Tove Ditlevsen
Tove Ditlevsen (* 14. Dezember 1917 in Kopenhagen; † 7. März 1976 ebenda) war eine dänische Schriftstellerin.
Leben und Werk
Tove Ditlevsen wurde 1917 als Tochter von Kirstine Alfrida Mundus (1890–1965) und Ditlev Nielsen Ditlevsen (1880–1972) geboren. Sie stammte aus dem Kopenhagener Arbeitermilieu des Stadtteils Vesterbro. Mit vierzehn Jahren verließ sie die Schule und mit siebzehn Jahren ihr Elternhaus; sie wurde Dienstmädchen und Bürogehilfin. In dieser Zeit schrieb sie bereits Lyrik.
In erster Ehe heiratete sie 1939 den 30 Jahre älteren Schriftsteller und Journalisten Viggo Frederik Møller. Im gleichen Jahr debütierte sie mit der Gedichtsammlung Pigesind (Mädchensinn). Später war sie noch drei Mal verheiratet: In zweiter Ehe mit Ebbe Munk (1942–1945), mit dem sie eine Tochter hatte: Helle Munk (1943–2008); in dritter Ehe mit Carl T. Ryberg (1945–1950), mit dem sie einen Sohn hatte: Michael Ryberg (1946–1999); und in vierter Ehe mit Victor Andreasen (1951–1973), mit dem sie einen Sohn hatte: Peter Andreasen (* 1954).
In ihren autobiographischen Romanen beschrieb sie ihr Leben: Die Jugend im Arbeitermilieu, das Scheitern ihrer Ehen und ihre Krisen (Schwangerschaftsabbrüche, Sucht, Entzug, depressive Psychosen und Suizidgedanken). Ditlevsen bearbeitete vielfach die seelischen Konflikte ihrer Kindheit und Jugend. In Straße der Kindheit (1943), „ein in Dänemark schon klassisch gewordener Roman“[1], schildert sie das Milieu ihres Arbeiterviertels. In ihrem bekanntesten Roman, Gesichter (1968), beschreibt sie mit erschreckender Intensität eine auf eigener Erfahrung beruhende Psychose. Der dänische Titel Gift (1971; deutsch: Sucht) ist doppeldeutig, es bedeutet sowohl „verheiratet“ als auch „Gift“; das Werk handelt von ihren ersten drei relativ kurzen Ehen. Ditlevsen arbeitete auch als „Briefkastentante“ für eine dänische Illustrierte.
Sie erhielt einige Preise; im Kopenhagener Stadtviertel Vesterbro wurde der „Tove Ditlevsen Plads“ nach ihr benannt. Die norwegische Liedermacherin Kari Bremnes produzierte 1987 ihre erste CD mit Vertonungen von Ditlevsens Gedichten.[2]
Tove Ditlevsen starb durch eine Überdosis Schlaftabletten, die sie zwischen dem 4. und 7. März 1976 eingenommen hatte. Ihre Leiche wurde am 8. März gefunden. Zwei Jahre vor ihrem Tod hatte sie bereits einen Suizidversuch in Rude Skov, einem Wald nördlich von Kopenhagen, unternommen. Sie liegt auf dem Vestre Kirkegård in Kopenhagen neben ihrem Sohn Michael Ryberg begraben, der 1999 bei einem Autounfall starb.
2021 brachte der Aufbau Verlag Ditlevsens drei autobiographische Romane Barndom (1967), Ungdom (1967) und Gift (1971) unter den Titeln Kindheit, Jugend, Abhängigkeit in der Übersetzung von Ursel Allenstein als Kopenhagen-Trilogie auf Deutsch heraus.
