Adele Schopenhauer

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Adele Schopenhauer in einem Porträt von Alexander von Sternberg aus dem Jahr 1841

Luise Adelaide Lavinia Schopenhauer, bekannt als Adele Schopenhauer (* 12. Juli 1797 in Hamburg; † 25. August 1849 in Bonn), war eine deutsche Schriftstellerin. Sie war Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer und Tochter der Schriftstellerin Johanna Schopenhauer. Henriette Sommer und Adrian van der Venne waren von ihr verwendete Pseudonyme.

Leben und Wirken

Caroline Bardua: Johanna und Adele Schopenhauer (als Kind), 1806
Selbstporträt

Geboren in Hamburg, wuchs Adele Schopenhauer in Weimar unter dem Einfluss des Künstler- und Gelehrtenzirkels auf, der sich im Salon ihrer Mutter versammelte. Adele war hochbegabt und beschäftigte sich mit Literatur und Dichtung. Doch schrieb sie nicht nur Märchen, Gedichte und Romane, sondern sie war auch eine Meisterin des Scherenschnitts: Sowohl ihre überragenden Scherenschnitte[1] als auch ihre Literatur sind vor allem im englischen Sprachraum gewürdigt worden.

Der Vermögensverlust im Jahr 1819

Im Mai des Jahres 1819 verloren Johanna und Adele Schopenhauer beim Zusammenbruch des Danziger Bankhauses Muhl große Teile ihres von Heinrich Floris Schopenhauer 1805 geerbten Vermögens, welches sie vollständig bei dem Danziger Bankhaus deponiert hatten. Arthur Schopenhauer hatte klugerweise nur ein Drittel seines Vermögens bei Muhl zurückgelassen und war auch nicht bereit, sich auf einen Vergleich mit Muhl einzulassen. Diese Affäre führte zu einer weiteren Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Arthur und den beiden Frauen, denn sie hatten ihn brieflich immer wieder gebeten, dem Vergleich zuzustimmen. Vergebens.[2] Die weitere Entwicklung des Falls sollte Arthur Recht geben. Mutter und Tochter ließen sich auf einen Vergleich mit 70 Prozent Verlust ein und verloren so den größten Teil ihres Vermögens. Arthur hingegen verhielt sich abwartend und weigerte sich, seine Wechsel einzulösen. Er hatte Muhl, der als gewiefter Taktiker galt und noch bis zuletzt versucht hatte, Arthur mit dem generösen Angebot einer 70-prozentigen Vermögensrückgabe plus einer Schafherde zu einem Vergleich zu bewegen, durchschaut, denn Muhl sollte sich in der Folge durch den Vergleich finanziell sanieren und war am Ende wieder zahlungsfähig. Arthur bekam tatsächlich einige Jahre später sein gesamtes Geld zurück. Eng befreundet mit Goethes späterer Schwiegertochter Ottilie, verkehrte Adele Schopenhauer häufig in Goethes Haus in Weimar. Es heißt, dass sie Goethe stets „Vater“ genannt habe.[3]

Doch der Vermögensverlust blieb nicht ohne einschneidende Konsequenzen. Zwar konnte Johanna durch ihre Schreibtätigkeit etwas verdienen und Adele hatte ja auch noch ein gewisses Restvermögen, weil sie durch ihre Unmündigkeit zum Teil geschützt wurde. Doch schloss der Lebensstil der Schopenhauers in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts bei weitem nicht an die davorliegenden Jahre an. Dies geht auch aus einem Brief hervor, den Adele 17 Jahre nach dem Verlust schreibt und in dem sie von „Scheinwohlhabenheit“ spricht.[4]

Umzug nach Bonn

Bedingt durch die Änderung der Verhältnisse in Weimar und durch die ungünstigere finanzielle Situation, sank anscheinend der Stern der Schopenhauers in Weimar.[5] Jedenfalls konnte Adele 1828 ihre Mutter Johanna dazu bewegen, nach Bonn zu ziehen. Das ganzjährige Wohnen in Bonn war anfangs nicht durchgehend bezahlbar, und man wich deshalb zeitweise ins billigere Unkel aus. Adele wurde in Bonn eine enge Freundin Annette von Droste-Hülshoffs und Geliebte Sibylle Mertens-Schaaffhausens.

Nach dem Tod der Mutter reiste Adele viel, vorwiegend nach Italien, bis sie schwerkrank nach Bonn zurückkehrte. Dort starb sie 1849 und wurde am 100. Geburtstag Goethes begraben. Ihre Freundin und Lebensgefährtin Sibylle Mertens-Schaaffhausen ließ ihr eine berührende Grabinschrift in italienischer Sprache anfertigen. Vier Tage nach der Beerdigung Adeles hielt Sibylle in ihrem Garten in der Wilhelmstraße eine private Totenfeier nach antikem Vorbild ab. Adele Schopenhauers Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof in Bonn.

