Adele Sandrock
Adele Sandrock (* 19. August 1863[1] in Rotterdam; † 30. August 1937 in Berlin) war eine deutsche Schauspielerin.
Anfänge
Adele Sandrock wurde als Adele Feldern-Förster[2] in Rotterdam als jüngste Tochter des deutschen Kaufmanns Eduard Othello Sandrock (1832–1897) und der niederländischen Schauspielerin Nans ten Hagen geboren. Sie wuchs mit ihren sieben Geschwistern in Rotterdam und Berlin auf. Zu den Geschwistern gehörten u. a. der Maler und Schriftsteller Christian Sandrock (1865–1924) und Wilhelmine Sandrock (1862–1948), die ebenfalls als Schauspielerin arbeitete.
Als junges Mädchen interessierte sich Adele kaum für die Schule. Sie liebte wie ihre Mutter das Theater und wurde wegen unentschuldigten Fehlens sogar aus der Schule entlassen. 1878 debütierte sie am Berliner Vorstadttheater Urania in der Rolle der Selma im Lustspiel Mutter und Sohn von Charlotte Birch-Pfeiffer.
In einem Theater in Berlin lernte sie die Meininger kennen und war von ihrer Spielweise fasziniert. Sie fuhr mit geliehenem Geld nach Meiningen und sprach dort die Rolle der Luise in Schillers Kabale und Liebe vor. Man zeigte sich von ihrem Talent begeistert, und sie erhielt einen Dreijahresvertrag. Danach folgten weitere Rollen auf Provinzbühnen (unter anderem in Moskau, Wiener Neustadt, Budapest). Auch Adolph L’Arronge, Theaterdirektor und Stückeschreiber, war von ihrem Talent angetan.
Wien und Berlin
Der Durchbruch gelang ihr 1889 in der Hauptrolle der Isabella in Der Fall Clémenceau von Alexandre Dumas und Armand d'Artois im Theater an der Wien. Zu ihren Stärken zählten von Anfang an moderne Rollen (Henrik Ibsen, Arthur Schnitzler).
Von 1889 bis 1895 spielte sie am Deutschen Volkstheater in Wien. Sie lernte 1893 den Dichter Arthur Schnitzler kennen und unterhielt mit ihm eine enge Beziehung, zwei Jahre lang waren die beiden ein Liebespaar. Die Beziehung war von Launen und von einem beständigen Wechsel der Einstellungen geprägt.[3] In seinen Werken Der Reigen, Halbzwei und Haus Delorme verwendete Schnitzler seine Erinnerungen an Adele Sandrock. Ihr intimer Briefwechsel erschien in Buchform.
In Wien wurde Sandrock zum Bühnenstar und sorgte durch ihr turbulentes Privatleben und ihre Vertragsbrüche für einige Skandale. Der Schriftsteller Alexander Roda Roda war vorübergehend ihr Verlobter. Von 1895 bis 1898 war sie wie ihre ältere Schwester Wilhelmine Sandrock am Hofburgtheater tätig. Über ihren Abgang schreibt Hugo Thimig am 16. Oktober 1898 in seinem Tagebuch: „Wir haben zur Abwechslung wieder eine Sandrock-Affäre. Adelchen, das warscheinlich günstige Anträge aus Berlin hat, will fort und macht auf lügenhafter Basis Scandal. Sie behauptete in Schnitzler's 'Vermächtniß' die Mutter der Hohenfels zugetheilt erhalten zu haben. Sie bekam aber eine Dame von 36 Jahren, Mutter der Medelsky (die sie in 'Wildente' ja auch schon war), und der noch ein Verhältniß zu einem jüngeren Manne zugetraut wird. Dann ist sie wüthend, daß sie die 'Jungfrau' nicht spielt! Das braucht bei einem Blick auf Frl. Sandrock keines weitern Commentars.“ Und am 20.Oktober: „Frl. Adele Sandrock wurde auf ihr rüdes Ansuchen aus dem Verband des Burgtheaters entlassen. Trotz ihres starken Talentes war sie kein Gewinn für uns.“[4] Nach einer Europatournee wirkte sie von 1902 bis 1905 erneut am Deutschen Volkstheater in Wien, konnte aber an ihre früheren großen Erfolge nicht mehr anknüpfen.
1905 zog sie nach Berlin, wo sie bis 1910 am Deutschen Theater von Max Reinhardt spielte. Seit dieser Zeit gab es einen Knick in ihrer Karriere.
