Benutzer:Alessandrom/Spielwiese

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Eberhard Zangger 1998 bei der Arbeit im Gelände im Palast von Nestor in Pylos.

Eberhard Zangger (* 9. April 1958 in Kamen) ist ein deutscher Geoarchäologe, Kommunikationsberater und Publizist. Er wurde international bekannt durch seine umstrittene These einer Identität von Troja und Atlantis. Seine weiteren Thesen behandeln seit 1994 die Existenz eines luwischen Kulturkreises in Westkleinasien im 2. Jahrtausend v. Chr..

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Realschule begann Zangger 1974 am Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main eine Ausbildung zum technischen Assistenten. 1976 ließ er sich in Bochum zum geologischen Präparator ausbilden. In Bochum lernte er für das Begabtenabitur, während er tagsüber im Deutschen Bergbaumuseum arbeitete. Er studierte anschließend Geologie/Paläontologie an der Universität Kiel und erwarb nach einem Graduiertenstudium von 1984 bis 1988 an der Stanford University den Grad eines PhD. Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Cambridge. Von 1991 bis 1999 betrieb Zangger das Beraterbüro Geoarcheology International in Zürich, das sich jährlich an etwa sechs archäologischen Geländeprojekten im östlichen Mittelmeerraum beteiligte.

Ab 1982 spezialisierte sich Zangger auf das Gebiet Geoarchäologie. Zu seinen frühen Forschungsgegenständen und Entdeckungen zählen die Küstenlage der Dimini Magoula im neolithischen Zentralgriechenland, die Ausdehnung des Lernäischen Sees, das genaue Alter und die Funktion der mykenischen Flussumleitung sowie die Unterstadt von Tiryns, der Inselcharakter von Asine, der künstliche Hafen von Nestor bei Pylos einschließlich eines Sauberwasserspülungsmechanismus und ein künstlicher Staudamm beim minoischen Monastiraki in Zentralkreta.

Internationale Bekanntheit erlangte Zangger 1992 mit seiner Interpretation von Platons Atlantis als Troja, die er in seinem ersten Buch, "The Flood from Heaven", erstmals darlegte. Platon habe unwissentlich eine ägyptische Variante der Erzählung von Trojas Ende zu seinem Atlantis-Mythos verarbeitet. Seine Argumentation basierte auf Parallelen bei Platons Angaben zum Krieg zwischen Griechenland und Atlantis mit der Erzählung vom Trojanischen Krieg. In einem Artikel im Oxford Journal of Archaeology führte Zangger 1993 zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen Platons Beschreibung von Atlantis und verschiedenen Schilderungen des spätbronzezeitlichen Troja auf.[1]

1994 folgte ein weiteres Buch, "Ein neuer Kampf um Troia", in dem Zangger die ägyptischen Tempelinschriften über die Seevölkerinvasionen um 1200 v. Chr. mit der Überlieferung des Trojanischen Kriegs verknüpfte. Damit machte er klar, dass sein Interesse keineswegs der Suche nach Atlantis galt, sondern der korrekten Interpretation von Troja und des Endes der Bronzezeit. In diesem Buch lieferte er erstmals eine chronologische Abfolge der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im östlichen Mittelmeeraum im 13. Jh. v. Chr. In seiner Darstellung maß Zangger den Staaten in West- und Nordwestanatolien – den aus hethitischen Dokumenten bekannten luwischen Kleinkönigreichen wie Arzawa, Mira, Wilusa, Lukka und dem Seha-Flussland – eine größere Bedeutung bei als damals gemeinhin üblich. Seiner Ansicht nach waren diese Kleinstaaten vereint in ihrer wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung mit dem mykenischen Griechenland oder dem minoischen Kreta vergleichbar. Sie opponierten gegen das Hethiterreich und finden sich als "Seevölker" in den ägyptischen Quellen aus der Zeit Merenptahs und Ramses III. wieder. Verbündete dieser Koalition waren Assyrien, die Kaskäer und libysche Stämme. Verbündete der Hethiter waren (neben den Vasallen Amurru und Ugarit) Ägypten und das mykenische Griechenland.[2]

In seinem dritten Buch, "Die Zukunft der Vergangenheit" von 1998, umriss Zangger schliesslich auch die Entwicklung im 12. Jh. v. Chr., also nach dem Trojanischen Krieg. Versprengte Gruppen Überlebender der Seevölkerinvasionen und des Trojanischen Krieges hätten neue Siedlungen in Italien und Syrien/Palästina gegründet und so zur Entstehung der etruskischen und phönizischen Kulturen beigetragen, so Zanggers Theorie. Ausserdem führte er Argumente auf, wonach es beim Ausbruch von Santorin im 17. Jh. v. Chr. zu keinem Calderaeinsturz und somit auch zu keinem Tsunami gekommen sein kann. Zangger hält Naturkatastrophen als Auslöser von kulturellen Umbrüchen für überbewertet. Er plädiert stattdessen für eine stärkere Beteiligung der Naturwissenschaften und für eine vermehrte Einbeziehung von Städtebau und Wasserbau in der Altertumskunde.