Werke

  • Anna. Ein Roman aus der nächsten Vergangenheit, Theil 1–2; Leipzig: Brockhaus, 1845.
  • Eine dänische Geschichte; Braunschweig: Westermann, 1848.
  • Gedichte und Scherenschnitte, 2 Bände; hrsg. von H. H. Houben und Hans Wahl. Leipzig: Klinkhardt, 1920.
    • Band 1: Gedichte
    • Band 2: Scherenschnitte
  • Haus-, Wald- und Feenmärchen; Leipzig: Brockhaus, 1844.
  • Tagebuch einer Einsamen; hrsg. und eingeleitet von H. H. Houben. Mit Scherenschnitten der Autorin und einem Anhang von Rahel E. Feilchenfeldt-Steiner; München: Matthes & Seits Verlag, 1985.
  • Florenz. Ein Reiseführer mit Anekdoten und Erzählungen; 1847/48; hrsg. von Waltraud Maierhofer. Weimar: VDG 2007.
  • Vom-Niederrhein; hrsg. von Ulrich Bornemann. Kalender für das Klever Land auf das Jahr 2009. Kleve 2008. S. 99–117. ISBN 978-3-89413-009-1

Literatur

  • Franz Brümmer: Schopenhauer, Adele. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 32, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 332 f.
  • Gabriele Büch: Alles Leben ist Traum. Adele Schopenhauer. Eine Biographie; Berlin 2002; ISBN 3-7466-1797-9
  • Domietta Seeliger: Adele Schopenhauer. Nicht nur die Schwester des Philosophen. Analyse des Erzählwerks von Adele Schopenhauer und der dramatischen Dichtung „Erlinde“ von Wolfgang Maximilian von Goethe und Adele Schopenhauer. Lang, Frankfurt am Main u. a., 2004; ISBN 3-631-53227-X. Zugl. Dissertation der Universität Perugia, 2004.
  • Karsten Hein: Ottilie von Goethe (1796–1872). Biographie und literarische Beziehungen der Schwiegertochter Goethes; Dissertation betreut von Prof. Dr. V. Hansen, Vizepräsident der Goethe-Gesellschaft und Direktor des Goethe-Museums Düsseldorf; Europäische Hochschulschriften, Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main, 2001; ISBN 3-631-37438-0
  • Ilse Pohl: Miniaturen – Über Cornelia Goethe, Adele Schopenhauer, Clara Schumann und Annette von Droste-Hülshoff; Verlag der Cornelia Goethe Akademie, Frankfurt am Main, 2005; ISBN 3-933800-06-4
  • Domietta Seeliger: Schopenhauer, Adele. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 473 f. (Digitalisat).
  • Angela Steidele: Geschichte einer Liebe: Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens; Suhrkamp/Insel, Berlin und Frankfurt 2010 ISBN 978-3-458-17454-7
  • Ruth Rahmeyer: Ottilie von Goethe. Eine Biographie. Insel, Frankfurt a. Main 2002.
  • Christina Ujma, Rotraut Fischer: „Florenz lebt!“, Adele Schopenhauer, Fanny Lewald und die Florenzbeschreibungen in Vor- und Nachmärz. In: Jahrbuch für internationale Germanistik. Bern, Bd. 40.2008, 2, S. 85–104.

Weblinks

Wikisource: Adele Schopenhauer – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Auf scherenschnitt.org sind einige ihrer Scherenschnitte abgebildet.
  2. Ein Brief von Adele an Arthur vom 22. November 1819 illustriert die spannungsgeladene Atmosphäre eindrucksvoll. Er schließt mit folgenden Worten: „Du fühlst meine entsetzliche Lage, verarge mir also nicht wenn ich jetzt ausser Stand bin, mehr zu schreiben. Gieb nur bald Nachricht von dir – doch bitte ich dich ernstlich, reize mich jetzt nicht durch Misstrauen. Ich bin so wund, gedrückt und habe so verschiedene schmerzliche Losreissungen mit mir selbst in der Stille abzumachen, dass ich nichts weiter ertragen kann. Argwohn hat noch nie zu dem gehört, was ich erduldet, auch die leiseste Andeutung tritt scheidend zwischen uns. Ich habe deine Festigkeit, aber ich habe auch deinen Stolz, das vergiss nicht." (Aus: Gwinner, Schopenhauers Leben)
  3. Domietta Seeliger: Schopenhauer, Adele. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 473 f. (Digitalisat).
  4. Adele schreibt 1836 an Arthur: „Ich habe jahrelange Qual erduldet; denn mein Vermögensverlust hat alle edleren, schöneren Verhältnisse geknickt, verdorben, mein Leben verpfuscht, weil ich lebte, als wäre ich wohlhabend und doch nicht heirathen konnte aus Armuth und weil mich die Scheinwohlhabenheit drückte wie eine Lüge.“ (Gwinner, Schopenhauers Leben, S. 200)
  5. Adele äußert sich zum Umzug nach Bonn folgendermaßen: „Ich fand eine Frau hier am Rhein, die mich sehr lieb gewann. Sie that viel für mich und hat mich ohne Zweifel gerettet. Wir sind jedoch nicht ihretwegen hergezogen; der Aufwand in Weimar war zu gross gewesen, es fanden sich Schulden, die mit sehr grossen Opfern meinerseits gedeckt wurden, und es war nöthig von einem anderen Anfangspunkte aus zu leben, neue Verhältnisse zu haben, aus ökonomischen Gründen. Dazu kam das Klima, welches in Weimar die Mutter zu jährlichen Badereisen nöthigte, die hier unnütz wurden, was eine Ersparniss war. Endlich lasteten die Erinnerungen bleischwer auf mir. Ich ging gern. Die herzogliche Familie starb, vieler Freunde Schicksal änderte sich, sie zogen weg und Weimar konnte uns nicht mehr fesseln, obschon es uns unvergesslich lieb bleibt.“ (Gwinner, Schopenhauers Leben, S. 387)