Veröffentlichungen
Originalausgaben
- 1941: Man gjorde et barn fortræd (Roman)
- 1943: Barndommens gade (Roman)
- 1947: Blinkende Lygter (Gedichte)
- 1948: Dommeren (Novellen)
- 1952: Nattens dronning (Novelle)
- 1960: To som elsker hinanden (Roman)
- 1963: Den onde lykke (Novellen)
- 1967: Barndom (Erinnerungen)
- 1967: Ungdom (Erinnerungen)
- 1971: Gift (Erinnerungen)
- 1973: Parenteser (Essays)
- 1975: Vilhelms værelse (Roman)
Deutschsprachige Ausgaben
- Straße der Kindheit. Aus dem Dänischen von Bernhard Jolles. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1962.
- Als Anneliese dreizehn war. Aus dem Dänischen von Elsbeth Schneidler. Boje, Stuttgart 1965.
- Sucht. Erinnerungen. Aus dem Dänischen von Erna Plett. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-11009-8.
- Wilhelms Zimmer. Aus dem Dänischen von Else Kjaer und Bärbel Cosmann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-11076-4.
- Gesichter. Aus dem Dänischen von Else Kjaer. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-11165-5.
- Kindheit. Teil 1 der Kopenhagen-Trilogie. Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein. Aufbau Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03868-7.
- Jugend. Teil 2 der Kopenhagen-Trilogie. Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein. Aufbau Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03869-4.
- Abhängigkeit. Teil 3 der Kopenhagen-Trilogie. Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein. Aufbau Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03870-0.
- Gesichter. Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein. Aufbau Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-351-03938-7.
- Böses Glück. Erzählungen. Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein, Aufbau Verlag, Berlin 2023, ISBN 978-3-351-03952-3
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1942 Carl Møllers Legat
- 1942 Emma Bærentzens Legat
- 1945 Drachmannlegatet
- 1953 Tagea Brandts Rejselegat
- 1954 Emil Aarestrup Medaljen
- 1955 De Gyldne Laurbær
- 1959 Kulturministeriets Børnebogspris for Annelise - tretten år (deutsch: Annelise - 13 Jahre)
- 1971 Søren-Gyldendal-Preis
Literatur
- Jens Andersen: Til døden os skiller. Et portræt af Tove Ditlevsen. Gyldendal, Kopenhagen 1997, ISBN 978-87-00-31094-0.
- Joachim Trinkwitz: Tove Ditlevsen. In: Die Klassiker der skandinavischen Literatur. Econ, Düsseldorf 1990, ISBN 3-612-10054-8.
- Mette Winge: Tove Ditlevsen. In: Danske digtere i det 20. århundrede. Band II. Gad, Kopenhagen 1981, ISBN 87-12-17452-1.
- Tove Ditlevsen. In: Lexikon der Weltliteratur. DTV, München 1997, ISBN 3-423-59050-5.
- Sophie Wennerscheid: Wem Ehre gebührt. Rezension. Süddeutsche Zeitung, 28. Mai 2022, S. 22
Weblinks
- Literatur von und über Tove Ditlevsen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Tove Ditlevsen. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
- Mikael Krogerus: Schriftstellerin Tove Ditlevsen: „Ich kann nicht: Bei einem Mann bleiben, am Elternabend Interesse vortäuschen, aufhören zu rauchen“. In: Tages-Anzeiger. 10. Februar 2021. Abgerufen am 16. Februar 2021.
- Tove Ditlevsen bei IMDb
Einzelnachweise
- ↑ Joachim Trinkwitz: Tove Ditlevsen. In: Die Klassiker der skandinavischen Literatur.
- ↑ CD Mitt ville hjerte (Mein wildes Herz). Kirkelig K (Indigo) 1987.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Ditlevsen, Tove |
ALTERNATIVNAMEN | Ditlevsen, Tove Irma Margit (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | dänische Schriftstellerin |
GEBURTSDATUM | 14. Dezember 1917 |
GEBURTSORT | Kopenhagen, Dänemark |
STERBEDATUM | 7. März 1976 |
STERBEORT | Kopenhagen, Dänemark |