Filmstar
Ab 1911 übernahm sie erste Rollen in Stummfilmen. 1920 feierte sie auf der Bühne erstmals wieder größere Erfolge und spielte vor allem in Komödien (z. B. von Oscar Wilde) mit starkem Pathos die komische Alte, prägte den Typus der starrköpfigen Schwieger- bzw. Großmutter oder der tyrannischen alten Dame. Durch den Tonfilm konnte sie ab 1930 ihr komisches Talent voll ausleben und wurde für die Nachwelt dadurch berühmter als durch ihre erfolgreichen Theaterrollen. Ihrer markanten blechern tiefen Stimme wegen wurde sie auch „der General“ genannt.
Lebensende und Beisetzung
Adele Sandrock blieb zeitlebens unverheiratet. Sie lebte bis zuletzt zusammen mit ihrer Schwester Wilhelmine in einer Wohnung in Berlin-Charlottenburg, Leibnizstr. 60, in der sie am 30. August 1937 an den Nachwirkungen eines 1936 erlittenen Unfalls starb. Am 4. September 1937 fand im Berliner Theater in der Saarlandstraße eine offizielle Trauerfeier statt, nach der im Beisein von Wilhelmine Sandrock die Überführung des Sarges nach Wien erfolgte.[5] Der aus drei Wagen bestehende Überführungskondukt machte auf seinem Weg von Berlin nach Wien am 6. September 1937 auf dem Hauptplatz von Linz für eine Stunde Station, was die Aufmerksamkeit zahlreicher Passanten hervorrief.[6]
Bei der öffentlichen Aufbahrung in der Kirche des Matzleinsdorfer evangelischen Friedhofs befand sich neben dem Sarg von Adele Sandrock ein zweiter Sarg, der die Gebeine des Vaters, der Mutter sowie der Tante enthielt, die bis zu ihrer Exhumierung in einem Familiengrab bestattet waren. Gemäß letztwilliger Verfügung waren Vater und Mutter (40 bzw. 20 Jahre zuvor verstorben) neben ihrer Tochter Adele in einer von Wilhelmine Sandrock angekauften Gruft beizusetzen.[7]
Am 8. September 1937 fand die geladenen Gästen vorbehaltene Beerdigungsfeier statt. Neben Vertretern des offiziellen Österreich, des Deutschen Reichs und der Niederlande waren aus dem künstlerischen Leben u. a. zugegen: Heinrich George, Heinz Hilpert, Paul Hörbiger, Else Wohlgemuth, E. W. Emo, Otto Tressler, Paul Morgan, Jack Trevor.[8][9]
Neben den zahllosen Kranzspenden, u. a. von Exkaiser Wilhelm sowie Reichskanzler Hitler, befand sich das von Adeles Schwester gewidmete kreuzgeformte Blumengebinde, verziert mit der Inschrift „Ich war Dir treu bis in den Tod, Deine Dich liebende Schwester Wilhelmine“.[8]
Die Lage von Adele Sandrocks Grabstelle auf dem evangelischen Friedhof Wien Matzleinsdorf ist beschrieben mit Gruppe 18, Gruft 165.[10]
Nachruhm
Adele Sandrock ist bis heute vielen Kino- und Theaterfreunden ein Begriff und steht in einer Reihe mit anderen großen Volksschauspielern, wie z. B. Heinz Rühmann oder Hans Moser. Auch verschiedene andere Schauspielerinnen ähnlichen Typs werden oft mit ihr verglichen. So nannte man etwa die vergleichbar exzentrische britische Schauspielerin Margaret Rutherford in Deutschland oft die „englische Adele Sandrock“.
Nach Adele Sandrock sind u. a. Straßen (z. B. die Adele-Sandrock-Straße in Berlin-Hellersdorf) benannt worden. In den 1960er und 1970er Jahren produzierte das Adele-Sandrock-Studio Baden-Baden u. a. literarische Sprechplatten.
