Agnes Bluhm

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Agnes Bluhm (* 9. Januar 1862 in Konstantinopel; † 12. November 1943 in Beelitz) war eine deutsche Fachärztin für Gynäkologie und Rassenhygienikerin/Eugenikerin.

Leben

Agnes Bluhm wurde als Tochter des preußischen Generals Julius Bluhm, der im Dienst der türkischen Armee stand, in Istanbul geboren. Mit ihren beiden Schwestern Helene Maria Anna Olga und Martha Maria wuchs sie bei ihrer Mutter Agnes Bluhm, geb. Simon, in Berlin auf; den Vater erlebte sie nur bei seinen längeren, aber seltenen Besuchen. Durch die Begegnung mit der Medizinstudentin Anna Dahms interessierte sie sich für das Medizinstudium. Ihrem Vater zuliebe absolvierte sie aber zuerst eine Ausbildung zur Lehrerin und wurde in diesem Beruf 1880 examiniert. Schließlich orientierte sie sich mit Unterstützung der Mutter doch in Richtung ihres Traumberufs und begann im Wintersemester 1884/1885 ihr Studium an der Universität Zürich, wo Frauen bereits damals das Medizinstudium erlaubt war. 1890 wurde sie im Fach Gynäkologie promoviert.

Gleich zu Beginn ihres Studiums, im Oktober 1884, lernte sie in Zürich Friedrich Nietzsche, den sie verehrte, persönlich kennen. Ein Jahr später lernte sie während einer Anatomiesektion im Wintersemester 1885 Alfred Ploetz kennen, der sich in sie verliebte. Es entspann sich ein Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Ploetz und Pauline Rüdin. Trotz seiner Entscheidung für die Heirat mit Pauline (1890) blieben Agnes und Ploetz bis zu seinem Tode in einer engen Freundschaft verbunden. In Zürich nahm sie an einem Kreis von Studenten und Professoren teil, in dem eifrig diskutiert wurde. Dazu gehörten Alfred Ploetz, Auguste Forel, Gustav von Bunge, Frank Wedekind, Richard Avenarius, Adolf Fick, Rudolf Pöch sowie Carl und Gerhart Hauptmann. [1] „Vererbungsfragen sind schon damals in der Medizin und darüber hinaus viel diskutiert worden. Unter Forels und Ploetzens Führung auch in unserem Kreis.“ beschrieb Gerhart Hauptmann diesen Kreis. [2]

Noch 1890 ließ sie sich mit einer Schweizer-Approbation in Berlin als Gynäkologin nieder. In Deutschland war sie die dritte praktizierende Ärztin und ihre Praxis lief schnell sehr erfolgreich. Agnes Bluhm eröffnete 1899, evtl. einige Jahre früher, die „Poliklinik für Frauen und weibliche Ärzte“ in Berlin. Sie engagierte sich insbesondere für die Behandlung mittelloser Frauen und das Frauenstudium. Sie war auch Dozentin für Hygiene an der Humboldt-Akademie.

1905 musste sie wegen eines Ohrenleidens ihre Praxis aufgeben und gründete im gleichen Jahr die Gesellschaft für Rassenhygiene mit. Auch an dem von Alfred Ploetz gegründeten Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie arbeitete sie mit. Beschäftigte sie sich bis dato in ihren wissenschaftlichen Abhandlungen noch besonders mit dem Stillen von Kindern und seiner Bedeutung, fand sie nun einen Schwerpunkt in der Rassenhygiene. Von 1919 bis 1942 arbeitete sie im Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin in der Abteilung für Rassenhygiene und arbeitete besonders über die Wirkung von Alkohol auf das Genom. Hierzu führte sie an 32.000 Mäusen Tierversuche durch.

Bluhm war auch Mitglied in Bund Deutscher Ärztinnen (ab 1928 Ehrenmitglied), eine der ersten Frauenorganisationen, die nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 ihre jüdischen Mitglieder ausschlossen. 1937 wurde sie Mitherausgeberin des Archivs für Rassen- und Gesellschaftsbiologie, des Presseorgans der deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene.[3]

Wirken

Bis zu ihrem Tod blieb Agnes Bluhm Alfred Ploetz, den sie in Zürich kennengelernt hatte, verbunden. Als im November 1936 nicht der von den Rassenhygienikern in Deutschland favorisierte und in Stellung gebrachte Ploetz, sondern Carl von Ossietzky den Friedenspreis erhielt, empörte sich Bluhm über die Verleihung an den „Hochverräter“ und die „freche Provokation Deutschland gegenüber“.

Ihre Thesen zur Rassenhygiene und der Stellung der Frau in der Gesellschaft – sie sah die Verpflichtung zur Mutterschaft bedeutungsvoller als die Verwirklichung im Beruf – werden in einer Vielzahl Veröffentlichungen von ihr bekannt gemacht. Ihre rassenhygienischen Ansätze fanden Eingang in die Gesetzgebung im Nationalsozialismus insbesondere in die rassenhygienischen Gesetze von 1937. Einen Teil ihrer Thesen widerrief sie selbst, fand aber kaum noch Gehör.

In der Deutschen Demokratischen Republik wurde ihre Schrift Die rassenhygienischen Aufgaben des weiblichen Arztes auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[4]

Publikationen

  • Die rassenhygienischen Aufgaben des weiblichen Arztes, Berlin, 1934
  • Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, in Die Frau Bd 41, S 529-538, 1934
  • Alfred Ploetz zum Gedächtnis, in Die Ärztin Bd 8, S 213-214, 1940

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Peter Emil Becker: Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich, Thieme Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3-13-716901-1, S. 61
  2. Gerhart Hauptmann: Sämtliche Werke. Centenarausgabe. Band VII: Autobiographisches., Berlin, Propyläen Verlag 1962, S. 1065
  3. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 54.
  4. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-b.html