Andreas Walser

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Andreas Walser (* 13. April 1908 in Chur, Kanton Graubünden; † 19. März 1930 in Paris) war ein Schweizer Maler, Dichter und Fotograf.

Ein Gemälde von Andreas Walser.

Leben

Am 13. April 1908 wurde Andreas Walser als zweiter Sohn des Dekans und Stadtpfarrers Peter Walser (1871–1938) und dessen Ehefrau Else Walser (geb. Gerber; 1883–1935) in Chur geboren. Walser absolvierte von 1921 bis 1928 das Gymnasium an der Bündner Kantonsschule in Chur, welches er mit der Matura abschloss. In seinem Elternhaus richtete er sich daraufhin ein Atelier ein. Walser kopierte im Bündner Kunstmuseum Werke von Giovanni Giacometti (1868–1933) und Augusto Giacometti (1877–1947). Dabei befreundete er sich mit Bruno Giacometti (* 1907) und schloss sich anderen kunstinteressierten Mitschülern wie dem späteren Architekten Rudolf Olgiati (1910–1995) und dem Heimatforscher Paul Zinsli (1906–2001) an.

Seit dem Frühjahr 1927 erschienen von Andreas Walser verfasste Artikel in Schweizer Tageszeitungen, meist über Bildende Künstler. Im Februar des gleichen Jahres schickte er künstlerische Arbeiten zur Ausstellung Schweizerjugend und Zeichenkunst in der Kunsthalle Bern. Sein Zeichenlehrer am Gymnasium Hans Jenny (1866–1944) förderte Walser, da er erkannte welches Talent in ihm steckte. Für Freunde und Bekannte fertigte Walser Ex Libris. Dabei lernte er den Schriftsteller Hermann Hiltbrunner (1893–1961) kennen und machte auch Bekanntschaft mit der Sopranistin Bärby Hunger (1901–1986), die bis zu seinem Tod eine der engsten Vertrauten Walsers blieb.

Im Mai 1928 erhielt Walser Besuch von Augusto Giacometti, der mit den Eltern von Andreas über einen Parisaufenthalt des Sohnes sprach. Im Sommer 1928 schloss Walser das Gymnasium mit der Maturität ab. Am 24. Juni fand ein erster Besuch bei Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) statt. Im späteren Sommer folgte ein längerer Aufenthalt in Seewis in Prättigau wobei erste grössere Gemälde entstanden. Im Herbst konnte Walser mit der Erlaubnis seiner Eltern nach Paris. Vor seiner Abreise Ende September hatte er Kontakt mit Bündner Künstlern, die bereits in Paris waren: Paul Martig (1903–1962) und Leonhard Meisser (1902–1977). Letzterer lebte seit Herbst 1923 in Paris. Erste Unterkunft in Paris war das Hôtel Edgar Quinet, Boulevard Edgar Quinet 17 im 14. Arrondissement in der Nähe des Bahnhofs Montparnasse. Ab Mitte Oktober lebte er in einer Ateliersiedlung in der Rue Bardinet 16bis, einer Querstrasse der Rue d’Alésia. Im Atelier 4 der Villa Léone, in dem vor Walser Leonhard Meisser arbeitete, entstanden zahlreiche Werke. Ab Oktober besuchte Walser zum Aktzeichnen die Académie Colarossi, eine der zahlreichen privaten Ausbildungsstätten für Kunst, sowie Kurse der Académie de la Grande-Chaumière. Dies ist der Beginn einer Freundschaft mit dem Studenten Emmanuel Boudot-Lamotte (1908–1981). Er machte auch Bekanntschaft mit dem deutschen Dichter Albert H. Rausch (1882–1949), der unter dem Pseudonym Henry Benrath veröffentlichte. Mit Augusto Giacometti und Ernst Ludwig Kirchner sowie Bärby Hunger blieb Walser in brieflichem Kontakt. Er besuchte sie regelmässig, wenn er in die Schweiz reiste. Am 5. Dezember traf Walser erstmals Pablo Picasso (1881–1973). Weihnachten und Neujahr verbrachte Walser bei seinen Eltern in Chur und besuchte im Dezember Kirchner.

1929

Im Januar, wieder in Paris, suchte Andreas Walser die Bekanntschaft von Jean Cocteau (1889–1963), einem einflussreichen Pariser Literaten, Künstler und Filmemacher. Dieser lebte gerade in einer Klinik in Saint Cloud, wegen einer Opium-Entziehungskur. Der Kontakt lief anfangs über Briefe, ab März besuchte Walser den Künstler jedoch oftmals persönlich. Des Weiteren traf sich Walser mit dem französischen Dichter Georges Hugnet (1906–1974). Im Verlauf des Frühjahrs lernt Walser viele Künstler und Pariser Bohème-Kreise kennen; er malte u.a. Porträts von Picasso, Cocteau, Giorgio de Chirico (1888–1978), aber auch von der Dichterin Colette (1873–1954). So kam es auch zur Begegnung mit Klaus Mann (1906–1949) und dem Schweizer Maler Rudolf Zender (Zehnder; 1901–1988), einem Freund Kirchners. Walser wurde in dieser Zeit von Jean Fautrier (1898–1946) beeinflusst und beschäftigt sich mit avantgardistischer Fotografie. Maurice Tabard (1897–1984), der Walser die handwerklichen Grundlagen des technischen Mediums vermittelt, und der Fotograf George Hoynin-gen-Huene (1900–1968) besassen laut den Aufzeichnungen Walsers fotografische Arbeiten von ihm. Dabei lernte er auch die Technik der Collage kennen. Angeregt von Kirchner, der gerade mit dem Bauhaus-Schüler Fritz Winter (1905–1976) in Kontakt stand, zog Walser ein Studium am Bauhaus Dessau in Betracht.

