden diese in Schräglage im Schotterbett eingebaut. Die einfachste Form der Herstellung ist die Realisierung einer linear zunehmenden Überhöhung, die meist im Grundriss mit einem Übergangsbogen (Klothoide) zusammenfällt. Darüber hinaus existieren in der Praxis noch Überhöhungsrampen, die sich am Grundriss von Übergangsbögen 4. Ordnung (s-förmig) oder 5. Ordnung (Bloss) orientieren. Die französische Staatsbahn realisiert die erforderlichen Überhöhungsrampen durch die sogenannte doucine, die eine gerade Überhöhungsrampe mit Ausrundungen am Anfang und Ende darstellt. Durch die Berücksichtigung der Ausrundungen wird der Ruck reduziert, der bei herkömmlichen geraden Überhöhungsrampen an den Übergängen auftritt. Dies ermöglicht eine kürzere Entwicklungslänge und somit steilere Längsneigungen.

Geschichte

Mit der Neufassung der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 28. Mai 1967 wurde eine Begrenzung der zulässigen Überhöhung auf 150 mm neu aufgenommen. Größere Überhöhungen bedürften einer Zulassung durch den Bundesverkehrsminister. Der Überhöhungsfehlbetrag wurde gleichzeitig von 100 auf 130 mm angehoben (entsprechend einer Restseitenbeschleunigung von 0,85 statt vormals 0,65 m/s²). Die zulässige Geschwindigkeit im Bogen berechnete sich dabei nach (mit Geschwindigkeit V in km km/h, Bogenhalbmesser R in Metern und Überhöhung u in Millimetern).[3]

Um 1988 erwartete die Deutsche Bundesbahn im Rahmen einer absehbaren EBO-Novellierung die Anhebung der maximalen Überhöhung auf 160 mm und des Überhöhungsfehlbetrages auf 150 mm.[4] Die Anwendung dieser sogenannten Oberbauprognosewerte war um 1989 zugelassen, wenn gegenüber der Anwendung der EBO-Grenzwerte (150 mm Überhöhung / 130 mm Überhöhungsfehlbetrag) Sprungkosten vermieden werden konnten und schwerer Oberbau (UIC-60-Schienen und B 70 W-Betonschwellen) verwendet wurde. Erforderlich waren Versuchsfahrten und eine Zustimmung durch die Zentrale der Deutschen Bundesbahn.[5]

Mit der Dritten EBO-Änderungsverordnung wurde 1991 das Betriebsgrenzmaß für die Überhöhung schließlich von 150 auf 180 mm angehoben. Während die bis dahin geltende Obergrenze von 150 mm in der Praxis auch hergestellt wurde, beinhaltete der neue Grenzwert von 180 mm ausdrücklich auch Abweichungen, die sich über das Herstellungsmaß hinaus im Betrieb einstellten. Bei besonders gut unterhaltenen Gleisen konnten damit – unter Berücksichtigung der Überwachungs- und Instandhaltungsstrategie – Überhöhungen von bis zu 160 mm auf Schotter-Oberbau und 170 mm auf Fester Fahrbahn zugelassen werden. Der bis dahin geltende Überhöhungsfehlbetrag von bis zu 130 mm wurde auf bis zu 150 mm angehoben. Gleichzeitig wurde klargestellt, dass der Überhöhungsfehlbetrag – wie auch die Überhöhung – von verschiedenen Kriterien abhängig ist und ebenfalls sicherheitsrelevante Veränderungen der Sollmaße für Überhöhung und Radius im Betrieb möglich sind. Das Bundesministerium für Verkehr wurde ermächtigt, ausnahmsweise – beispielsweise für Neigetechnik-Züge – Überhöhungsfehlbeträge von mehr als 150 mm zuzulassen. Die Werte von 160 mm Überhöhung und 150 mm Überhöhungsfehlbetrag waren zuvor in einer fachübergreifenden Untersuchung des Bundesbahn-Zentralamts München abgesichert worden.[6]

Eine 1991 vorgelegte Dissertation ergab, dass bei Einsatz der Festen Fahrbahn aufgrund größerer Gleislagestabilität und geringeren dynamischen Kräften der Überhöhungsfehlbetrag bei geeigneten Randbedingungen auf 180 bis 200 mm angehoben werden könne.[7]

Motorsport

NASCAR-Starterfeld fährt in die überhöhte Kurve ein.

Überhöhungen waren in den Anfängen des Motorsports in Form von Steilkurven auf vielen Rennstrecken anzutreffen, heute noch bekannte Beispiele sind Monza, die AVUS oder die Betonkehre des alten Nürburgrings. Aufgrund der Sicherheitsdiskussionen in den 1960er/1970er Jahren wurden in Europa viele Steilkurven zurückgebaut. Heute sind nur noch wenige Überhöhungen vorhanden, eine der bekanntesten Kurven ist das Caracciola-Karussell auf der Nordschleife des Nürburgrings. Die in den USA üblichen Ovalkurse sind oft mit 30° und mehr Überhöhung ausgelegt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) § 1 (Anwendungsbereich).
  2. Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Abgerufen am 5. Juni 2013 (§ 6 Abs. 3): „Die Überhöhung ist in Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Oberbaus, von der Bauart der Fahrzeuge sowie von der Ladung und deren Sicherung festzulegen; sie darf unter Einbeziehung der sich im Betrieb einstellenden Abweichungen 180 mm nicht überschreiten.“
  3. Heinz Delvendahl: Die Bahnanlagen in der neuen Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). In: Die Bundesbahn. Band 41, Nr. 13/14, 1967, ISSN 0007-5876, S. 453–460.
  4. Horst Ritthaler: ABS Günzburg–Augsburg. In: Die Bundesbahn, 64, Nr. 10, 1988, ISSN 0007-5876, S. 1017–1020.
  5. Carsten Lorenzen: Die Ausbaustrecke Würzburg–Nürnberg. In: Die Bundesbahn. Band 65, Nr. 10, 1989, ISSN 0007-5876, ZDB-ID 1372-9, S. 831–836.
  6. Walter Mittmann, Fritz Pätzold, Dieter Reuter, Hermann Richter, Klaus-Dieter Wittenberg: Die Dritte Verordnung zur Änderung der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). In: Die Bundesbahn. Nr. 7-8, 1991, ISSN 0007-5876, S. 759–770.
  7. Reinhard Pospischil: Auswirkungen einer geänderten Oberbauform auf die Linienführung der Neu- und Ausbaustrecken der Deutschen Bundesbahn. Dissertation, TU München, 1991 (Mitteilungen des Prüfamtes für Bau von Landverkehraswegen der Technischen Universität München, ISSN 0341-5538, Heft 62), S. 179–182.