Liste der Bühnenrollen
- Alexandre Dumas der Jüngere
- Die Kameliendame (Rolle der Marguerite Gautier)
- Francillon (Rolle der Francillon)[11]
- Alexandre Dumas der Jüngere und Armand d'Artois, Der Fall Clémenceau (Rolle der Isabella)
- Johann Wolfgang von Goethe, Egmont (Rolle der Martha von Parma)
- Franz Grillparzer
- Henrik Ibsen, Rosmersholm (Rolle der Rebekka West)
- Heinrich Laube, Graf Essex (Rolle der Lady Nottingham)
- Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti (Rolle der Emilia und der Orsina)
- Victorien Sardou
- Friedrich Schiller
- Kabale und Liebe (Rolle der Luise und der Lady Milford)
- Maria Stuart (Rolle der Maria Stuart)
- Arthur Schnitzler
- Das Märchen (Rolle der Fanny Theren)
- Liebelei (Rolle der Christine)
- William Shakespeare, Richard III. (Rolle der Anna)
- Hermann Sudermann, Heimat (Rolle der Magda)
- Frank Wedekind, Die Büchse der Pandora (Rolle der Gräfin Geschwitz)
- Oscar Wilde, Bunbury (Rolle der Lady Bracknell)
Filmografie
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Literatur
- Jutta Ahlemann: „Ich bleibe die grosse Adele“. Die Sandrock – eine Biographie. Droste, Düsseldorf 1988, ISBN 3-7700-0759-X.
- Jutta Ahlemann: Adele Sandrock. Geschichten eines Lebens. Ullstein-TB 22133, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-548-22133-5 (Autobiographie).
- Claudia Balk: Von „Der Sandrock“ zur Adele. Pathos und Komik. Deutsches Theatermuseum, München 1997, ISBN 3-00-001617-1 (Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung).
- Claudia Balk: Sandrock, Adele. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 429 f. (Digitalisat).
- Thomas Klein: Komödiantinnen im frühen 20. Jahrhundert: Liesl Karlstadt und Adele Sandrock. Coppi, Alfeld/Leine 1999, ISBN 3-930258-65-X (=Aufsätze zu Film und Fernsehen Band 66).
- Thea Leitner: Fürstin, Dame, armes Weib. Ungewöhnliche Frauen im Wien der Jahrhundertwende. Piper, München 2004, ISBN 3-492-21864-4.
- Oskar Pausch: Rebellakatzenthier und Artilleriehund. Die Affäre Adele Sandrocks mit Alexander Roda Roda 1900/1901; mit einer Edition sämtlicher Korrespondenzen. Böhlau, Wien 2001, ISBN 3-205-99364-0.
- Friedrich Rothe: Arthur Schnitzler und Adele Sandrock. Theater über Theater. rororo 22537, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-22537-9.
- Adele Sandrock, Arthur Schnitzler; Renate Wagner (Hrsg.): Dilly: Geschichte einer Liebe in Briefen, Bildern und Dokumenten. Amalthea, Wien / München 1975, ISBN 3-85002-063-0.
Weblinks
- Literatur von und über Adele Sandrock im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Vorlage:IMDb Name
- Biografie auf museumonline.at, abgerufen am 15. Juni 2010
- Adele Sandrock In: Virtual History (englisch)
- Eintrag zu Adele Sandrock im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Werbefilm aus den 30er Jahren mit Adele Sandrock
Einzelnachweise
- ↑ a b Adele Sandrock: Mein Leben. Hrsg.: Wilhelmine Sandrock. Blanvalet, Berlin 1940, S. 13 (Mein leben - Adele Sandrock - Google Books).
- ↑ Die Weltbühne, Band 44, Ausgaben 27–52
- ↑ Renate Wagner, Adele Sandrock und Arthur Schnitzler. Geschichte einer Liebe in Briefen, Bildern und Dokumenten
- ↑ Hugo Thimig erzählt, ausgewählt und eingeleitet v. Franz Hadamovsky, Böhlau, Graz-Köln 1962, S. 137.
- ↑ Die Ueberführung Adele Sandrocks nach Wien. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, 2. September 1937, S. 8 Mitte
- ↑ Aufenthalt in Linz. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 7. September 1937, S. 8, Mitte rechts
- ↑ Die Ueberführung Adele Sandrocks nach Wien. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 7. September 1937, S. 8, oben rechts
- ↑ a b Adele Sandrocks letzte Fahrt. In: Neues Wiener Journal, 9. September 1937, S. 5, links
- ↑ Die Bestattung Adele Sandrocks. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 9. September 1937, S. 8
- ↑ knerger.de: Das Grab von Adele Sandrock
- ↑ (Altes) Stadttheater Baden bei Wien, Spielwinter 1897/1898. – In: Zum Tode Adele Sandrocks. Badener Zeitung, 4. September 1937, S. 2, unten Mitte.
Personendaten | |
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NAME | Sandrock, Adele |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-niederländische Schauspielerin |
GEBURTSDATUM | 19. August 1863 |
GEBURTSORT | Rotterdam |
STERBEDATUM | 30. August 1937 |
STERBEORT | Berlin |