Ab Anfang 1929 stellten sich erste kommerzielle Erfolge ein, teilweise auch aufgrund der Vermittlung durch Picasso. Der Picasso-Sammler Wilhelm Uhde (1874–1947) und die Galerie Jeanne Bucher übernahmen grössere Werkgruppen. Die Galerie Jeanne Bucher existiert noch heute; sie wurde 1920 von Marie-Jeanne Bucher (1872–1946) gegründet und gehörte zu den wichtigsten avantgardistischen Galerien in Paris. Ein Gemälde Walsers gelangte 1929 in die Galerie Pierre und wurde dort ausgestellt. Die Galerie Quatre Chemins, die von dem französischen Schriftsteller Maurice Sachs (1906–1945) geleitet wird, zeigte im Frühjahr Gemälde von Walser und kündigt eine Einzelausstellung für den Herbst an. Vermutlich war Walser im Kreis um Cocteau mit Drogen in Berührung gekommen. Ende April entging er nach einer Überdosis knapp dem Tod.

Den Sommer verbrachte Walser grossteils in Graubünden. Gleichzeitig fand in Paris die Ausstellung Exposition d’art abstrait statt, die im Umfeld der Künstlergruppe Cercle et Carré zusammengestellt wurde und an der Walser teilnahm. Ende Juli besucht Walser Kirchner und traf auf dem Wildboden Fritz Winter. Ende September bezog Walser ein Balkonzimmer im 5. Stock des Vénétia-Hôtel am Boulevard Montparnasse 159. Er beschloss zu diesem Zeitpunkt grössere Bilder zu malen und arbeitete an Übersetzungen von Werken zweier französischer Dichter, Jean Desbordes (1906–1944) und René Crevel (1900–1935), einem Vertreter des literarischen Surrealismus. Im Oktober besuchte Walser Bärby Hunger in Paris und im November verfasste Walser das illustrierte Prosagedicht Le balcon, das er seinem jüngeren Bruder Peter Walser widmete.

1930

Weihnachten und Neujahr war Walser in der Schweiz. Auf der Rückreise nach Paris besuchte er den lungenkranken Crevel in Leysin, der nach diesem Besuch der amerikanischen Dichterin und Sammlerin Gertrude Stein (1874–1946) empfahl, sich Werke des jungen Künstlers anzusehen. Mitte Januar zog Walser in die Rue Armand Moisant, Nr. 6, im 15. Arrondissement. Er teilte das Wohnatelier mit dem Musiker Guy de la Pierre. Ende Januar trat Walser mit Guy de la Pierre und dem Deutschen Freiherr H. A. von Maltzahn (Maltzan) nach Marseille und Korsika an. In den drei bis vier Wochen am Mittelmeer schien er sich zu erholen. Er zeichnete viel, gab aber die Übersetzung des Crevel-Textes auf. Der deutsche Kunstkritiker, Philosoph und Literat Carl Einstein (1885–1940) meldete seinen Besuch bei Walser an. Am 19. März 1930 starb Andreas Walser infolge einer Überdosis (Klaus Mann behauptet, Walser habe sich erschossen). Er wurde auf dem Friedhof des Pariser Vorortes Thiais bestattet.

Nur ein Teil des Nachlasses gelangte in die Schweiz. Erst in den 1980er Jahren wurde bekannt, dass sich in Paris ein bedeutender Block von Werken erhalten hat, die dort entstanden sind. November 1971 fand eine kleine Einzelausstellung im Bündner Kunstmuseum Chur statt. Erste umfassende Retrospektiven zu Leben und Werk Walsers wurden 1994 im Bündner Kunstmuseum Chur, 1995 im Kunstmuseum Winterthur und 1996 im Centre Culturel Suisse in Paris durchgeführt. 2001 erschien die ausführliche Monographie «Meine Bilder bleiben, die werden später von mir sprechen», Andreas Walser 1908–1930, herausgegeben von Marco Obrist in Zusammenarbeit mit Diethelm Kaiser.

Literatur

  • Marco Obrist (Hg.): Andreas Walser (Chur 1908 – 1930 Paris): Bilder, Briefe, Texte. Ausstellungskatalog (Bündner Kunstmuseum, Chur, 1. Oktober – 20. November 1994, Kunstmuseum Winterthur, 14. Januar – 12. März 1995). Basel; Frankfurt am Main: Stroemfeld 1994. ISBN 3-87877-489-3
  • Marco Obrist (Hg.): "Meine Bilder bleiben, die werden später von mir sprechen". Andreas Walser 1908–1930. Berlin: Nicolai 2001. ISBN 3-87584-113-1
  • Roland Scotti (Hg.): Andreas Walser – Liebe, Traum & Tod. Davos; Göttingen 2005. ISBN 3-86521-254-9
  • Marco Obrist/Beat Stutzer (Hg.): Andreas Walser/Gaudenz Signorell: Ein Dialog. Ausstellungskatalog (Bündner Kunstmuseum, Chur); Bern: Benteli 2006. ISBN 3-7165-1422-5
  • Heinz Bütler/Wolfgang Frei (Hg.): Die Nacht ist heller als der Tag: Das kurze Leben des Malers Andreas Walser. Bern: Benteli 2007. ISBN 978-3-7165-1445-0

Dokumentarfilm

  • Heinz Bütler (Buch und Regie): Die Nacht ist heller als der Tag – Das kurze Leben des Malers Andreas Walser, 2007, 87 Min [1]

Weblinks