Im selben Jahr, 1998, bereitete Zangger in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover ein hubschraubergestütztes Erkundungsprojekt in der Ebene der Troas vor, um mit Hilfe geomagnetischer Messungen alte Siedlungs- und Hafenstrukuren zu finden. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" widmete diesem Vorhaben eine Titelgeschichte.[3] Das türkische Kultusministerium erteilte dafür aber keine Genehmigung.[4]

Zanggers Theorien wurden von der Mehrheit der deutschen Fachwissenschaftler zwar abgelehnt, dennoch waren die Thesen nicht ohne Wirkung: Die Diskussion kann als eine Art Vorspiel zu der Troja-Debatte gewertet werden, die 2001/02 die deutsche Altertumswissenschaft bewegen sollte. Insbesondere der Archäologe Manfred Korfmann griff später direkt und indirekt einige von Zanggers Thesen auf, so vor allem die, dass das bronzezeitliche Troja eine Handelsmetropole gewesen sei und sich über eine weitaus größere Fläche ausdehnte als zuvor angenommen. Auch der luwische Kulturkreis in Westkleinasien erlebte in den letzten Jahren einen sprunghaften Anstieg des Forschungsinteresses.

Die englischsprachigen Fachwelt zeigte sich Zanggers Thesen gegenüber offener. So attestierte ihm der US-amerikanische Frühgeschichtler Daniel Pullen in einer wohlwollenden Rezension der Bücher "The Flood from Heaven" und "Ein neuer Kampf um Troja" im Journal of Field Archaeology, er habe versucht, "die Exaktheit naturwissenschaftlicher Methodik anzuwenden, um das Ende der Bronzezeit im östlichen Mittelmeer zu erklären". Weiter meinte er, Zangger habe "das naturwissenschaftliche Konzept der einheitliche Feldtheorie in der bronzezeitlichen Archäologie eingeführt, wonach eine Erklärung auf das gesamte Universum angewandt werden kann.“[5]

Zangger selbst zog sich im April 2001 mit einem Vortrag vor der Heidelberger Akademie der Wissenschaften aus der Forschung zurück. Schon 1999 wurde er als Berater für Öffentlichkeitsarbeit in der Stöhlker AG in Zollikon bei Zürich tätig. 2002 machte er sich selbständig und gründete die PR-Agentur für Wissenschaftskommunikation zangger.org - science communications (heute die Agentur für Unternehmenskommunikation science communications GmbH).

Seit April 2014 ist Zangger Präsident des Stiftungsrats der gemeinnützigen Stiftung Luwian Studies. Im Handelsregister des Kantons Zürich wird als deren Zweck "die Erforschung des zweiten Jahrtausends vor Christus im Westen Kleinasiens sowie die Verbreitung des Wissens darüber" angegeben.[6]

Der deutsche Schriftsteller Gisbert Haefs hat in seinem Roman Troja Zangger 1997 in der Figur des „Tsanghar“ ein kleines literarisches Denkmal gesetzt. Haefs hat für seinen Roman die Troja-Atlantis-These von Zangger verarbeitet.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • The Landscape Evolution of the Argive Plain (Greece). Paleo-Ecology, Holocene Depositional History and Coastline Changes. PhD-Dissertation at Stanford University, University Microfilm International, Ann Arbor, Michigan 1988
  • Prehistoric Coastal Environments in Greece: The Vanished Landscapes of Dimini Bay and Lake Lerna. Journal of Field Archaeology 18 (1): 1-15. 1991.
  • The Flood from Heaven – Deciphering the Atlantis Legend. Sidgwick & Jackson, London 1992 ISBN 0-283-06084 0.
  • The Geoarchaeology of the Argolid. (Hrsg. vom Deutschen Archäologischen Institut Athen), Mann, Berlin 1993 ISBN 3-7861-1700-4
  • Plato’s Atlantis Account: A distorted recollection of the Trojan War. In: Oxford Journal of Archaeology. 18 (1): 77-87. 1993.
  • The Island of Asine: A paleogeographic reconstruction. In: Opuscula Atheniensa. XX.15: 221-239. 1994.
  • Ein neuer Kampf um Troia. Archäologie in der Krise. Droemer Knaur, München 1994 ISBN 3-426-26682-2.
  • Eberhard Zangger, Michael Timpson, Sergei Yazvenko, Falko Kuhnke, Jost Knauss: The Pylos Regional Archaeological Project; Landscape Evolution and Site Preservation. In: Hesperia. 66 (4): 549-641. 1997.
  • Das Atlantis=Troja-Konzept – Auf den Spuren einer versunkenen Kultur in Westkleinasien. In: Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 143 (1), 13-23. 1997.
  • Die Zukunft der Vergangenheit. Archäologie im 21. Jahrhundert. Schneekluth, München 1998 ISBN 3-7951-1652-X.
  • Eberhard Zangger, Michael Timpson, Sergei Yazvenko, Horst Leiermann: Searching for the Ports of Troy. In: Environmental Reconstruction in Mediterranean Landscape. Oxford 1999 ISBN 978-1-900188-63-0.
  • Some Open Questions About the Plain of Troia. In: Troia and the Troad – Scientific Approaches. Springer, Berlin, 317-324. 2003 ISBN 3-540-43711-8.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Plato's Atlantis account - a distorted recollection of the Trojan War. In: Oxford Journal of Archaeology, Volume 12, Issue 1, pages 77–87, March 1993. Abgerufen am 5. September 2014.
  2. Who Were the Sea People? In: Saudi Aramco World Volume 46, Number 3 (May/June 1995). Abgerufen am 5. August 2013.
  3. „Das Puzzle des Philosophen“, Der Spiegel, 29. Dezember 1998
  4. Referat B 3.14: Aerogeophysik, BGR, 20. Juli 2001
  5. Rezension von Daniel Pullen in: Journal of Field Archaeology, Vol. 21, No. 4 (Winter, 1994), pp. 522-525
  6. Eintrag der Stiftung Luwian Studies im Handelsregister des Kantons Zürich

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Artikel zum Thema Atlantis = Troja
Interviews